Willkommen zu Hause
Das hat sich Rico Rodriguez sicherlich auch anders vorgestellt: Anstatt die Rückkehr in seine Heimat Medici in aller Ruhe auskosten zu können, muss er sich auf den Tragflächen eines Flugzeugs mit Flak-Geschützen und allerlei anderen projektilen Anfeindungen auseinandersetzen. Der Hilferuf seines Jugendfreundes Marios scheint nicht unberechtigt. Insofern ist der im Stürzen von Diktatoren erfahrene Rico zur richtigen Zeit am richtigen Ort - der fiese General Di Ravello darf nicht ungeschoren davonkommen. Doch nach dem explosiven Einstieg, der die Erwartung für die späteren Auseinandersetzungen auf eine hohe Messlatte legt, wird es ruhiger. Wohl wissend, dass es noch früh genug zu spektakulären Flugeinlagen mit dem Wingsuit, atemberaubenden Explosionen sowie herrlich überzogenen Feuergefechten kommen wird, schaltet Just Cause 3 zwei Gänge zurück.
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Das Zerstörungspotenzial kennt keine Grenzen.
Zum einen, um die Geschichte behutsam in Gang zu bringen, die ähnlich wie Filme à la Expendables vor Klischees und "Overacting" strotzt. Dabei bewältigt das Team von Avalanche das Kunststück, die Figuren trotz häufig hemmungslos übertriebener Verhaltensweisen und mitunter absurder Dialoge nicht ins Lächerliche abgleiten zu lassen. Am deutlichsten wird dies bei der durchgeknallten Wissenschaftlerin Dima, die Rico wie ihr MI-6-Kollege "Q" einen gewissen Herrn Bond mit Gimmicks und Gadgets ausrüstet. Von ihr stammen sowohl der Wingsuit als auch der neue Greifhaken, der in späteren Aufrüstungsstufen sogar multiple Kabel verschießen kann. Und ihre Dialoge sind immer so herzerfrischend "neben der Spur", dass ich mich immer wieder gefreut habe, wenn sich eine Szene mit ihr angedeutet hat. Die deutsche Lokalisierung gibt übrigens auch größtenteils Grund zur Freude. Die Figuren sind gut besetzt, wobei ausgerechnet Rico auf dem Anspielevent negativ abfiel und nicht ganz ins ansonsten im wahrsten Sinne des Wortes "stimmige" Gesamtbild passte. Ich wäre auch nie darauf gekommen, dass sich hinter dem Helden Moritz Bleibtreu als Stimme verbirgt, wie heute angekündigt wurde. Einerseits spricht dies für die Wandlungsfähigkeit des deutschen Schauspiel-Stars, andererseits konnte er auch schon in Battlefield 4 nicht den besten Eindruck hinterlassen. Es bleibt abzuwarten, ob das Gefühl, dass Rico "in Deutsch" nicht hundertprozentig passt, auch nach zig Test-Stunden in Medici noch Bestand hat. Und für den Fall kann man ja auf die englische Sprachspur umschalten.
Aller Anfang ist langsam
Dass sich Just Cause 3 am Anfang Zeit lässt, um auch behutsam in die Mechaniken einzuführen, gefällt mir ebenfalls. Mit der Erinnerung an das Anspielen im Juni, bei dem ich mit einem beinahe komplett ausgerüsteten Rico mehr Zeit mit Bruchlandungen als einem spektakulären Gleitflug im Wingsuit zugebracht habe, war ich für die Tempoverschleppung dankbar. Man bekommt in der ausgiebigen Tutorial-Phase eines nach dem anderen beigebracht: Fahren, den Umgang mit Sprengstoffen und Waffen, Fliegen, Schippern und nicht zuletzt die Verwendung von Greidhaken und Wingsuit, die in Kombination zu waghalsigen Stunts führen können. Nicht zuletzt wird einem auch eine Garage zur Verfügung gestellt, in der
Man kann sich an den Feuerbällen nicht sattsehen.
man jedes Fahrzeugmodell bunkern und dann später zusammen mit freigeschalteten Waffen in Abwurfkisten liefern lassen kann. Und das hat bei mir umgehend zu einer weiteren Facette der Sammelwut geführt, indem ich erst einmal alle Vehikel, die im Umkreis von etwa 500 Metern zu finden waren annektiert und meinem Fuhrpark zugeführt habe, bevor ich mich wieder auf die Missionen konzentriert habe.
Überhaupt gibt es viel zu tun. Das Spektrum reicht von Infiltration über Sabotage bis hin zu grandioser Zerstörung, wobei man "nebenbei" noch die von Di Ravello durch zahlreiche Propaganda-Instrumente im Zaum gehaltene Bevölkerung und ihre Dörfer und Städte befreien muss. Für jedes Gebiet müssen bestimmte Vorgaben erfüllt werden, bevor die Flagge der Unabhängigkeit gehisst werden darf und Rebellen die Kontrolle übernehmen. Allerdings fiel in den ersten Stunden auf, dass sich die Aufgaben stark gleichen und nur die Anzahl der zu zerstörenden Lautsprecher-Anlagen, Überwachungskameras oder Plakatwände mit dem Konterfei des Generals variiert. Ich hoffe, dass hier bereits mittelfristig mehr Abwechslung zu finden ist. Die Herausforderungen, denen man sich mit zahlreichen Fortbewegungsmitteln (inkl. Wingsuit) stellen muss, geben diesbezüglich Hoffnung - im Rahmen der Möglichkeiten bietet man hier mehr als das typische "Fahren-gegen-die-Uhr", sondern peppt es mit Genauigkeitsanforderungen oder der seit dem Jan-DeBont-Film "Speed" berüchtigte Aufforderungen auf, eine bestimmte Geschwindigkeit nicht zu unterschreiten. Solche auf den ersten Blick unscheinbaren, aber im Spiel effektiven Modifikationen würden den Standard-Befreiungen ebenfalls gut tun. Doch auch hier gilt: Warten auf die finale Fassung.