Oxygen Not Included22.01.2018, Marcel Kleffmann
Oxygen Not Included

Vorschau: Knuffiger und komplexer Kolonieaufbau

Knuffige Klone in einer kompromisslosen Welt voller Physik: In der Weltraumkolonie-Aufbausimulation Oxygen Not Included versucht man eine sich selbst versorgende Kolonie in einem Asteroiden aufzubauen und zu verwalten. Kümmern muss man sich um Sauerstoff, Nahrung, Strom, Keime, Toiletten, Temperatur, Kreaturen, Druckverhältnisse und noch viel mehr. Wir haben uns das kleine Komplexitätsmonster von Klei Entertainment in der Vorschau ausführlich angeschaut.

Verschollen im Weltraum

Die charmante und fast harmlos putzig wirkende Comic-Präsentation von Oxygen Not Included mag anfänglich etwas Anderes suggerieren, aber das Spiel von Klei Entertainment (Shank, Mark of the Ninja, Don't Starve, Invisible, Inc.) ist eine überraschend anspruchsvolle und komplexe Kolonie-Aufbau- und Management-Simulation. Sie beginnt langsam und überschaubar, legt aber innerhalb weniger Stunden in Sachen Komplexität und Verwaltungsaufwand ordentlich zu. Alles beginnt mit drei Duplikanten (kurz Dupes), die aus bisher unbekannten Gründen auf einem Asteroiden "ausgedruckt" wurden. Nun müssen sie auf dem Felsen im Weltraum irgendwie überleben ...

Als oberster Chef der Kolonie markiert man zunächst an das Startareal angrenzende Bereiche, die von den

Betten, Toiletten, Dusche, Waschbecken, Pumpen, Laufräder und Nahrungspressen befinden sich in dieser Kolonie, die gerade fleißig nach links ausgebaut wird.
Dupes mit dem praktischen Multi-Bergbau-Werkzeug abgebaut werden sollen. So vergrößert man sein Gebiet und gelangt an die ersten Rohstoffe wie Sandstein, Algen, Schleim, Samen oder andere lustige Überraschungen wie Chlorgas oder Schleimlungenkeime. Die Dupes lassen sich nicht direkt steuern. Nur durch das Festlegen von Bauprojekten und die manuelle Priorisierung der Wichtigkeit der Tätigkeiten/Aufgaben, die im späteren Verlauf übrigens immens wichtig ist, baut man in zweidimensionaler Seitenperspektive Schritt für Schritt eine im Idealfall autarke Weltraum-Kolonie auf, in der es allerlei Herausforderungen zu bewältigen gilt - und damit ist nicht nur die Versorgung der nasenlosen Dupes mit Sauerstoff gemeint.

Wie macht man Sauerstoff?

Zu Beginn geht es vorrangig um die Versorgung der Dupes mit Sauerstoff und Nahrung. Sauerstoff lässt sich aus anderen Stoffen produzieren, die man in der Umgebung findet oder man reinigt zum Beispiel verschmutzten Sauerstoff. Es ist zwingend nötig, eigenen Sauerstoff zu produzieren ist, denn nach wenigen Zyklen (fließender Tag-Nacht-Wechsel) ist die Starthilfe in Form von sich selbst auflösenden Sauerstoffsteinen verpufft. Mit einem Algen-Terrarium kann zum Beispiel Sauerstoff produziert werden, sofern man Wasser und Algen bereitstellt - oder man filtert die verschmutzte Luft mit Sand, wodurch Sauerstoff freigesetzt wird.

Bauprojekten und Aufgaben kann eine bestimmte Priorität zugewiesen werden.
Sauerstoff wabert als freies Gas durch die Koloniestollen und an jedem Fleck kann man sich anzeigen lassen, wie hoch die Konzentration ist. Sollte es an manchen Stellen zu wenig Sauerstoff geben, können die Dupes dort trotzdem kurz arbeiten, da sie die Luft anhalten können - was jedoch Stress verursacht.

Später im Spiel und wenn die Dupes an den Forschungscomputern neue Technologien entdeckt haben, dürfen komplexere Gerätschaften wie Elektrolyseure zur O²-Erzeugung gebaut werden, die Strom brauchen. Für Strom müssen die Dupes entweder ins Laufrad oder andere Bauprojekte in Angriff nehmen.

