SCAR: Squadra Corse Alfa Romeo01.05.2005, Paul Kautz
SCAR: Squadra Corse Alfa Romeo

Vorschau:

Rennspiele funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Auto top, Fahrer flop. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist der Fahrer im Gros der Racer nichts weiter als eine anonyme Ansammlung von Polygonen, die zufällig hinterm Lenkrad sitzt. In Squadra Corse Alfa Romeo (SCAR) ist das anders: Hier wird nicht der Wagen, sondern die Person getunt!

Tigereffekt im Tank

RPG-Elemente sind mittlerweile in vielen Fremdgenres zu finden: Ego-Shooter, Adventures, Strategiespiele. Nur dem Rennbereich sind sie bisher fern geblieben; kein Wunder, schließlich klingt der »Reifen der phänomenalen Haftung +4« nicht sehr realistisch.

Zurück in die Vergangenheit: Per Tiger-Effekt könnt ihr Fahrfehler ungeschehen machen.
Deswegen geht SCAR dem Fahrer ans Leder: Ihr verfügt über neun Werte wie »Konzentration«, »Voraussicht« oder auch ungewöhnliche Kaliber wie »Gegner-Einschüchterung«, die ihr nach und nach ausbauen dürft. Das ist mehr als nur ein weiteres belangloses Feature, wie das Beispiel der Einschüchterung zeigt: Wer hat nicht schon Muffensausen verspürt, wenn sich auf der Autobahn von hinten ein lichthupender Prolet mit Höchstgeschwindigkeit nähert? Genau dieses Gefühl verspürt euer Polygon-Alter Ego, wenn es in Bedrängnis bekommt – angezeigt durch einen herunterzählenden Wert. Sinkt dieser in einstellige Bereiche, verfällt euer Fahrer in eine Art Angst-Trance, in der die Sicht verzerrt wird und alle Außengeräusche gedämpft an euer Ohr dringen, während das eigene Herzbumpern immer lauter wird. Gleichzeitig habt ihr aber euren Wagen besser unter Kontrolle, um euch sicher davon zu machen! Diesen Wert könnt ihr verbessern, um euch gewissermaßen nicht so schnell in die Hose zu machen bzw. schneller Angst und Schrecken zu verbreiten.

Das RPG-System basiert auch hier ganz klassisch auf gesammelter Erfahrung. Die bekommt ihr innerhalb der Rennen für bestimmte Aktionen: Überholmanöver, Rundenrekorde, eingeschüchterte Gegner oder gewonnene Runden lassen die XP-Kasse klingeln. Zusätzlich gibt es noch weitere Punkte für das Erledigen von Aufgaben wie »crashfrei fahren«, »bestimmte Geschwindigkeit erreichen« oder »keinen Tiger-Effekt nutzen«. Keinen was? Der Tiger-Effekt ist am ehesten mit dem Zeit-Zurückspul-Feature in Prince of Persia: The Sands of Time 

SCAR bietet euch Alfa Romeo-Modelle aus allen Zeiten und in allen Formen.
zu vergleichen: Ihr könnt pro Rennen ein Mal (bei gestiegenem Level auch mehr) die Uhr für ca.  fünf Rennsekunden zurückdrehen. Der Bildschirm färbt sich dabei wie eine alte TV-Übertragung, alles läuft rückwärts. Das mag futuristisch klingen, erweist sich aber gerade im Zusammenhang mit dem Schadensmodell als ungeheuer nützlich – kurz vor der Zielgeraden wegen eines Crashs auszufallen, ist in jedem Rennspiel ärgerlich. In SCAR könnt ihr das vermeiden, indem ihr einfach vor den Crash zurückspult und den Fahrfehler umgeht. Puristen dürften verächtlich die Augenbraue heben, aber es wird ja keiner gezwungen das Feature zu nutzen – im Gegenteil, die Nichtnutzung wird belohnt.

Need for Speed Alfa

Wie der Name schon andeutet, seid ihr in SCAR ausschließlich mit Automobilen der italienischen Edelmarke Alfa Romeo unterwegs. Euch erwarten 25 Hobel aus allen Zeitperioden, vom Giulia T.I. Super über den 75 Evoluzione Turbo und Alfa 147 2.0 Twin Spark bis hin zum Nuvola; Straßenwagen genauso wie Rennfahrzeuge, in allen möglichen Ausführungen und Farben.          

