GRIP: Combat Racing10.02.2016, Benjamin Schmädig

Vorschau: Akrobatischer Geschwindigkeitsrausch

Grip übersetzt man für gewöhnlich mit Bodenhaftung – das wäre in diesem Fall aber kompletter Unsinn. Oder zumindest nicht ganz zutreffend, denn mitunter “kleben” die Wagen des gleichnamigen Spiels auch an der Wand. Oder an der Decke. Oder überschlagen sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit, bevor sie hunderte Meter weiter auf dem Kopf landen... und einfach weiter fahren.

Die neuen Alten

Was passiert denn, wenn man einen Boliden auf den Kopf wirft? Na, klar: Sobald Räder wie die Beine einer Schildkröte hilflos in der Luft rudern, setzt einen das Rennspiel auf die Strecke zurück und weiter geht’s. Aber Grip ist eben nicht jedes Rennspiel. Grip ist Rollcage, oder vielmehr dessen geistiger Nachfolger. Die Räder seiner futuristischen Flitzer sind deshalb so groß, dass sie das Cockpit locker überragen und mit den so gegebenen Möglichkeiten entsteht eine akrobatische Dynamik, der sich seit Rollcage und seinem grandiosen Nachfolger kein Spiel so umfassend verschrieben hat wie dieses. Kein Wunder: Das auf Early Access erhältliche Spiel wird u.a. von Robert Baker und David Perryman entwickelt, ihres Zeichens Programmierer und Level Designer bzw. Produzent der Rollcage-Reihe.

Die kreativen Zügel hält hingegen Chris Mallinson in der Hand und Mallison war es auch, der die Entwicklung gemeinsam mit Baker ins Rollen brachte. "Ende 2014 habe ich Rob [Robert Baker, Anm. d. Red.] das Projekt vorgestellt, nachdem ich gesehen hatte, mit welcher Leidenschaft er an Rollcage Redux , einer aktuellen Version für neue Windows-Systeme, arbeitete", so der Game Director auf unsere Frage nach den Anfängen des Projekts. "Wir haben uns

Akrobatische Kunststücke in der bleigeschwängerten Zukunft: Rollcage heißt jetzt Grip.
über die Möglichkeit unterhalten, einen geistigen Nachfolger zu entwickeln. Richtig Fahrt hat das aufgenommen, als wir anfingen Unreal Engine 4 zu verwenden und das Spiel langsam Form annahm."

Wenn Rollcage kein Rollcage ist

Um es für Rollcage-Fans auf den Punkt zu bringen: Grip IST Rollcage. Es fühlt sich so an, es fährt sich so und manche Streckenabschnitte erinnern an die Vorgänger. Es ist stellenweise rasend schnell und erfordert schon auf der mittleren von drei Geschwindigkeitsklassen eine hervorragende Streckenkenntnis, hohe Präzision sowie einen gefühlvollen Fuß am Gas. Und natürlich versetzt man die Konkurrenz nicht nur mit fahrerischem Können in Staunen, sondern mit Raketen und MG auch an den Streckenrand.

Vom Namen her wird Grip aber wohl nie ein echtes Rollcage werden. Zum einen glaubt Mallinson nicht, dass sein Studio Caged Element die offizielle Lizenz erhalten könne, und zum anderen ist er ganz froh, ein neues Spiel zu entwickeln. Denn trotz aller Gemeinsamkeiten: "Grip ist ein neuer Name und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von Rollcage. Es ist schmutziger, intensiver und die Fahrzeuge fühlen sich schwerer an […] Ich glaube, der Name Rollcage würde gar nicht so recht passen [...]"

Mit Pfeffer gen Himmel

Recht hat er: Die Kamera folgt dem eigenen Wagen viel dichter und die Boliden wirken schwerer als ihre Vorgänger. Grip ist ein modernes Rennspiel, weil seinem Fahrverhalten eine nachvollziehbare, in der Handhabung aber natürlich

Sieben Strecken führen derzeit über drei Planeten. 16 Kurse sollen es im fertigen Spiel sein.
vereinfachte Physik zugrunde liegt. Das Prinzip erinnert am ehesten an Blur, Forza Horizon oder die Rennspiele aus dem Hause Codemasters.

Grip erinnert dabei stärker ans erste Rollcage als an Stage 2: Die Boliden schlittern recht stark und können von vielen Unebenheiten aus der Bahn geworfen werfen. Mitunter braucht es deshalb Glück, damit der Wagen nach einem minimalen Fehler nicht wie ein Gummiball in die frei befahrbare Pampa gepfeffert wird. Weil die Physik viele Freiheiten erlaubt, zählen dazu eben auch drastische Abflüge und das kann in den ersten Minuten frustrierend sein. Übung macht den Meister: Grip richtet sich an Piloten, die sich auf das einzigartige Konzept einlassen.

