Evil Genius12.07.2004, Paul Kautz
Evil Genius

Vorschau:

Der Brief hätte nicht mysteriöser sein können: »Wir wissen, dass sie auf Informationen scharf sind. Wir haben, was sie brauchen. Kommen Sie am 7. Juli gegen 11 Uhr nach xxxxx, wir haben ihnen etwas Wichtiges zu zeigen! Kein Wort zu niemandem! Und kommen sie allein!!«

Eine unbekannte tropische Insel, ein erloschener Vulkan, in den ein von grimmig schauenden Wachleuten und Selbstschussanlagen gesäumter Eingang hineinführt. Wir werden von einer jungen Frau durch die kalten Gänge geleitet, in denen geschäftiges Treiben herrscht: Arbeiter in gelben Anzügen transportieren hektisch Sprengstoff und Einrichtungsgegenstände hin und her - offenbar sind wir gerade mitten in den Aufbau geraten. Die junge Frau führt uns zu einer sehr massiv wirkenden Tür, auf der vier Punkte aufgemalt sind, und wendet sich ab. Auf unsere Frage, worauf wir noch warten, antwortet sie, dass diese Tür die höchste Sicherheitsstufe hat – die dürfe keiner außer Dr. Maximillian passieren, dem wahnsinnigen Genie und Oberschurken, dem das alles hier gehört. Die junge Frau verabschiedet sich hastig, und läuft schnellen Schrittes den Gang zurück. Wir stehen ein wenig verloren und unschlüssig herum, bis sich die schweren Stahltüren etwas zu überraschend öffnen: »Sie müssen der Journalist sein, was?«, bellt eine Stimme von unten, die dem kleingewachsenen, kahlen und mit einem etwas klischeebehafteten Monokel im Auge versehenen Dr. Maximillian gehört. »Folgen sie mir, der andere ist auch schon da!«. »Der andere« ist kein Geringerer als Demis Hassabis, Chef der Elixir Studios , der von Dr. Maximillian gezwungen wurde, ein ihm würdiges Spiel zu entwickeln: Evil Genius (ab 9,94€ bei kaufen) .

Dr. Maximillian: »Man kann ja nicht alle umbringen lassen...«

4Players: Dr. Maximillian, können Sie uns kurz erklären, worum es in dem Spiel geht?

Dr. Maximillian: SPIEL? Was heißt hier »Spiel«? Wir haben es hier mit nicht weniger als einer ziemlich genauen Simulation meines Lebens zu tun!

4Players: Und was machen Sie also den ganzen Tag?

Dr. Maximillian: Was man als wahnsinniges Genie eben so macht: Delegieren, delegieren, delegieren. Ich sage meinen Arbeitern, in welche Richtung sie in meinem Vulkan-Versteck die Gänge graben sollen, welche Räume wo und wie groß errichtet werden, was in die Räume reinkommt usw. Man muss sich ja um alles selbst kümmern, wenn man will, dass es richtig gemacht wird. Sobald die Anweisungen erst mal stehen, rennen meine hirnlosen Vasallen natürlich sofort los, um meinem Willen gerecht zu werden. Gelegentlich begebe ich mich auch zu Baustellen, um mein scharfes Auge auf den Fortschritt zu werfen – komischerweise werden diese Arbeiten immer am schnellsten erledigt.

4Players: Was tun Sie, um ihre Mitarbeiter bei Laune zu halten?

Dr. Maximillian: Das ist kein großes Problem. Im Normalfall reicht schon meine körperliche Präsenz, damit die Leute frisch und motiviert ans Werk gehen.

Demis Hassabis: »Dieses mal nehmen wir den Spieler bei der Hand und erklären ihm alles.«

Falls ich gerade keine Zeit oder wichtige üble Dinge zu tun habe, gibt es natürlich noch diverse andere Möglichkeiten: Getränke-Automaten, eine Runde Tischtennis, Kampftraining oder eine heitere Runde Gefangene foltern bzw. ausquetschen. In ganz harten Fällen muss auch schon mal ein entbehrlicher Mitarbeiter exekutiert werden, das gibt den anderen ein deutliches Signal, wer hier das Sagen hat. Wir sind ja schließlich kein Feriencamp hier.

4Players: Die Hotels da draußen erzählen aber was anderes...

Dr. Maximillian: Die sind nur für die blöden Touristen da, die sich zufällig auf meiner Insel herumtreiben! Mistkerle, schleichen überall herum, machen Fotos und wasweißich noch alles. Ich habe ihnen die Hotels gebaut, mit Pools, Roulette, Zaubershows und allem Kram, damit sie mich in Ruhe lassen. Verdammte Schnüffler! Kann sie ja nicht alle umbringen lassen.. hm.. obwohl..