Mit denen spurtet ihr wie der Wind durch mehrere Spielvarianten: Der »Dynastie«-Modus ist in »Touren«, »Herausforderung« und »Zeitrennen« unterteilt – teilweise benötigt ihr erst ein bestimmtes Fahrerlevel, um teilnehmen zu dürfen. Die

Ängstlich im Straßenverkehr: Seid ihr eingeschüchtert, verzerrt sich das Bild unheimlich.
Touren bietet euch XP- und Ausrüstungsrennen, die perfekt zum Üben geeignet sind: Während euch Erstere Erfahrung bringen, gibt es bei Zweiteren zusätzlich noch Dinge wie Handschuhe oder Westen zu gewinnen, die eure Werte zusätzlich anheben.

SCAR ist keine beinharte Simulation, aber auch kein Spielplatz für notorische Raser: Die Alfas steuern sich unterschiedlich, aber immer anspruchsvoll und vertragen keine endlosen Kontakte mit Begrenzungsmauern – ist der Schadenszähler bei Null, dürft ihr noch mal von vorne anfangen. Als Besonderheit kassiert ihr hier selbst für das Abkürzen über Grasflächen Schadenspunkte; umsichtiges, aber dennoch zügiges Fahren ist also Pflicht. Nicht zuletzt aufgrund der herausfordernden KI, welche sich euren Leistungen anpasst: Belegt ihr ein paar Mal den ersten Platz, machen sie euch das Fahrerleben zur Hölle, landet ihr dauernd neben dem Treppchen, steigen eure Chancen. Allerdings gilt das nicht nur für euch, denn die Computerfahrer haben's auch aufeinander abgesehen, machen glaubwürdige Fahrfehler und sind generell kein Auspufffutter.

Spiel mir das Lied vom Auto

Die auf der populären Renderware -Engine basierende Kulisse mag für NFSU2-verwöhnte Effekthascher etwas bieder wirken, hat aber einige Vorteile: Zum einen läuft sie fantastisch schnell, selbst auf mittelschweren Maschinen gibt es realistische Echtzeit-Reflektionen auf dem Lack, coole Verzerrungen nach einem Crash, 

Ihr rast u.a. auch durch die Innenstadt von Mailand.
enorme Weitsicht sowie blendende Sonnenspiegelungen auf dem Straßenasphalt. Das Schadensmodell zerlegt den Wagen im Rahmen seiner Möglichkeiten sehr ansehnlich, ein dezenter Cel-Shading-Effekt verleiht eurem Alfa einen leichten Comic-Touch. Das Wichtigste sind aber die Ladezeiten: gerade mal zwei Sekunden dauert das Laden einer Strecke auf einem Rechner mit 512 MB RAM, so etwas gibt es heute wahrlich nicht mehr oft zu sehen!

Die 14 Strecken bieten eine Mischung aus realistisch nachgebildeten Originalen und Phantasiegebilden, wobei die meisten Abschnitte in zwei Varianten vorkommen – normal und verkürzt. Ihr rast u.a. über den Hockenheimring, über Laguna Seca und durch die Innenstadt von Mailand, dem Heimathafen von Entwickler Milestone, der früher unter dem Namen Graffiti populäre Racer wie Bleifuß und später die Superbike-Serie entwickelt hat. Akustisch erwarten euch neben dem üblichen Motorgejaule (auf Wunsch auch in Dolby Surround bzw. 5.1-Sound) auch angenehm groovige Klänge im Hauptmenü – teilweise Remixe von bekannten Ennio Morricone-Themen!      

Ausblick

Okayokay, SCAR hat nicht die Detailfreude eines NFS Underground 2 – dafür erinnert es spielerisch an frühere Milestone-Großtaten wie Bleifuß 1&2, die mich wochenlang am Rechner kleben ließen. Es spielt sich einfach locker-flockig, ohne penetrant realistisch oder nervend arcadig zu wirken - eine gute Mischung eben. Dazu noch das witzige RPG-Feature, das empfindliche Auto, der saucoole Tiger-Effekt, die Rennen unter schönster italienischer Sonne - und schon habe ich einen Racer, den ich immer wieder gerne für eine gemütliche Stunde zwischendurch auspacke. Ein viel versprechender Kaufkandidat für alle, die abseits von illegalen Straßenrennen, Formel 1 und Rallye nach einem intelligenten Rennspiel suchen. Und für Alfa Romeo-Fans sowieso ein Pflichttitel.

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