Vorschau: Echtzeit-Taktik in unendlichen Weiten
Gut Ding will Weile haben
Als das kleine Team von Fractal Softworks Ende 2010 mit der Entwicklung von Starsector begann, war Elite Dangerous bereits ein Jahr in Entwicklung. Während David Braben mit Frontier Development in den folgenden Jahren u.a. dank einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne 2012 große Fortschritte machen und schließlich 2014 die Veröffentlichung feiern konnte, ging es bei Starsector deutlich langsamer voran: Die zweidimensionale Weltall-Erforschung mit leichten Rollenspiel-Elementen, Handel und Kampf befindet sich immer noch im Alphastadium. In der Zwischenzeit haben Titel wie Drox Operative, Space Rangers HD, Space Pirates and Zombies samt Fortsetzung oder VoidExpanse sich in der Nische breit gemacht, die eigentlich auch Starfarer (so der ursprüngliche Name) besetzen wollte.
Spröder Einstieg
Und zumindest in diesem Zusammenhang kann die gegenwärtigen Version 0.7.2a punkten. Man kann einen umfassenden Eindruck über die wirtschaftlichen und Fraktions-Zusammenhänge des hier verwendeten Universums verwenden. Man darf sich am überraschend taktischen Kampf probieren. Und man kann sich an der Zusammenstellung und Pflege der eigenen Flotte versuchen. Vor allem Letzteres passt gut in das Konzept, mit dem sich Starsector von anderen Titeln abheben möchte. Nicht umsonst bekommt man zu Beginn der ansonsten bislang sehr spröde präsentierten Sandbox-„Kampagne“ den Hinweis, dass man sich tunlichst von stärkeren Flottenverbänden
Anfänglich kämpft man aber nicht nur mit den Gegnern, sondern auch mit der Steuerung, die zwar unter dem Strich logisch ist, aber auch auf viel Trial&Error fußt – was auch der suboptimalen Kartenansicht geschuldet ist. Hat man nach einer Eingewöhnungszeit jedoch die Navigationsoptionen auf der Sternenkarte oder per Linksklick in den Bildschirm oder auf ein Ziel intus, kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren: Handel, Kampf und die verschiedenen Fraktionen. Und hier hat es vor allem der Kampf in sich. Wahlweise komplett von der KI durchführbar, wobei man immer wieder Befehle einstreuen kann, solange man die knappen Kommandopunkte zur Verfügung hat, liegt die wahre Berufung darin, dass ausgewiesene Flaggschiff selbst zu kommandieren.
Ruhig mal Flux ablassen
Will man nicht die taktische Ansicht zur Steuerung seiner Schiffe nutzen, kann man unter Einwirkung einer Trägheitsphysik sein Schiff mit WASD steuern, kann aber auch über die Shift-Taste z.B. einen Strafe-Modus aktivieren, bei dem man mit seinem Pott um das gegnerische Zielschiff herumwuselt und versucht, für seine Waffensysteme die beste Angriffsrichtung zu finden. Dementsprechend muss man nicht nur navigieren, sondern auch die beste Waffe zum richtigen Zeitpunkt nutzen. Kinetische Projektile z.B. fügen Schilden 200 Prozent schaden zu, während sie beim Rumpf nur 50 Prozent Wirkung zeigen. Explosivgeschosse wiederum verhalten sich entegegengesetzt und sorgen bei der Rumpfpanzerung für 200 Prozent Schaden, hingegen bei Schilden nur 50 Prozent. Energie-Waffen hingegen haben bei allen Schadensklassen 100 Prozent Wirkung, wohingegen EMP-Waffen vor allem Schiffssysteme schädigen und diese kurzzeitig aussetzen – was vor allem bei Schilden und Antrieben fatale Folgen haben kann.
Taktisch – und was kommt dann?
Die KI, die gewissen Persönlichkeitsprofilen folgt und die anderen Schiffe in der Schlacht lenkt, verhält sich gut, kann aber auch durch das Anheuern anderer Piloten/Kommandanten beeinflusst werden. Überhaupt hat man an den Raumstationen zahlreiche Möglichkeiten, seine Armada auszustatten. Hier kann man nicht nur Aufträge für Lieferungen (teilweise von profitablen Schwarzmarktgütern) oder Kopfgelder an Land ziehen, sondern auch seine Flotte aus- und aufbauen. Es gibt dutzende Schiffstypen, deren freie Waffenports mit unterschiedlichsten Geschütztypen bestückt werden können, solange man nur das nötige Kleingeld hat. Und damit wird ein bereits jetzt motivierender Kreislauf in Gang gesetzt: Man nimmt Aufträge an, erledigt sie, holt sich neue Waffen oder neue Schiffe und lernt schließlich immer neue Bereiche des über Sprungtore verbundenen Universums kennen. Man kämpft gegen kleine Verbände, nimmt deren Ladung oder teilweise
Allerdings fehlt mir momentan noch der rote Faden. Zwar wird man später auch kleine Industrieanlagen (u.a. zur Rohstoffgewinnung ) aufbauen können, während die verschiedenen Fraktionen sich um die Vorherrschaft im All streiten. Doch inwieweit man über die weitgehend plausibel funktionierende Marktwirtschaft Druck auf die einzelnen Gruppierungen ausüben kann oder die Fraktionen abseits von Sympathie/Antipathie samt entsprechender Missions-Pfade gegeneinander ausspielen kann, lässt sich noch nicht absehen. Ich hoffe, dass Fractal Softworks entweder Unterstützung von der Community in diesem Bereich bekommt oder selbst die Kurve kriegt. Denn sowohl die wirtschaftliche Basis als auch die Kulisse und vor allem die taktisch angehauchten Kämpfe bilden ein hoch interessantes Fundament.
Ausblick
Auch wenn das Konzept eines "zweidimensionalen" Elite nicht mehr taufrisch ist, macht Starsector neugierig. Die Kämpfe mit ihrem ebenso simplen wie genialen Kniff des "Flux" als universeller Energie haben eine taktische Note, während das Flottenmanagement mit seinen ausufernden Möglichkeiten, seine Armada aufzubauen und auszustatten, eine Wissenschaft für sich werden könnte. Das zwar nicht komplexe, aber mit zahlreichen Gütern gefüllte Wirtschaftssystem hinterlässt ebenfalls einen ordentlichen Eindruck. Allerdings bleiben auch abseits der trockenen Präsentation bzw. Erzählung im Sandkasten-Modus noch einige Fragen: Wie weit kann man z.B. die Wirtschaft nutzen, um die Fraktionen z.B. durch Handelsblockaden zu schwächen. Oder: Inwiefern wirken sich die Fraktionssympathien abseits von neuen Missionspfaden aus? Da das kleine Team sich Zeit bei den nächsten Schritten lässt, aber immerhin die Community mit ins Boot holt und schon jetzt Modding-Tools unterstützt, werden die Antworten vermutlich noch etwas länger auf sich warten lassen. Doch wer schon mit Titeln wie VoidExpanse, Drox Operative & Co Spaß hatte, sollte Starsector auf jeden Fall auf dem erweiterten Radar haben.
Einschätzung: gut
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