DiRT Rally13.05.2015, Benjamin Schmädig

Vorschau: Endlich wieder Motorsport!

In Project Cars kann ich das Fahrzeug eigenhändig starten – hier muss ich die Handbremse ziehen, während der Motor schon während des Countdowns vor dem Start aufheult. Damit die Räder bei "Go!" sofort mit voller Kraft in den Asphalt greifen. Löse ich die Bremse eine Sekunde zu früh, bekomme ich eine Zeitstrafe aufgebrummt – Konzentration ist gefragt. Denn mit seinen Vorgängern hat Dirt Rally (ab 20,57€ bei kaufen) nur den Namen gemein; inhaltlich ist es eine Simulation wie Project Cars. Endlich wieder!

Endlich wieder?

Stand "Dirt" nicht Zeit seines Bestehens für Rennspiele, die sich nur nebenbei um das glaubwürdige Abbilden des Rallyesports scheren? So ist es. Die Wurzeln der Serie reichen allerdings zu einem Vorfahr namens Colin McRae Rally zurück. Und dem war es mit Realismus durchaus Ernst. Nicht so ernst, dass nur Lenkrad-Spezialisten geradeaus fahren konnten. Aber ernst genug, dass Liebhaber des Sports alleine vom Start bis ins weit entfernte Ziel unterwegs waren, anstatt kurze Strecken im Pulk zurückzulegen. Und genau dieses Erlebnis fängt Dirt Rally endlich wieder ein!

"Stay on the road, Samir, please!"

Man braucht weder Racing-Seat noch Asbest-Unterwäsche: Dank optionaler Fahrhilfen zwingt man die Boliden selbst mit Gamepad und Tastatur über Staub und Straße. Zwingen deshalb, weil das britische Codemasters-Studio die unebenen Strecken mit ihren vielen Knicken, Erhebungen, Gräben, Pfützen und wechselnden Belägen wirklichkeitsnah darstellt. Ständig ändert der Wagen seine Richtung; mal bringt ihn eine Bodenwelle aus der Spur, mal zieht ihn eine Spurrille gefährlich nah in Richtung Wegrand.

Wer Dirt Rally fährt, kämpft in jeder Sekunde um Millimeter. Er gibt nicht nur Vollgas, um gelegentlich das Lenkrad einzuschlagen, sondern man korrigiert mit Lenkung, Gas und Bremse. Diesen wichtigen Aspekt einer guten Simulation fängt Dirt schon jetzt überzeugend ein: Das ständige Spiel mit dem Gas ist für eine schnelle Fahrt

Lange Fahrten von A nach B: Dirt Rally bildet den Rallyesport originalgetreu ab.
ebenso wichtig wie die richtige Stellung der Räder. Tatsächlich erinnert das Fahrverhalten an das eben erschienene Project Cars: Es erfordert viel Geschick, die grundsätzlich leicht zu fahrenden Autos im Grenzbereich zu bewegen. Und das macht einen Heidenspaß!

Weil sie nicht auf überschaubaren Rundkursen unterwegs sind, nutzen Rallyepiloten dabei eine wichtige Hilfe: Ihr Beifahrer warnt sie vor Kurven und Hindernissen. Die knappen, aber zahlreichen Informationen verlangen volle Konzentration, weil Spitzenzeiten ohne sie undenkbar sind – zumindest so lange, bis hungrige Enthusiasten selbst die längsten der vielen Etappen in- und auswendig kennen. Auch das schürt das Feuer für Simulationsfans, denn sie müssen mit allen Sinnen ins Cockpit abtauchen. Schon alleine deshalb, weil es das Zurückspulen nach einem Fehler hier nicht gibt.

Auch Realismus muss spielbar sein

Lenkrad-Raser sind selbstverständlich im Vorteil, da sie Richtungsänderungen schneller und präziser ausführen. Tatsächlich bewirken Gamepad-Eingaben in der aktuellen Early-Access-Version allerdings dermaßen drastische Richtungsänderungen, dass man die Empfindlichkeit auf Null setzen und das Steuerungsverhalten so weit wie möglich von einer linearen Abfrage entfernen sollte. Daran arbeitet Codemasters hoffentlich noch. Ein Rallyefahrzeug muss schwer zu bändigen sein und mit vollem Lenkeinschlag durch engste Kurven schlittern. Beinahe ausbrechen darf es nach winzigen Korrekturen aber nicht!

