Assassin's Creed Origins10.10.2017, Benjamin Schmädig

Vorschau: Der neue alte Attentäter

Der Anfang einer neuen Ära? Ein Jahr Pause gönnte Ubisoft seiner großen Serie, um Assassin’s Creed nach zehn Jahren fit für die nächste Dekade zu machen und passenderweise erzählt Origins von den Anfängen der Attentäter-Bruderschaft. Vier Stunden lang sind wir für unsere Vorschau in die Hochzeit des alten Ägyptens gereist – wie fühlen sich die spielerischen Änderungen an?

Vor den Assassinen

Als Bayek ein paar Dutzend Jahre vor Christus für den Schutz Kleopatras kämpft und die Römer einmal mehr ihre militärischen Finger nach dem Land der Pyramiden ausstrecken, gehört Ägypten noch zu den einflussreichsten Nationen der Erde. Bayek wird eine entscheidende Rolle spielen, wenn man die fiktiven Mächte hinter den politischen Veränderungen aufspürt. Und er wird der erste der Assassinen sein.

Willkommen im alten Ägypten, wo der Grundstein für die Bruderschaft der Assassinen gelegt wird!

Als Soldat steht er zunächst also im Dienst der Königin – handelt aber nicht nur in ihrem Namen, sondern kümmert sich auch um das Wohl etlicher Mitmenschen, denen er kleine und große Gefallen tut. Genauer gesagt erledigt man zahlreiche Nebenmissionen, die mehr als in früheren Assassin’s-Creed-Episoden Kurzgeschichten sind statt knapp umrissener Standard-Aufträge.

So befreit Bayek Gefangene aus Banditenlagern, sucht die Toten einer überfallenen Karawane oder betreibt detektivische Spurensuche. Dafür sucht er in einem vielleicht wenige hundert Quadratmeter großen Zielgebiet nach Hinweisen und kommt erst weiter, wenn er alle gefunden hat. Das ist nicht schwer, verlangt aber genaues Hinsehen und mitunter ein gutes Auge für die Details der Umgebung. In der Vorschau musste er etwa eine Vermisste finden, wofür er über mehrere Stationen ihrer Blutspur und anderen Hinweisen folgte.

Level statt Können

Erledigen sollte man solche Nebenmissionen schon deswegen, weil Bayek Erfahrungspunkte dafür erhält, davon in einer relativ offenen Charakterentwicklung neue Fähigkeiten kauft und sich wie in einem Rollenspiel Stufe um Stufe verbessert. Jeder seiner Gegner befindet sich ebenfalls auf einer festen Stufe – um in der Geschichte voranzukommen, muss man also leveln, leveln, leveln.

Und tatsächlich hat mir das in der Vorschau wenig Spaß gemacht. Kleine Gefallen erledige ich nämlich gerne; nur in diesen kleinen Erzählungen erfährt man schließlich viele Einzelheiten, die der Welt Farbe verleihen. Enttäuscht war ich allerdings

Gute Ausrüstung ist wichtig, hauptsächlich wird die Stärke aber über den Charakterlevel bestimmt.
darüber, dass Bayek in einer wichtigen Mission entlang des roten Fadens nicht den Hauch einer Chance hat, wenn er gegen Feinde kämpft, die sich mehr als zwei Level über seinem eigenen befinden. In dem Moment fühlten sich Nebenmissionen nicht optional an, sondern wie ein Pflichtprogramm, das man abarbeiten muss. Die Welt wirkte nicht offen, sondern wie eine verzweigte, aber streng vorgeschriebene Aufgabenliste.

Mag sein, dass das der räumlich und damit spielerisch eingeschränkten Vorschau-Version geschuldet war, denn wir durften uns lediglich in einem weitläufigen, im Vergleich zur kompletten Spielwelt aber sehr kleinen Gebiet bewegen. Und bekommt man es nicht mit mehreren Feinden zu tun, ist ein einzelner Kampf Mann-gegen-Mann durchaus machbar. Ich hoffe daher, dass Levelvoraussetzungen und Missionsvielfalt im fertigen Spiel größere Freiheiten bieten - lieber wäre mir trotzdem ein Schauplatz, an dem spielerische Fertigkeiten und Ausrüstung über die Schwierigkeit entscheiden, nicht ein stufenweises Vereinfachen von Schadens- und Gesundheitswerten.

Inspiration im eigenen Haus

Immerhin wurde auch die Art und Weise verändert, mit der man Waffen und Rüstungen erhält: Man kann sie weiterhin kaufen, erhält sie aber auch als Belohnung bzw. Beute. Und auch das ist grundsätzlich eine gute Idee, allerdings passt es schlecht in das historisch angehauchte Szenario, dessen Museumscharakter Ubisoft eigentlich stärker als bisher betonen will, dass man viele nutzlose Gegenstände findet, die man lieber zu Ressourcen verarbeitet, anstatt sie anzulegen.