Gelegentlich schicke ich auch meinen Jäger nach draußen, der mir den einen oder anderen Touristen oder Agenten einfängt. Der schmort dann zuerst eine Weile in seiner Zelle, was mir eine gute Gelegenheit zum Trainieren meiner bösen Lache gibt. Ab und zu haut währenddessen der Gefangene ab, aber die meisten kommen nicht weit – hier ist alles voller Fallen. Danach folgt die *hust* »Befragung«, wobei ich die nicht jedem Trottel überlassen kann. Deswegen durchlaufen wertvolle Mitarbeiter regelmäßige Trainingsprogramme, die sie auf bestimmten Gebieten spezialisieren - Waffenanwendung oder Diplomatie zum Beispiel.

Dr. Maximillian: »So ein bisschen Folter heitert jeden gelangweilten Mitarbeiter auf.«

Demis Hassabis: Das haben wir natürlich komplett ins Spiel integriert: Aus einfachen Arbeitern werden nach etwas kostspieligem Training dann Soldaten, Forscher, Ninjas, Physiker oder eben Diplomaten. Man kann die Art und Menge der Fortbildung frei bestimmen, wobei das Training an sich dann automatisch funktioniert.

4Players: Wofür dient eigentlich die gesamte Einrichtung hier?

Dr. Maximillian: Natürlich entwickeln wir hier effizientere Methoden des Blümchenpflückens.. SIE IDIOT! Das alles hier dient nur einem großen Ziel: Der Eroberung der Welt mittels meiner Welteroberungsmaschine! Wozu glauben sie schicke ich meine ganzen Leute um die Welt, wo sie das politische Parkett unterwandern, Geld stehlen und Land für Land unter meine Kontrolle bringen? Wozu glauben sie, habe ich hier derart kostspielige Forschungslabore eingerichtet, in denen nur die besten Wissenschaftler aus aller Welt schuften? Das ist alles Teil eines hochkomplexen Plans, den nur ein Genie wie ich in die Welt setzen kann!

Demis Hassabis: Und weil das so ist, haben wir dem Spieler ein umfangreiches Tutorial spendiert, in dem ihn eine sympathische Fremdenführerin quasi bei der Hand nimmt und durch alle Aspekte des Spiels geleitet.

Dr. Maximillian: .. und die eindeutig zuviel weiß..

4Players: Dr. Maximillian, haben Sie nicht Angst, dass durch dieses Interview alle Welt auf ihre Pläne aufmerksam wird und ihre besten Agenten schickt, um Sie aufzuhalten?

Dr. Maximillian: Das passiert hier dauernd, daran habe ich mich gewöhnt. Außerdem sind feindliche Agenten eine praktische Sache, um meine neuen Fallen auszuprobieren – dadurch spare ich mir nämlich den Einsatz der wertvollen Dummys, die das sonst erledigen.

4Players: Was für Fallen haben Sie denn so in petto?

Dr. Maximillian: Da habe ich meiner Phantasie freien Lauf gelassen: Wir haben rotierende Messer, Gasfallen, Hypnosemaschinen, Elektroschocker – irgendwo müsste auch noch eine Feuergrube sein, aber ich weiß nicht mehr ganz genau wo. Alle Fallen lassen sich untereinander verbinden, so dass auch der größte Glückspilz schnell das Ende seiner Strähne erreicht, wenn er einmal in den Kreislauf geraten ist.

Demis Hassabis: »Wir geben dem Spieler größtmögliche Handlungsfreiheit.«

Leider machen es mir nicht alle so leicht. Manche Agenten sind echt harte Kaliber, durchtrainiert oder extrem clever. Da muss ich schon mal alle Hebel in Bewegung setzen, um ihre Schwachpunkte herauszufinden – deren Bekannte zu entführen und auszuquetschen hat sich beispielsweise als brauchbare Methode herausgestellt. Erst vor kurzem versuchte ein Brite mit einem Faible für lasche Drinks und Glücksspiele bei mir einzudringen. Und wie ich es erwartete, konnte er der Versuchung des speziell für ihn errichteten Casinos nicht widerstehen. Momentan dürfte er im Mixer rotieren, in etwa einer halben Stunde stopfen wir ihn zwischen die zuklappenden Bücherregale – mal sehen, was er so alles weiß. Aber ich lege Wert darauf, dass möglichst keiner getötet wird. Das schürt nur den Hass der Agenturen, und hetzt mir nur noch stärkere Gegner auf den Hals...

