Drive Any Track21.05.2015, Mathias Oertel

Vorschau: Der unendliche Streckennachschub

Das Video zum Early-Access-Start von Drive Any Track machte mich neugierig: Basierend auf der importieren Musik werden die Strecken dieses futuristischen Racers generiert. Theoretisch bedeutet dies unendlichen Kursnachschub. Doch wie gut funktioniert dieses Prinzip? Und wie viel Spaß steckt dahinter? Wir sind für die Vorschau durch ein breites musikalisches Spektrum gerast.

Der Spaß mit der Unendlichkeit

Wie kann man den Spieler vor dem Bildschirm zum einen direkt ansprechen und ihn zum anderen auch mittel- oder langfristig an das Spiel binden? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Designer seit dem Beginn der Videospielgeschichte. Für einige scheint die Antwort im Bereich der musikalischen Vorlieben zu liegen: Musikgeschmack ist höchst individuell. Wenn man dementsprechend den Spielern die Möglichkeit gibt, ihre Lieblings-Songs in das Spiel zu importieren, ist ein erster Schritt getan - die emotionale Anbindung ist geschafft. Wenn man nun auch noch die importierte Musik nutzt, um die Abschnitte zu generieren, schafft man zum einen ein sehr individuelles, zum anderen ein langlebiges Spielerlebnis - der Nachschub an Musik und damit neuen Levels ist kontinuierlich gewährleistet.

Das Design wechselt je nach erkannter Musikrichtung, doch die Unterschiede sind abseits der Farben nicht markant.
Doch dieses Prinzip kam erst in den letzten Jahren in Schwung, als man Musik nicht nur rippen und schließlich downloaden, sondern auch akkurat auslesen konnte. Vib Ribbon auf der PS1 hat dies genutzt, um Abschnitte für ein Rhythmus-Jump&Run zu generieren. Beat Hazard Ultra macht ebenso wie Symphony aus der Musik Levels für Arcade-Ballereien. Audiosurf verwendet die Melodien, um daraus einen rasanten Puzzler à la Klax zu machen. Und das jüngst in die Early-Access-Phase gestartete Drive Any Track (DAT) baut aus Kompositionen waghalsige futuristische Strecken, die man mit einer Art Magnetfahrzeug entlang rast und im Takt der Musik über Rampen springt, Loopings und Spiralen überwindet, durch die Kurven driftet und Turbos zündet.

Von Motörhead bis Tori Kelly und Phillip Glass

Auf den futuristischen Strecken warten auch waghalsige Sprünge.
Um die Erkennung der Musik und vor allem ihre Auswirkung auf die Strecken-Generierung sowie den Schwierigkeitsgrad (ein bis fünf Sterne) zu kontrollieren, haben wir ein breites Spektrum an Musik importiert. House und Trance war ebenso dabei wie Country, Rock, Heavy Metal, Pop und sogar Klassik von Bach sowie Phillip Glass. Überraschend dabei: Anthrax, Clawfinger, Rammstein oder Motörhead haben es nur selten geschafft, einen Vier-Sterne-Schwierigkeitsgrad einzufahren - sie blieben meist sogar bei nur zwei oder drei Sternen stehen. Je nach Song konnten Avicii, Calvin Harris oder David Guetta ebenfalls maximal vier Sterne einheimsen. Bei etwa 60 importierten Songs war nur einer dabei, der den höchsten Schwierigkeitsgrad für sich verbuchen konnte: "Nobody Love" von Tori Kelly - ein Pop-Song, der beim Hören irgendwo zwischen Jessie J und den Fugees liegt, aber eher in einem getragenen Tempo vorgetragen wird. Zumindest nichts, was auch nur ansatzweise auf fünf Sterne hindeuten könnte. Wir sind schon gespannt, was Slipknot, Trivium oder Bring Me The Horizon für Ergebnisse liefern.

Das Auslesen der Tracks funktioniert sehr gut: Auf unterschiedlichen Rechnern kommt es zu identischem Streckenlayout.
Drive Any Track soll nach bisherigen Angaben im Oktober in die finale Release-Version übergehen, so dass vermutlich auch noch an den Algorithmen zur Song-Auswertung geschraubt wird und evtl. klarer wird, nach welchen Kriterien die Strecke gebaut wird. Immerhin: Der Import geht vergleichsweise schnell vonstatten - ein durchschnittlicher Song von drei bis vier Minuten Länge ist in gut zehn Sekunden eingelesen. Und: Der Algorithmus arbeitet insofern extrem akkurat, dass auch auf unterschiedlichen Rechnern die identische Strecke zum jeweiligen Lied generiert wird. Sprungschanzen stehen an der gleichen Stelle. Münzen zum Freischalten von neuen Fahrzeugen und dazugehörigen Lackierungen sind ebenso übereinstimmend verteilt wie Power-Ups, Instant-Turbos oder Hindernis-Mauern.