Lecker: Matschriegel oder Läuseriegel

Ist das Sauerstoffproblem gelöst, muss man sich um Nahrung für die Dupes kümmern. Die einfachste Variante, formgepresste Matschriegel aus Erde und Wasser, ist nicht wirklich schwer zu bekommen. Lecker und nahrhaft sind sie nicht, aber man kann sie am Grill zumindest frittieren, je nach Kochqualifikationen des Koch-Dupes. Nahrhafter sind da Beerenmatch oder Läuseriegel. Letztere bestehen aus zusammengematschten Maden, die vorher auf einer Pflanze herumkrochen. Aber diese Pflanze muss man erstmal anbauen, und ohne die richtige Raumtemperatur will die Pflanze gar nicht wachsen - und dann müssen die Nahrungsmittel noch gekühlt werden, damit sie nicht verderben.

Spätere Kolonien können richtig komplex und groß werden.

Dazu kommt, dass die Dupes nicht nur Sauerstoff und Nahrung brauchen, sondern regelmäßig Schlafen, sich Duschen und die Toilette aufsuchen müssen, wobei das Klo zwischendurch geleert werden muss, was Dünger und eher unschöne Gase bringt. Nach dem Klobesuch sollten sich die Dupes außerdem die Hände waschen, sonst riskieren sie, dass sich Keime (Lebensmittelvergiftung und Schleimlunge) ausbreiten. Alternativ könnte man die Atemluft auch mit Chlor zur Desinfektion anreichern.

Aufwändige Simulation

Die Echtzeit-Simulation der physikalischen Eigenarten der Kolonie wird von Zyklus zu Zyklus umfangreicher, was man zwischendurch an den leichten Laderucklern beim "Tagesübergang" merkt. Zunächst kümmert man sich um Sauerstoff, Nahrung, Elektrizität und Forschung, aber mit der Zeit kommen unterschiedliche Druckverhältnisse von Gasen (Sauerstoff, verschmutzter Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff, Wasser, Chlor, Erdgas), Temperaturen, Automatisierungen, Dekorationswünsche der Dupes, Flüssigkeiten und Kemptnerarbeiten inkl. Rohrverlegung (Flüssigkeiten umlenken), Gasleitungen, Klimaanlagen, Stress bei den Duplikanten, Infektionen & Keimbesiedlung, Schutzanzüge für die Arbeit in gefährlichen Umgebungen, Plastikproduktion und mehr hinzu - wobei viele Spielelemente und Effekte zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Und wenn man die Energieerzeugung auf Ölbasis umstellen will, geht das Bau-, Rohr-, Gas- und Ressourcenchaos erst richtig los.

Das Rohrsystem zum Flüssigkeitstransport einer fortgeschrittenen Kolonie. Wasser (blau), verschmutztes Wasser (oliv), Öl (schwarz) und Petroleum (gelb) werden hier transportiert. Das Transportnetz für Gase sieht ähnlich komplex aus.
Tatsächlich wird für jedes einzelne Feld (Tile) der Kolonie berechnet und simuliert, wie sich die Luftverhältnisse, Temperatur, Druck, Keimzahl und Co. verändern, basierend auf den Aktionen, die man vorgibt und die Dupes ausführen. Trotzdem muss man sich erst daran gewöhnen, dass die Ausbreitung von Flüssigkeiten trotz gelungener und glaubwürdiger Physik-Simulation seltsam träge vonstattengeht und sich die Bildung von unterschiedlichen Gasschichten (Wasserstoff oben, Sauerstoff in der Mitte und Kohlenstoffdioxid ganz unten) hinzieht.

Den Überblick behalten

Damit man bei all dem Trubel den Überblick behält, gibt es äußerst praktische Overlay-Ansichten, mit denen man farblich hervorgehobene Informationen über das Sauerstoff-Niveau, das Stromnetz, die Temperaturverteilung, den Temperaturkomfort (Dupes gehen nicht dorthin, wo es zu kalt oder zu heiß ist, sofern sie nicht über die richtige Kleidung verfügen), Licht/Beleuchtung, Flüssigkeiten, Belüftung, Dekoration, Keime, Landwirtschaft, Raum und Schutzanzüge bekommt.

