Starsector08.06.2016, Mathias Oertel
Starsector

Vorschau: Echtzeit-Taktik in unendlichen Weiten

Die unendlichen Weiten des Alls sind wieder im Kommen. Und das nicht nur in dreidimensionaler Form wie in Elite Dangerous oder Star Citizen. Das Indie-Projekt Starsector, das vor ungefähr fünf Jahren unter dem Namen Starfarer seinen Anfang nahm, baut auf eine zweidimensionale Darstellung, die leicht an FTL erinnert. Ob das seit langem in der Alphaphase verweilende Projekt mit seinem Kampf, Handel sowie All-Erforschung punkten kann, verraten wir in der Vorschau.

Gut Ding will Weile haben

Als das kleine Team von Fractal Softworks Ende 2010 mit der Entwicklung von Starsector begann, war Elite Dangerous bereits ein Jahr in Entwicklung. Während David Braben mit Frontier Development in den folgenden Jahren u.a. dank einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne 2012 große Fortschritte machen und schließlich 2014 die Veröffentlichung feiern konnte, ging es bei Starsector deutlich langsamer voran: Die zweidimensionale Weltall-Erforschung mit leichten Rollenspiel-Elementen, Handel und Kampf befindet sich immer noch im Alphastadium. In der Zwischenzeit haben Titel wie Drox Operative, Space Rangers HD, Space Pirates and Zombies samt Fortsetzung oder VoidExpanse sich in der Nische breit gemacht, die eigentlich auch Starfarer (so der ursprüngliche Name) besetzen wollte.

Eine kleine Auswahl der Raumschiffe in Starsector.
Einerseits ist es sehr angenehm, dass sich auch und gerade ein kleines Team die Zeit lässt, die es braucht, um seine Vorstellungen umzusetzen. Zumal man auch stets ein Ohr an der Community hat und schon jetzt Modding unterstützt. Nur muss man aufpassen, dass einem die Konkurrenz nicht davonzieht. Zwar hat Starsector nur auf den ersten Blick Gemeinsamkeiten mit einigen der oben genannten Titel. Doch diese haben vor allem einen Vorteil: Sie sind auf einschlägigen Digitalplattformen wie Steam, gog, Desura etc. verfügbar, während Starsector nur über die offizielle Webseite zu haben ist. Sprich: Man muss sich größtenteils auf Mundpropaganda verlassen, die wiederum nur dann Fahrt aufnimmt, wenn Mechaniken und Features funktionieren.

Spröder Einstieg

Und zumindest in diesem Zusammenhang kann die gegenwärtigen Version 0.7.2a punkten. Man kann einen umfassenden Eindruck über die wirtschaftlichen und Fraktions-Zusammenhänge des hier verwendeten Universums verwenden. Man darf sich am überraschend taktischen Kampf probieren. Und man kann sich an der Zusammenstellung und Pflege der eigenen Flotte versuchen. Vor allem Letzteres passt gut in das Konzept, mit dem sich Starsector von anderen Titeln abheben möchte. Nicht umsonst bekommt man zu Beginn der ansonsten bislang sehr spröde präsentierten Sandbox-„Kampagne“ den Hinweis, dass man sich tunlichst von stärkeren Flottenverbänden

Die Echtzeitkämpfe, die mitunter ganze Flotten einbeziehen, bieten überraschende taktische Finessen.
fernhalten und erst eine eigene Armada aufbauen sollte. Dazu wiederum benötigt man eine Menge Credits, die wiederum nur über Handel oder Kopfgeldjagden zu haben sind – selbstverständlich kann man auch den Laderaum havarierter Gegner durchsuchen und leeren.

Anfänglich kämpft man aber nicht nur mit den Gegnern, sondern auch mit der Steuerung, die zwar unter dem Strich logisch ist, aber auch auf viel Trial&Error fußt – was auch der suboptimalen Kartenansicht geschuldet ist. Hat man nach einer Eingewöhnungszeit jedoch die Navigationsoptionen auf der Sternenkarte oder per Linksklick in den Bildschirm oder auf ein Ziel intus, kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren: Handel, Kampf und die verschiedenen Fraktionen. Und hier hat es vor allem der Kampf in sich. Wahlweise komplett von der KI durchführbar, wobei man immer wieder Befehle einstreuen kann, solange man die knappen Kommandopunkte zur Verfügung hat, liegt die wahre Berufung darin, dass ausgewiesene Flaggschiff selbst zu kommandieren.

Ruhig mal Flux ablassen

Will man nicht die taktische Ansicht zur Steuerung seiner Schiffe nutzen, kann man unter Einwirkung einer Trägheitsphysik sein Schiff mit WASD steuern, kann aber auch über die Shift-Taste z.B. einen Strafe-Modus aktivieren, bei dem man mit seinem Pott um das gegnerische Zielschiff herumwuselt und versucht, für seine Waffensysteme die beste Angriffsrichtung zu finden. Dementsprechend muss man nicht nur navigieren, sondern auch die beste Waffe zum richtigen Zeitpunkt nutzen. Kinetische Projektile z.B. fügen Schilden 200 Prozent schaden zu, während sie beim Rumpf nur 50 Prozent Wirkung zeigen. Explosivgeschosse wiederum verhalten sich entegegengesetzt und sorgen bei der Rumpfpanzerung für 200 Prozent Schaden, hingegen bei Schilden nur 50 Prozent. Energie-Waffen hingegen haben bei allen Schadensklassen 100 Prozent Wirkung, wohingegen EMP-Waffen vor allem Schiffssysteme schädigen und diese kurzzeitig aussetzen – was vor allem bei Schilden und Antrieben fatale Folgen haben kann.

