Armies of Exigo07.09.2004, Jörg Luibl
Armies of Exigo

Vorschau: Mit Macht und Kraft rührt EA gerade die Werbetrommel für Armies of Exigo. Ist der Fantasy-Phoenix aus ungarischer Asche tatsächlich ein heißer Hitkandidat?

Mit Macht und Kraft rührt EA gerade die Werbetrommel für Armies of Exigo (ab 34,04€ bei kaufen). Und auch in Pressekreisen ist schon von einem "Blockbuster" die Rede, dem man nicht nur in Sachen Renderfilmkunst Blizzard-Qualität nachsagt - auch spielerisch soll er WarCraft 3 kräftig Paroli bieten. Ist der Fantasy-Phoenix aus ungarischer Asche tatsächlich ein heißer Hitkandidat?

Blut & Stahl

Es ist still. Kein Lüftchen weht. Hunderte schwer gepanzerte Ritter warten in dichter Formation. Plötzlich ertönt ein Hornsignal und ein Schwarm feuriger Katapultbomben regnet vom Himmel herab. Nur Augenblicke später bricht die Schlachthölle mit einem Strom von wilden Goblins und Ogern aus: Stahl trifft auf Stahl, Pfeile fressen sich durch Leder und Muskeln. Die Kamera schwenkt zu einem schwer verletzten Kämpfer, der mit letzter Kraft seinen Helm wegwirft, um Sekunden später im Staub zu landen. Nur seine Hand krallt sich noch verzweifelt um ein mysteriöses Amulett mit den Schriftzeichen E.X.I.G.O.

Filme vom Feinsten

Diese dramatischen Minuten des Prologs werden in ausgezeichneter Renderqualität präsentiert, die selbst Blizzard das Fürchten lehren könnte. Das ungarische Team von Blackhole Entertainment arbeitet hier eng mit den Filmemachern von Digic Pictures zusammen, deren Mitarbeiter schon an Hollywood-Streifen wie Final Fantasy werkelten. Im fertigen Spiel soll euch zum Abschluss jeder der drei etwa zehn Missionen starken Kampagnen eine derartige Renderdelikatesse aufgetischt werden; bei den Beasts gibt`s sogar zwei Mal eine cineastische Vorstellung. Bisher konnten wir allerdings nur das fulminante Intro begutachten.

Edles Epos

Armies of Exigo zeigt sich auch in den Menüs, den Statistiken und der Benutzeroberfläche von der besten Design-Seite: alles wirkt edel, durchgestylt und durchdacht. Animierte Porträts eurer Mitstreiter geben z.B. Kommentare ab - noch nicht lippensynchron, aber nett anzuschauen. Noch wollen wir nichts über die intrigante Story verraten, aber sie rankt sich ähnlich wie in WarCraft 3 um das Schicksal einiger Helden. Diese sind allerdings spielerisch weitaus weniger mächtig. Hier muss das Team noch beweisen, ob es an die Dramaturgie des Blizzard-Epos herankommt. Die storyrelevanten Schlüsselszenen werden übrigens in Spielgrafik erzählt.

       

Musikalisch erste Klasse

Eines ist aber jetzt schon abzusehen: Zusammen mit den wundervollen Melodien des Jeremy Soule, der mit dem Score für The Elder Scrolls 3: Morrowind den "Game Soundtrack of the Year" komponierte, kommt schnell ein episches, fast schon wehmütig-nostalgisches Fantasyflair auf. Trotz gewisser stilistischer (z.B. das Figurendesign der Oger) und atmosphärischer (z.B. Musikuntermalung) Anleihen bei Jacksons Ringverfilmung wirkt der Titel erfrischend eigenständig. Immerhin hat man ganz auf die Tolkien`schen Erzbösewichte verzichtet: es gibt weit und breit keine Orks. Ansonsten wirkt das Spiel wie ein Who-is-Who der Fantasykreaturen - vom kleinen Goblin über den Elfenbogenschützen bis hin zum mächtigen Kriegsoger ist alles vertreten, was Rang und Namen hat.

Fantasy in 3D

Die kreativen Köpfe von Blackhole Entertainment sind begeisterte War- und StarCraft-Spieler. Und das beweist das Spiel von der ersten Sekunde an: Der Ausflug ins Tutorial offenbart schon die typisch isometrische Perspektive. Freut euch auf bewegte Bäume, Echtzeit-Schatten und geschmeidig animierte Kämpfer, die bei Langeweile elegant ihre Schwerter jonglieren. Seltsam wirkt zunächst, dass die Kamera leicht schwankt, als befände man sich auf hoher See. Das ist zwar auf den ersten Blick mal was Neues, stört aber auf Dauer - laut EA wird das abschaltbar sein.

Trotz der kompletten Dreidimensionalität solltet ihr allerdings keine pompöse Kulisse à la Rome: Total War erwarten, sondern eher eine aufgepeppte Variante von WarCraft 3 . Aktuelle Konkurrenztitel wie Warlords Battlecry 3 oder Kohan 2 werden dennoch locker übertrumpft. Zumal die Landschaft interaktiv konstruiert wurde: Ihr könnt z.B. Brücken sprengen, um euren Feinden wichtige Zugangswege zu rauben. Wenn das Leveldesign diese Option gut unterstützt, dürfen sich Taktiker die Hände reiben. Ansonsten gibt es nämlich bis auf Sichtvorteile in der Höhe keinen Geländebonus im Wald oder in Deckung.