Korkenzieher bei 300 Sachen

Grundsätzlich ist das anspruchsvolle Fahrverhalten ja klasse! Immerhin führt der Weg auf die Pole Position nur über das bedachte Spiel mit Gas und Bremse und hat man den Dreh erst mal raus, lässt man sich mit absurd hohen Geschwindigkeiten an die Wand eines Tunnels tragen, schnappt sich den Schutzschild an der Decke und kehrt an der gegenüberliegenden Wand auf den Boden zurück. Oder man beendet die Fahrt in der Röhre einfach kopfüber, um nach der folgenden Dachlandung unbeirrt weiter zu donnern. Mit einem flotten Kameraschwenk fügen sich solche "Kopfsprünge" nahtlos in den Spielfluss ein.

Toll auch, dass man die häufigen Drehungen des Boliden nach nicht ganz sauberen Absprüngen schon in der Luft korrigieren kann. Gelingt nach einem solchen Korkenzieher mit mehr als 300 Sachen eine saubere Landung – das ist

PC, PS4 - und mehr?

Grip soll für PC und PS4 erscheinen. Das liegt laut Game Director Chris Mallinson vor allem an den auch auf der ersten Playstation erschienenen geistigen Vorgängern. Mallinson weist aber auch darauf hin, dass die Entwickler "noch keine Plattform ausgeschlossen" haben. Fahrspaß! Zumal die abwechslungsreichen Kurse mit riesigen Tunneln, engen Schächten, weiten Canyons und etlichen Abzweigungen jetzt schon die Finessen der Grip-Physik ausreizen.

Übrigens: Grip bietet wahlweise ein Gummiband, das nicht die Leistung der Gegner in Abhängigkeit der Position des Spielers drosselt oder steigert; vielmehr brettern zurückgefallene Spieler höchstselbst mit deutlich mehr Speed hinter dem Spitzenreiter her. "Catch-up" nennt Mallinson das – so wie es damals schon Rollcage tat.

Mit Vollgas durchs Nadelöhr

Was fehlt? Der Umfang – logisch. Grip befindet sich noch in Entwicklung; gerade mal einen klassischen Kurs hat Caged Element halbwegs fertiggestellt, zwei weitere sind als Prototypen befahrbar. Die aktuelle Early-Access-Version enthält außerdem drei Arenen, in denen sich Spieler und KI so lange die ständig auftauchenden Raketen und MGs um die Ohren werfen, bis nur ein Letzter übrig ist. Unterhaltsam ist auch eine Art Teststrecke mit Hindernissen aller Art: ein Spielplatz für motorisierte Tony Hawks'. Bei all dem rast man am Steuer ein und desselben Wagens in drei

Oben, unten, rechts, links: Grip-Piloten rasen über jede halbwegs ebene Oberfläche.
Geschwindigkeitsklassen, das war's.

Was noch kommt? Ende des Jahres sollen es zwölf Boliden, 16 Strecken sowie zehn Hilfsmittel, darunter Waffen, Boost und Schild, sein. Sowohl online als auch im Lan sollen Raser außerdem gegeneinander antreten, während kreative Spieler eigene Strecken und Fahrzeuge erstellen. Nicht zuletzt sind mit Elimination und Precision zwei Spielvarianten geplant, von denen mich Letztere aufhorchen ließ. Ist Precision etwa mit dem wundervollen Scramble aus Stage 2 vergleichbar? "Es soll Hindernisse und Gebiete geben, die man als Puzzle bezeichnen könnte, aber wir wollen die Geschwindigkeit hoch halten. Deshalb bin ich mir noch nicht sicher, wie die Strecken aussehen werden. Mir schweben Start-Ziel-Rennen mit Tricksprüngen, engen Passagen und vielen Elementen vor, die das Kippen des Fahrzeugs ausnutzen."

Und natürlich soll das alles in Zusamenarbeit mit den Spielern entstehen. "Im ersten Augenblick fühlte sich das Einstellen der Kickstarter-Kampagne wie ein schwerer Schlag für die Entwicklung an, aber dann haben wir gemerkt, dass Early Access ohnehin besser zu uns passt", blickt Mallinson zurück. "So kann das Spiel mithilfe des Feedbacks aus unserer Community wachsen." Tatsächlich hat Caged Element bereits in den vergangenen Monaten stets im eigenen Forum diskutiert, Meinungen eingeholt und z.B. das Fahrgefühl mit jeder Version verändert. Erst heute erschien ein Update, mit dem die Wagen satter auf der Straße liegen. Schön, dass es auf beiden Seiten noch leidenschaftliche Fans dieser Art Rennspiel gibt!

Ausblick

Was Mallinson und sein Team im Early Access vorstellen, ist bei seiner frühen Veröffentlichung viel weiter als Formula Fusion, die bislang ernüchternde Demo ehemaliger Wipeout-Macher. Denn Grip ist schon in dieser frühen Form ein knallharter, ungemein packender Arcade-Racer! Das Fahren an Decken und Wänden bei halsbrecherischen Geschwindigkeiten ist aufregend und schweißtreibend. Fahrphysik und Streckendesign kommen so hervorragend zusammen, dass ich etliche Stunden an das in Entwicklung befindliche Spiel gefesselt war. Kontrolliertes Rasen und rasante Stunts geben sich die Klinke in die Hand, während Raketen und Maschinengewehr die Zweikämpfe würzen. Für mich ist Grip schon jetzt der fulminante Neustart eines zu Unrecht verschwundenen Klassikers!

Einschätzung: sehr gut

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