Die Präsentation ist gegenwärtig noch spröde.
Das Besondere:  Sowohl Waffen- als auch Schildsysteme greifen auf die universelle Energie "Flux" zurück, die jedoch in zwei Varianten unterschieden wird: Die "weiche" Version ist quasi eine normale Aufhitzung von Waffen und reguliert sich schnell selbst, wenn man die Geschütze wechselt oder abkühlen lässt. "Harter Flux" hingegen entsteht, wenn die Schilde getroffen werden, die man übrigens manuell aktivieren oder deaktivieren kann  - Letzteres sorgt für schnelleres Absinken von weichem Flux. Hier hilft nur, Dampf bzw. in diesem Fall Flux abzulassen. Doch Vorsicht: Solange das System entlüftet wird, kann man nur eingeschränkt manövrieren oder sich verteidigen. Wer sich im Tutorial oder den 14 Einzelmissionen  mit Fokus Kampf nicht eingehend mit diesen speziellen Mechanismen beschäftigt, hat selbst in der Anfangsphase des offenen Sandkastebn-Modus Probleme, die ersten Gefechte mit manueller Steuerung zu überstehen.

Taktisch – und was kommt dann?

Die KI, die gewissen Persönlichkeitsprofilen folgt und die anderen Schiffe in der Schlacht lenkt, verhält sich gut, kann aber auch durch das Anheuern anderer Piloten/Kommandanten beeinflusst werden. Überhaupt hat man an den Raumstationen zahlreiche Möglichkeiten, seine Armada auszustatten. Hier kann man nicht nur Aufträge für Lieferungen (teilweise von profitablen Schwarzmarktgütern) oder Kopfgelder an Land ziehen, sondern auch seine Flotte aus- und aufbauen. Es gibt dutzende Schiffstypen, deren freie Waffenports mit unterschiedlichsten Geschütztypen bestückt werden können, solange man nur das nötige Kleingeld hat. Und damit wird ein bereits jetzt motivierender Kreislauf in Gang gesetzt: Man nimmt Aufträge an, erledigt sie, holt sich neue Waffen oder neue Schiffe und lernt schließlich immer neue Bereiche des über Sprungtore verbundenen Universums kennen. Man kämpft gegen kleine Verbände, nimmt deren Ladung oder teilweise

Man kann zahlreiche Infos über Schiffe, BWaffnung, Stationen oder Planeten abrufen, um seine nächsten Schritte zu planen.
deren nicht zerstörte Geschütze an sich, verkauft die Beute oder rüstet sie aus und kann es nach und nach mit größeren Gegnersammlungen aufnehmen. Eine rudimentäre Charakterentwicklung des Alter Egos in vier Bereichen (Kampf, Führung, Technologie, Industrie) sorgt ebenfalls für Verbesserung der wesentlichen Werte.

Allerdings fehlt mir momentan noch der rote Faden. Zwar wird man später auch kleine Industrieanlagen (u.a. zur Rohstoffgewinnung ) aufbauen können, während die verschiedenen Fraktionen sich um die Vorherrschaft im All streiten. Doch inwieweit man über die weitgehend plausibel funktionierende Marktwirtschaft Druck auf die einzelnen Gruppierungen ausüben kann oder die Fraktionen abseits von Sympathie/Antipathie samt entsprechender Missions-Pfade gegeneinander ausspielen kann, lässt sich noch nicht absehen. Ich hoffe, dass Fractal Softworks entweder Unterstützung von der Community in diesem Bereich bekommt oder selbst die Kurve kriegt. Denn sowohl die wirtschaftliche Basis als auch die Kulisse und vor allem die taktisch angehauchten Kämpfe bilden ein hoch interessantes Fundament.

Ausblick

Auch wenn das Konzept eines "zweidimensionalen" Elite nicht mehr taufrisch ist, macht Starsector neugierig. Die Kämpfe mit ihrem ebenso simplen wie genialen Kniff des "Flux" als universeller Energie haben eine taktische Note, während das Flottenmanagement mit seinen ausufernden Möglichkeiten, seine Armada aufzubauen und auszustatten, eine Wissenschaft für sich werden könnte. Das zwar nicht komplexe, aber mit zahlreichen Gütern gefüllte Wirtschaftssystem hinterlässt ebenfalls einen ordentlichen Eindruck. Allerdings bleiben auch abseits der trockenen Präsentation bzw. Erzählung im Sandkasten-Modus noch einige Fragen: Wie weit kann man z.B. die Wirtschaft nutzen, um die Fraktionen z.B. durch Handelsblockaden zu schwächen. Oder: Inwiefern wirken sich die Fraktionssympathien abseits von neuen Missionspfaden aus? Da das kleine Team sich Zeit bei den nächsten Schritten lässt, aber immerhin die Community mit ins Boot holt und schon jetzt Modding-Tools unterstützt, werden die Antworten vermutlich noch etwas länger auf sich warten lassen. Doch wer schon mit Titeln wie VoidExpanse, Drox Operative & Co Spaß hatte, sollte Starsector auf jeden Fall auf dem erweiterten Radar haben.

Einschätzung:
gut

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