 

Ernüchterndes Prinzip

Das Spielprinzip sorgt jedoch nach dem fulminanten Intro zunächst für Ernüchterung: Hier erwartet euch der typische Mix aus Rohstoffsuche, Basisbau, Rekrutierung und Kampf. Also heißt es Arbeiter ausbilden, Gold, Edelsteine und Holz suchen sowie Kasernen hochziehen - alles wie gehabt. Die Menschen können ihre Truppen z.B. aus Kriegern, Pikenieren, Bogenschützen, Magiern und Reitern zusammenstellen. Das ist zwar nichts Schlechtes, aber der Aha-Effekt altbekannter Mechanismen raubt ein wenig von der anfänglichen Begeisterung des Intros.

Truppenkomfort?

Und bei genauerem Hinsehen vermisst man einige Details: Es gibt z.B. keine Alarmglocke, mit der ich meine Truppen automatisch Richtung Turm und Kaserne schicke. Auch Formationen, Sturmangriffe oder das gezielte Eingraben konnten wir nicht entdecken. Selbst einfache Routinen wie das "Beschützen" einer bestimmten Figur oder eines Gebäudes waren in unserer Fassung nicht zu sehen. Der Konkurrenztitel Kohan 2 bietet da mehr Truppenkomfort. Sehr ärgerlich ist auch, dass sich Kampfgruppen nicht optional an der langsamsten Einheit orientieren. So marschieren eure Recken manchmal unorganisiert in langer Linie zum Ziel, was sie natürlich verwundbarer macht.

Biedere Schlachten

Die ersten Überfälle und größeren Schlachten sahen zwar gut, aber keineswegs atemberaubend aus: Angesichts der adrenalinhaltigen Nahkampfduelle in Warhammer 40.000: Dawn of War , die für packendes Mittendringefühl sorgen, wirken die Gefechte hier recht bieder - selbst, wenn Oger ihre Opfer meterweit wegschleudern. Man kann erstens mit der Kamera noch nicht richtig ran an Stahl und Leder (der Zoom soll zum Release aktivierbar sein), und zweitens sind die Hieb- und Stichanimationen wenig abwechslungsreich. Auch die monotonen Klimpergeräusche beim Fechten machen der Soundeffektabteilung keine Ehre. Und die horrenden Ladezeiten, die selbst auf Highend-Systemen auftauchten, sollten noch angepasst werden. Wir sind gespannt, was hier bis zur Testfassung an Feintuning investiert wird. Immerhin sollen bis zu 400 kämpfende Einheiten gleichzeitig berechnet werden.

   

StarCraft unter Tage

Doch bei all der Kritik im Detail bietet Armies of Exigo enormes Spielspaßpotenzial, denn es zieht zwei Joker, die der Gewohnheit schnell frischen Schwung einimpfen: Es spielt sich nach einigen Stunden wie ein StarCraft im Fantasymantel und es bietet euch zwei Ebenen zum Austoben - eine Oberwelt und eine Unterwelt.

Gerade Letzteres ermöglicht fiese Taktiken, da sich beide Ebenen simultan durch Zauber und Attacken beeinflussen lassen. Ihr könnt z.B. fleißige Mineure buddeln lassen, um euren Gegner von unten zu überraschen. Magier können unterirdische Lava zum Kochen bringen, damit es oberirdisch kräftig explodiert; und ein Erdbeben in der Tiefe lässt die Wände in der Höhe erzittern. Angenehm überrascht waren wir vom Komfort beim Wechsel zwischen den Ebenen und der recht fehlerfreien Wegfindung. Gerade im Multiplayerbereich dürften diese Möglichkeiten zu heißen Duellen führen. Als Modi warten hier "Melee", "King of the Hill", "Mission" sowie "Free-for-all" auf euch.

Klassen ohne Ende

Auch die Völker können mit satten 40 Einheitentypen vom Kämpfer über Dämonen bis zum Zeppelin aufwarten. Wer die Zerg des Blizzard-Klassikers gespielt hat, wird sich besonders auf die bizarren Insekten- und Tentakelwesen der "Fallen" freuen, die z.B. für ihren Basisbau erst den Boden verseuchen müssen und mit Psi-Attacken überraschen.

Die Streiter des Imperiums kommen eher konventionell und ausgeglichen daher und die Beasts setzen auf ihre wilde Durchschlagskraft, wobei sie ihre gehörten Herdentiere sowohl verspeisen als auch als Kampfeinheiten nutzen können. Bei unseren Probespielen haben wir noch auf einen Härtetest der Einheitenbalance verzichtet, die bei all dem Aufgebot eine entscheidende Rolle spielt.  

Ausblick

Auch wenn uns Armies of Exigo noch nicht in Hit-Ekstase versetzen konnte, dürfte es den Nerv vieler schmachtender Fantasy-Generäle treffen: Von der Kulisse über die Musik bis hin zu den famosen Renderfilmen verströmt der Titel ein edles Flair, das an die Qualität von Top-Games aus dem Hause Blizzard oder Ensemble Studios erinnert. Hinzu kommen drei wirklich komplett unterschiedlich zu spielende Völker sowie die beiden Kampfebenen, die innovative Gemeinheiten ermöglichen. Gerade im Multiplayerbereich könnte das alternde WarCraft 3 tatsächlich getoppt werden. Der letzte Konjunktiv ist aber ganz wichtig: Denn trotz all der positiven Aspekte fehlt es dem reinen Strategie-Gameplay unserer Preview-Fassung noch an taktischem Pfeffer und einer militärisch durchdachten Steuerung à la Kohan 2. Auch die Grafik steht trotz ihrer idyllischen Schönheit klar im pompösen Schatten von kommenden Highlights wie Warhammer: 40.000: Dawn of War, Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde oder Rome: Total War. Wir sind gespannt, wie sich die Testfassung in Sachen Story, Balance und Abwechslung präsentiert.

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