Diese und andere Materialien benötigt man, um Ausrüstung zu verbessern – wieder wie in einem Rollenspiel und ganz ähnlich den jüngeren Vertretern der Far-Cry-Serie. Man tötet sogar Tiere, um Pelze oder sonstige Ressourcen zu erhalten.

„Töten“, weil von „Jagd“ nicht die geringste Rede sein kann. Genau wie in Far Cry rennt man ja einfach irgendwo hin und erschlägt Löwen oder Nilpferde. Die leisten mitunter lange Widerstand, so ein Kampf kann sich also ziehen. Finesse braucht es aber nicht, ausweichen und zuschlagen reicht. Spaß macht das also nicht – es ist eine langweilige Geduldsprobe und ein absurder Fremdkörper, um den ein Krieger des antiken Ägyptens ja aber offenbar nicht

Die Kämpfe fordern gutes Timing und den richtigen Einsatz der Waffe.
herum kam...

Taktik und Timing

Das Kampfsystem an sich ist dabei eine der Neuerungen, die mir richtig gut gefallen! Das Reaktionsspiel, in dem der oder die Attentäterin inmitten eines Pulks von Gegnern wirbelt, gehört schließlich der Vergangenheit an. Stattdessen liegt der Schwerpunkt jetzt auf Duellen, in denen die Kamera näher am Geschehen bleibt und Bayek im richtigen Moment ankommende Hiebe, Stiche oder Streiche abwehrt, sie mit gutem Timing sogar aktiv zurückwirft und natürlich selbst attackiert.

Steckt er einen Treffer ein, fügt ihm das mächtig großen Schaden zu; gedankenloses Draufhauen funktioniert nur gegen flankierte Gegner halbwegs zuverlässig, nicht aber im direkten Duell. Und auch das ist in der Form neu: Recht häufig kämpfen befreundete Männer an Bayes Seite, denn zwischen der Bevölkerung Ägyptens und ihrer Staatsmacht kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen.

Nicht zuletzt macht die Wahl der Waffe einen großen Unterschied, da das Hantieren mit zwei kurzen Klingen ein ganz anderes ist als das behäbigere Abstandhalten mit einem Speer oder das Hieven einer wuchtigen Axt. Auch eine Klinge wie die der

In manchen Gebieten halten sich besondere starke Gegner auf. Mit denen hat Bayek alle Hände voll zu tun.
späteren Attentäter steht Bayek zur Verfügung – wertet er die nicht auf, ist sie allerdings weit davon entfernt vor allem starke Gegner mit nur einem Überraschungsangriff zu töten.

Ägypten im Chaos?

Ganz rund laufen die Kämpfe nur leider nicht, da manche Angriffe auch gegen anvisierte Gegner ins Leere laufen und insgesamt sowohl Genauigkeit als auch Logik und Übersicht ausgewachsener Actionspiele fehlen. In manchen Kämpfen war ich mir zudem nicht sicher, ob alle Gegner zur Mission gehörten oder zufällig vorbeikommende Wachen alarmiert wurden. Das ist im Sinne einer lebendigen Welt natürlich hervorragend – besitzt jedoch wenig Unterhaltungswert, wenn diese Wachen so hochstufig sind, dass aus einer interessanten Nebenmission zähe Fleißarbeit wird. Als sich dann noch ein Nilpferd dazu entschloss mitzumischen, wirkte das virtuelle Ägypten sogar dermaßen unkontrolliert chaotisch, dass es keinen Spaß mehr machte.

Ohnehin ist das Verhalten von Mensch und Fauna nicht immer nachvollziehbar. Manche Wachen gehen seltsame Wege und richtig frustrierend war ein kleiner Einsatz, in dem ich einen Streitwagen, ähnlich wie jene aus Ben Hur, zerstören musste. Dummerweise fährt ein Gegner ihn, also stelle ich einen großen Heuwagen in dessen immer gleiche Kreisbahn. Was macht die Wache? Sie reagiert als Figur überhaupt nicht auf das Hindernis. Stattdessen dreht sie erst direkt am Hindernis, das lange vorher sichtbar war, abrupt um und rollt ungebremst in die entgegengesetzte Richtung weiter. Schade, dass für alternative Problemlösungen in diesem Spiel wohl kein Platz ist!

Was ein echter Assassine ist...