Dupes mit Eigenarten

Max hat sich verletzt und wird auf der Krankenstation behandelt. Die Kunstwerke (Bilder und Statue) heben den Dekorationswert des Raumes.
Zwischendurch kann man wahlweise seine Kolonie mit neu ausgedruckten Dupes vergrößern und darf dabei aus mehreren Kandidaten wählen. Alle Dupes haben Charakter-Attribute, die sie für bestimmte Tätigkeiten qualifizieren oder disqualifizieren und positive/negative Eigenschaften. Während der negative Status "Nudelarme" sie als Träger von Rohstoffen unbrauchbar macht, kann ein "Schnarcher" dafür sorgen, dass die wichtige Nachtruhe der anderen Dupes gestört wird, weil er oder sie zu viel Krach macht. Das kann den Stress der Leute in der Umgebung erhöhen und wenn man mit schicken Dekorationen und einer Massagebank nichts gegen den Stress unternimmt, laufen die Dupes irgendwann Amok und machen unschöne Dinge …

Vorbildlicher Early Access

Trotz des Early-Access-Status bei Steam läuft Oxygen Not Included sehr stabil und sauber, da könnte sich manche Vollversionen eine Scheibe abschneiden. Allerdings ist der Einstieg ein bisschen hart, da man nur mit wenigen Tutorialtexten ins kalte Wasser geworfen wird. Zudem ist das Spiel derzeit nur in englischer Sprache verfügbar. Zum Glück gibt es eine deutsche Community-Übersetzung als Modifikation im Steam-Workshop . Klei veröffentlicht regelmäßig Updates und seit dem eher überhasteten und nicht gut ausbalancierten Outbreak-Upgrade (August 2017) brachten die weiteren Updates (Oil, Automation und Tubular) kaum größere Probleme ins Spiel.

Hier wabern allerlei Flüssigkeiten und Gase. Chlor ist giftgrün, Erdgas orange, Wasserstoff rosa und Kohlenstoffdioxid schwarz. Da Kohlenstoffdioxid schwerer ist als andere Gase, sinkt es in Räumen nach unten.

Dennoch würde ich mir wünsche, dass die Entwickler nicht nur die Welt und die Technologien weiter ausbauen, sondern gleichermaßen ein Auge für die Dupes haben. Die Duplikanten könnten zum Beispiel stärker untereinander interagieren (soziale Aspekte; abgesehen vom Dupe-Tod) und ihre Probleme und Sorgen klarer mitteilen (Infofenster wie bei Planet Coaster). Manchmal spinnt auch ihre Wegfindung oder sie sperren sich selbst durch unkluge Baumaßnahmen ein. Man muss also ein Auge auf die Dupes. Etwas mehr Interaktion mit den außerirdischen Kreaturen wäre ebenfalls schön.

Ein richtiges Ziel gibt es in der aktuellen Sandkasten-Version nicht. In der Roadmap von Klei heißt es, dass sie über "Space Tech" als finale Technologiestufe nachdenken würden, schließlich müssen/sollen die Duplikanten irgendwie "nach Hause" kommen.

Ausblick

Oxygen Not Included gehört mit zu den besten Early-Access-Titeln, die ich bisher gespielt habe und das soll was heißen. Die Weltraumkolonie-Aufbausimulation startet vergleichsweise überschaubar und wird mit der Zeit sowie den erforschten Technologien immer komplexer. Erst wenn man sich vom Laufrad zur Stromerzeugung bis zum Generator, der mit Erdgas betrieben wird, hochgearbeitet hat, leuchtet so langsam ein, wie gut die Rohstoffe/Ressourcen sowie die Spielsysteme rund um Temperatur, Gastransfer, Elektrizität, Flüssigkeitstransport etc. aufeinander abgestimmt und durchdacht sind. Hinzukommen hervorragende Overlays zur Planung, praktische Übersichten und unfassbar niedliche Duplikanten. Die aktuelle Early-Access-Sandbox-Version (Tubular Update) läuft bereits sehr stabil und nur wenige Bugs trüben das Aufbauvergnügen. Manchmal verhalten sich Gase als auch Flüssigkeiten seltsam (langsame Ausdehnung) und die Wegfindung der Duplikanten krankt gelegentlich an unnötigem Umleitungswahn. Wenn die Entwickler noch die Interaktion mit und zwischen den Duplikanten ausbauen und mehr Überraschungen sowie Rohstoffe in den Tiefen des Asteroiden verstecken, steht mit Oxygen Not Included eine echte Perle für Aufbau-Strategen ins Haus.

Einschätzung: sehr gut

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