Demis Hassabis: Natürlich ist das im Spiel alles nicht so einfach wie es klingt: Jeder Gang, jeder Raum, jeder Einrichtungsgegenstand kostet mehr oder weniger viel Geld. Zwar hat man am Anfang ein gewisses Grundkapital, aber das ist schnell aufgebraucht. Also muss man Mitarbeiter ausbilden und um die Welt schicken, damit die Kasse weiterklingelt. Dadurch fehlen einem aber eben diese Leute in der Basis, außerdem laufen die »Vertreter« Gefahr, von gegnerischen Agenten zur Strecke gebracht zu werden – man kann sie zwar anweisen sich zu verstecken, aber gelegentlich schadet es auch nicht, einen Bodyguard mitzuschicken. Und natürlich muss man auch früher oder später mit der Eroberung von Ländern beginnen, schließlich sprechen wir hier von der Weltherrschaft: Also werden Intrigen geschmiedet, Präsidenten auf unsere Seite gezogen usw. Die Möglichkeiten des Spielers sind uferlos, er hat sehr viele Freiheiten.

Dr. Maximillian: »Irgendwo muss hier auch noch eine Feuergrube sein, aber ich weiß nicht mehr ganz genau wo...«

4Players: Das war in Republic: The Revolution  auch so, trotzdem kamen viele Spieler nicht damit zurecht. Was ging da schief?

Demis Hassabis: Ein Teil des Problems von Republic war die Thematik; sie ging sehr ins politische Detail, das war vielen Leuten zu kompliziert. Die Bedienung war nicht ideal gelöst, und natürlich war das Nichtvorhandensein eines Tutorials ein echtes Problem: Die Lernkurve war sehr steil, die Spieler mussten sehr viel ausprobieren und sich alles mögliche selbst aneignen. Wir hätten das natürlich gerne vermieden, und das Spiel besser ausbalanciert, aber wir hatten eine Deadline (die mit dem Ende des Finanzjahres unseres Publishers zusammenfiel) und mussten damit Republic ziemlich unpoliert ausliefern. Ich war nicht glücklich darüber. Obgleich wir eine sehr lange Zeit an Revolution gesessen haben, ging doch der größte Teil davon für die Entwicklung der Technologie drauf, so dass letzten Endes nicht genug fürs Spiel übrig blieb. Der Fehler passiert uns bei Evil Genius nicht, hier stand die Technologie bereits, und musste nur noch etwas angepasst werden: Explosionen, Reflektionen, diverse Shader für den Comic-Look etc. Aber im Großen und Ganzen haben wir die zwei Jahre Entwicklungszeit nur für das Spiel genutzt.

Dr. Maximillian: Ist ja schön und toll – aber könnten wir jetzt bitte wieder zum Thema zurückkehren: Meinem Spiel? Vielen Dank!

Demis Hassabis: Natürlich, natürlich. Evil Genius verbindet das Spielprinzip von Dungeon Keeper (nämlich als Bösewicht die Guten bekämpfen) mit einem coolen Austin Powers-Szenario, jeder Menge schwarzem Humor, einem spannenden Aufbau-Part und natürlich sehr viel Action. Ihr habt die Wahl unter drei Bösewichtern mit jeweils unterschiedlichen Stärken und Schwächen..

Dr. Maximillian: ..achja, da waren ja noch die anderen.. der Ninja und die reiche Tussi.. pffrr..

Demis Hassabis: »Bei Republic wurden Fehler gemacht - Fehler, die uns nicht wieder passieren werden.«

Demis Hassabis: ..die auch unterschiedliche Spielstrategien fordern und natürlich über andere Welteroberungsmaschinen verfügen. Die Grafik ist komplett in Echtzeit berechnet, zoom- und drehbar und im Comic-Stil gehalten. Wir haben massig zu lösende Aufgaben, von denen manche für das Fortschreiten des Spiels, andere hingegen optional sind und hauptsächlich dem Füllen der Kasse dienen. Kleinere Rollenspielelemente wie die Statistiken der Arbeiter, das Gewinnen an Erfahrung oder die Ausbildung fortgeschrittener Spielfiguren steigern die Spieltiefe und halten die Spannung oben – schließlich kann jederzeit ein Agent in die Basis eindringen oder eine politische Intrige schief gehen.

Dr. Maximillian: Jaja, wie auch immer. Und jetzt raus hier, sie haben uns lange genug aufgehalten! Nicht sie, Demis! Sie haben noch ein Spiel fertigzuentwickeln...

Ausblick

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