Pathologic02.01.2006, Benjamin Schmädig
Pathologic

Vorschau:

Lässt sich die beklemmende Enge eines Ambientes, in dem der Tod allgegenwärtig ist, mit einer offenen Welt und unbegrenzter Handlungsfreiheit verknüpfen? Die russischen Entwickler von Ice-Pick Lodge klonen Rollenspiel und Survival-Horror und messen vor allem dem Teil des "Überlebens" in der Bezeichnung des Genres viel Bedeutung bei. Kann die Mischung aufgehen oder sind die Ziele zu hoch gesteckt?

Tote Welt

Irgendwo in einer öden Steppe, in einer Siedlung ohne Namen erwartet euch eine höchst seltsame Welt: Nicht nur, dass sich eine Seuche breit macht, gegen die kein Kraut gewachsen scheint, euch begegnen auch höchst skurrile Gestalten, die sich hinter Masken verstecken und als Rabe verkleidet auftreten. Andere stecken in einem schwarzen Kostüm und tragen eine weiße Maske ohne erkennbare Gesichtszüge. Ganz abgesehen davon scheinen ausgerechnet Kinder

Schon im Vorspann zeigen die Kinder Präsenz.
eine wichtige Rolle zu spielen...

Höchst seltsam zeigt sich aber nicht nur die Welt, sondern auch das Spiel selbst, denn ebenso einsam wie es die Steppe vermuten lässt, präsentiert sich das Geschehen: Ihr dürft zwar das umfangreiche Areal der Kleinstadt durchwandern, entdeckt dort aber nicht mehr als die buchstäbliche Hand voll verschiedener Häuser und Passanten. Auch Tag- und Nachtwechsel fehlen. Stattdessen erledigt ihr bestimmte Abschnitte; nach deren Abschluss beginnt dann der nächste Tag.

Status und Ansehen

Die Missionen, die es zu erfüllen gibt, hängen ganz von dem gewählten Alter Ego ab, da junger Arzt, mutmaßlicher Killer oder Heilerin die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erleben. Als Mediziner seid ihr z.B. unterwegs, um eine gewagte These zu beweisen. In der Rolle des Artemis folgt ihr einem düsteren Geheimnis eures Vaters, müsst euch bei der Ankunft aber gegen Banditen zur Wehr setzen und geltet fortan als Mörder. Entsprechend ist es als solcher erst mal eure dringlichste Priorität, euer Ansehen wieder herzustellen. Aber egal, was ihr auch vorhabt, am Ende dreht sich alles um die mysteriöse Krankheit, wegen der immer mehr Stadtviertel unter Quarantäne gestellt werden.

Wohin genau euch die Geschichte führt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, zumal die Entwickler die Story mit vier unterschiedlichen Showdowns bedacht haben. Eins ist aber klar: Pathologic (ab 22,50€ bei kaufen) ist mehr Überlebenstraining als dass es zwingend von euch verlangt, die Krankheit zu besiegen – ihr sollt ohne vorgefertigten Pfad erleben können, wie sich eure Taten auswirken.

Um Werte wie Stärke oder Ausdauer braucht ihr euch dabei nicht kümmern, ihr müsst vielmehr eure Reputation sowie Hunger bzw. eure Widerstandskraft gegen die Seuche im Auge behalten. Regulieren könnt ihr die

Hier sorgen die alten Gemäuer noch für Stimmung. Mehr als zehn gleiche Häuser in Reihe vermiesen sie aber auch schnell wieder.
letzten beiden Aspekte mit Nahrungsmitteln bzw. dem Einnehmen von Tabletten. Euer Ansehen hängt hingegen davon ab, wie ihr voran schreitet: Schafft ihr eure Gegner einfach aus dem Weg, verschwindet die Anzeige im Keller, löst ihr Probleme jedoch gewaltlos, verdient ihr euch den Respekt der Bevölkerung.

Freiheit ohne Möglichkeiten

Handlungsfreiheit, ein weites Spielfeld und das düstere Szenario lassen euch aufhorchen? Dann seid gewarnt: Abseits des roten Fadens könnt ihr nur selten das tun, wonach euch der Sinn steht, denn zum einen bietet die Spielwiese, abgesehen vom Feilschen um Gegenstände, keinerlei Möglichkeiten zur Interaktion. Zum anderen gibt es nur eine kleine Auswahl an NPCs und Subquests. Abgesehen davon ist es auch furchtbar anstrengend, in Gesprächen mit den geschwätzigen, schlecht übersetzten NPCs zu erkennen, wann sie relevante Informationen preisgeben.

Besonders aber lässt die technische Umsetzung viel zu wünschen übrig. Sollte Frogster den Titel im derzeitigen Zustand veröffentlichen, erwartet euch die erwähnte Eintönigkeit bei Häusern und Charakteren, Animationen, die schon vor zehn Jahren klotzig waren und eine spartanische Akustik. Immerhin: Die unnatürlichen Gesichtszüge der Einwohner erwecken das gruselige Flair, welches die Entwickler versprochen haben, nahezu perfekt zum Leben...    

Ausblick

Ein schwer erkennbarer Handlungsfaden, der als optischer und akustischer Langweiler präsentiert wird? Nein, so richtig kann die von den Entwicklern erdachte Vision der mysteriösen Einöde noch nicht überzeugen. Die namenlose Siedlung benötigt unbedingt mehr Gebäudetypen, wenn sie eine glaubwürdige Kulisse sein soll. Außerdem vermisse ich viele Möglichkeiten, die das Voranschreiten unterhaltsam machen. Das viele Laufen, die wenigen Kämpfe, endlose Gespräche und umständliches Handeln reichen nicht aus, um für mehr als eine Stunde bei der Stange zu halten. Die Idee des unterschiedlichen Ablaufs für drei spielbare Charaktere sowie das düstere Setting machen aber Lust auf mehr und könnten in einer ansprechenden Verpackung durchaus an den Bildschirm fesseln. Ich hoffe sehr, dass Ice-Pick Lodge es doch noch packt, Anfang dieses Jahres mit einem spannenden Abenteuer aufzuwarten.

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