Strecken-Komposition

Nachdem man Song und Fahrzeug ausgewählt hat, geht es auf die Strecke. Dabei ist die Auto-Selektion rein kosmetischer Natur - hinsichtlich der Fahrweise gibt es bei dem Dutzend futuristischer Boliden keinerlei Unterschiede. Vielleicht hat das noch junge Team von Foam, das hier mit Firebrand Games (Solar Flux, Fast and Furious: Showdown) zusammenarbeitet, Zeit, um den Flitzern noch unterschiedliche Eigenschaften zu spendieren. Dadurch würden die weltweiten Highscore-Listen für jeden Song zwar auch noch fahrzeugabhängig und entsprechend aufwändiger, doch dem Spiel würde diese Abwechslung gut tun. Denn auf Dauer fehlt der Raserei der allerletzte Kick. Es macht zweifelsfrei Spaß, der Taktlinie hinterher zu jagen und sich so einen hohen Multiplikator zu sichern, der vor allem auch dann in der Endabrechnung Wirkung zeigt, wenn man die Sprungschanzen nutzt, in den Kurven auf Knopfdruck driftet und es schafft, möglichst kollisions- oder absturzfrei ins Ziel zu kommen.

Die Kämpfe um den High Score warten auch mit Hindernissen auf der Fahrbahn.
Und wenn an bestimmten Kontrollpunkten die sich in alle Dimensionen windende Strecke im Takt der Musik pulsiert und damit eine geglückte Synchonisierung von Fahrzeug und Song symbolisiert, geht auch der Adrenalinspiegel nach oben - in diesen Momenten bekommt Drive Any Track eine beinahe hypnotische Sogkraft. Dass hier allerdings automatisch Gas gegeben wird, ist ebenfalls ein Aspekt, der zumindest in Zukunft optional sein sollte. Klar: Auch bei anderen Musikspielen wie Amplitude oder Audiosurf hat man keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit der der "Schlitten" auf dem Notenhighway entlang rast. Doch hier steht das Rennen gegen Zeit (bzw. gegen den Takt) im Vordergrund. Und dabei wäre man definitiv mehr gefordert, wenn man nicht nur lenken und den Turbo auslösen, sondern auch eigenhändig Gas geben darf. Zumal die Strecke weder Loops noch Dynamik innerhalb der Songs widerspiegelt. Wo Audiosurf z.B. langsame bzw. ruhigere Abschnitte anbietet (man denke nur an Bohemian Rhapsody) und auch Symphony ruhigere Phasen mit weniger Gegnern belohnt, stellt das Streckenlayout hier selbst in ruhigen Momenten keine "Cruise"-Möglichkeit zur Verfügung, um mal durchatmen zu können. Mehr Variation wäre auch für die derzeit zur Verfügung stehenden Umgebungen wünschenswert. Diese verändern sich zwar je nach erkanntem Musikstil, aber die Unterschiede sind nicht markant genug, um ins Auge zu fallen.

Ausblick

Das Konzept ist gelungen und entfacht seinen Reiz dadurch, zu seiner Lieblingsmusik über die futuristischen Strecken zu jagen. Und es gibt genug Momente, in denen die rasante Highscorejagd auf den Takt der Musik mit ihren Drifts, Sprüngen und Turbozündungen Laune macht. Doch im Gegensatz zu Audiosurf (demnächst wird Teil 2 veröffentlicht) oder Symphony ist Drive Any Track in dieser Form nur ein Spaß für zwischendurch. Während die Songerkennung schnell und zuverlässig für individuellen Strecken-Nachschub sorgt, können die Ausflüge auf die sich in alle Richtungen windenden Straßen nicht ganz halten, was ich mir nach den ersten Videos erhofft hatte. Weder als Rhythmus- noch als Rennspiel durch die Bank überzeugend, würde diesem interessanten Mischprojekt u.a. das optionale Abschalten des automatischen Gasgebens sowie das Ausstatten des Fuhrparkes mit unterschiedlichen Fahr-Eigenschaften gut tun. Aber Foam bleibt noch genug Zeit, um mit Feintuning mindestens in den guten Bereich vorzustoßen.

Einschätzung: befriedigend

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