Apropos Attentäter: Den größten Spaß hatte ich in der Vorschau mit der erwähnten Befreiungstat im Banditenlager sowie beim Beseitigen der Wachen feindlicher Außenposten. Dort bin ich nämlich auf leisen Sohlen zu den Anführern oder Kommandanten geschlichen, um sie hinterrücks zu meucheln, was auch gegen deutlich stärkere Feinde deutlich leichter machbar ist als ein „Hier bin ich!“ mit Schwert in der

Das Schleichen funktioniert am besten. Die Stealth-Action ist nicht großartig, aber besser als man es aus den Vorgängern kennt.
einen und Schild in der anderen Hand.

Dafür versteckt man Bayek in hohem Gras, schaltet Wachen aus sicherer Distanz mit Pfeil und Bogen aus oder zündet die Geschosse vorher an einer Fackel an, um Wachstände aus Holz kurzzeitig in Brand und dort postierte Soldaten in Panik zu versetzen.

Gesehen oder nicht gesehen werden

Das Versteckspiel ist kein besonders hochwertiges: Wird der Eindringling entdeckt, kennt sofort das ganze Lager seine Position und es war zumindest in der Vorschau-Version kaum möglich, seinen Verfolgern wenigstens so weit zu entkommen, dass sie ihn erst wieder suchen mussten – gerne genau dort, wo er sich versteckt, so dass er vielleicht schnell die Position wechseln muss. Vielmehr musste ich stets weit davonlaufen, um quasi die komplette Prozedur zurückzusetzen.

Insgesamt funktioniert die Stealth-Action aber und wirkt runder als in der Vergangenheit. Wachen rufen sogar Verstärkung, wenn sie Bayek sehen, was man mit einem schnellen gut gezielten Pfeil verhindern kann. Ein schönes Detail außerdem: Klaut Bayek vor den Augen Bewaffneter ein Pferd oder ein Kamel, heften die sich sofort an seine Fersen.

Vor allem die Details des alten Ägypten sind eine Augenweide.

Quark mit Adler

Worauf ich in der Vorschau übrigens fast komplett verzichtet habe, ist der Einsatz eines Adlers namens Senu, denn der hätte mich gedanklich aus dem Spiel geworfen. Genau wie in Far Cry Primal kann man nämlich jederzeit Senu fliegen, um aus der Luft Lager auszukundschaften oder Gefangenenkäfige zu markieren. Glück im Unglück: Man findet diese und andere Zielobjekte auch ohne dessen Hilfe anhand ihrer Beschreibung. Schlechtes Spieldesign ist der in keiner Weise an den historischen Schauplatz passende Gadget-Vogel aber allemal!

Gerade in den detaillierten und idyllischen Umgebungen wirkt er wie ein Fremdkörper – immerhin zeigt Ubisoft von trockener Wüste über saftige Ackerflächen bis hin zu prachtvoll verzierten Bauten ein ebenso verklärtes wie schönes Ägypten. Reitet Bayek lange Strecken sind die Übergänge zwischen unterschiedlichen Gebieten zwar abrupter als etwa im Wilden Westen von Red Dead Redemption, trotzdem ist auch Ägypten eine sehr faszinierende Kulisse.

Ausblick

Das neue Assassin’s Creed... wie ein Neubeginn fühlt es sich ja gar nicht an. Origins ergänzt das bekannte Muster lediglich um zusätzliche Ornamente. Und wirklich zufrieden bin ich mit den Änderungen noch nicht. Zu unsinnig verhalten sich manche Gegner sowohl im Kampf als auch beim Schleichen und anderen Aktivitäten. Zu unübersichtlich fühlen sich die Kämpfe an. Zu erzwungen wirkt das Aufleveln des Charakters, ohne das man in der Geschichte nicht vorankommt. Und zu langweilig ist das zeitraubende Töten von Tieren. Zum Glück darf man wenigstens auf die Erkundungs-Drohne verzichten – ärgerlich ist das Vorhandensein dieses Gadget-Adlers trotzdem. Dabei stecken in vielen Neuerungen richtig gute Ideen! Die fordernden Duelle sind mir z.B. bedeutend lieber als die Arcade-Scharmützel der Vorgänger. Das Schleichen in feindlichen Lagern ist dynamischer als in jedem anderen Assassin’s Creed – die Welt mit dem Tag-Nacht-Rhythmus ihrer Einwohner sowie dem Ahnden manchen Diebstahls und zahlreichen Aufgaben abseits des roten Fadens ebenso. Nicht zuletzt empfinde ich sowohl das Zusammenstellen als auch das Verbessern einer individuellen Ausrüstung als angenehm motivierend. Das alles vor der Kulisse eines exotischen Schauplatzes: Origins ist auf einem guten Weg. Zu einem guten Spiel fehlte vielen Ecken der Vorschau-Fassung allerdings der rechte Schliff.

Einschätzung: befriedigend

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