Feder, Reifen, Bremsen

Realismus, so weit ihn herkömmliche Mittel zulassen: Das scheint immerhin die Devise. Und das gilt auch für die Beschaffenheit der Strecken in Griechenland, Wales sowie im Rahmen der Rallye Monte Carlo in den französischen Alpen. Weitere Umgebungen sollen im Laufe der Entwicklung hinzukommen. Die richtigen Einstellungen entscheiden stets über wichtige Sekunden: Dutzende Regler bestimmen das Übersetzungsverhältnis, die Verteilung der Bremskraft oder die Stärke von Federn und Dämpfern. Etwa zehn der wichtigsten Handgriffe gehören zum einfachen Setup. Profis toben sich in Dutzenden erweiterten Einstellungen aus.

Eine Rallye ist dabei in unterschiedlich viele Etappen und jede Etappe in zwei Abschnitte unterteilt und vor einer Etappe darf man den Wagen auf die Bedingungen der kommenden Abschnitte einstellen. In kurzen Trainingsfahrten testet man die Einstellungen, dann muss das Setup schon passen. Zwischen den Etappen kann man das Auto zudem reparieren. Dann verteilt man die Arbeitszeit der Mechaniker so, dass sie den Wagen

Fahrfehler haben sichtbare Folgen und solche, die man vor allem als Fahrer spürt.
binnen 30 Minuten wieder herstellen – so gut das in der knapp bemessenen Unterbrechung eben möglich ist. Mitunter stehen dabei wichtige Entscheidungen an: Soll die Crew das Fahrwerk auf Vordermann bringen oder sich vornehmlich um die Reifen kümmern? Wer hier nicht sorgfältig arbeitet, schleppt sich später vielleicht mit einem geplatzten Reifen ins Ziel.

Kostbare Leistung

Mechaniker gehören zu dem Team, das von Preisgeldern bezahlt wird. Durch das erfolgreiche Abschneiden mit den schwächeren Fahrzeugen vergangener Jahrzehnte kauft man also schnellere und moderne Boliden kaufen und stellt zusätzliche Crewmitglieder ein. Diese verfügen je nach Gehalt über unterschiedliche Qualitäten, etwa bei der Behandlung der Bremsen oder des Getriebes. Und je länger sie dabei sind, desto besser werden sie.

Tägliche, wöchentliche sowie monatliche Herausforderungen spielen schließlich auch abseits der Solokarriere Geld ein und wer will, versucht die Bestzeiten der Freundesliste zu schlagen: Codemasters deckt in dem noch unfertigen Spiel schon viele wichtige Aspekte eines guten Rennspiels ab.

Ausblick

Dirt Rally könnte nicht nur ein gutes Rennspiel werden – es hat Potential für ein sehr gutes! Grafisch betreiben die Briten zwar elegantes Understatement, spielerisch hat es die anspruchsvolle Simulation aber faustdick hinter den Ohren! Vom Aufbau einer Crew über das Setup bis hin zur Reparatur des Wagens fängt sie wichtige Aspekte rund um den Rallyesport ein. Auf der Strecke lässt sie schließlich all ihre Muskeln spielen, wenn selbst geübte Piloten jede Sekunde mit dem Wagen kämpfen, während sie den präzisen Ansagen ihres Beifahrers folgen. Der auf Steam erhältlichen Early-Access-Version fehlen natürlich noch zahlreiche Strecken und Fahrzeuge sowie andere Inhalte. Die Gamepad-Steuerung reagiert zudem übermäßig sensibel. Das Wichtige ist aber: Dirt fühlt sich wieder "richtig" an, echt und fordernd. Und steuert deshalb auf einen Award zu.

Einschätzung: sehr gut

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