Dark Messiah of Might & Magic17.09.2006, Mathias Oertel
Dark Messiah of Might & Magic

Vorschau:

Bei Might & Magic denkt man entweder an klassische Rollenspielkost oder aber an Rundenstrategie mit immensem Tiefgang. Mit dem von den Arkane Studios (Arx Fatalis) entwickelten Dark Messiah of Might & Magic möchte Ubisoft die Franchise auch im Action-Bereich etablieren. Wie die Chancen stehen, verraten wir euch in der Vorschau.

Unter Dampf

Might & Magic als Action-Spiel? Das kann doch nur in die Hose gehen? Und dann noch von den Arx Fatalis-Machern? Au Weia!

Stop! Moment Mal! Erstens: So schlecht war Arx Fatalis nicht! Und selbst wenn die bisherigen Action-Ausflüge ins M&M-Universum einen leidlichen Eindruck hinterließen -allen voran Crusaders of Might & Magic- gibt es zumindest auf dem Papier einige Punkte, die für den dunklen Erlöser sprechen dürften.

Dank aufgepeppter Source-Engine können sowohl Figuren als auch Umgebungen überzeugen.
Immerhin wird das ganze Spiel von einer aufgebohrten Source-Engine angetrieben. Und hier hat nicht irgendein Total Conversion-Team an der Engine rumgeschraubt - Valve höchstpersönlich hat sich mit den Arkane Studios daran gemacht, den Half-Life 2-Motor mit Fantasy zu füttern

Und das merkt man dem Spiel an: Nicht nur der Einsatz von Physik wird verstärkt gefordert und gefördert, auch die Kulisse weiß zu gefallen, wenngleich etwas höhere Hardware-Anforderungen gestellt werden als vom HL2-Universum. Egal ob düstere Innenräume, die nur von sporadischen Lichtquellen beleuchtet Spannung aufbauen oder weitläufige Außenareale mit Gebirgszügen, Stränden usw: Die Fantasy-Welt wirkt lebendig, detailliert und harmonisch.

Spielerisch Vollgas

Doch was würde die ganze technische Brilianz der Source-Engine nützen, wenn Spielmechanik und Action hinterher hinken? Glücklicherweise wurde meine diesbezügliche Skepsis schnell zerstreut. Die Abschnitte, die wir und bis jetzt anschauen konnten, scheinen genau die richtige Mischung aus umgebungs- und physikbezogenen Rätseln sowie brachialer Schwertkampf-Action gegen gut auf euch reagierende Gegner zu bieten. So viel Spaß in einer aktionsgeladenen Fantasy-Welt hatte ich das letzte Mal in Wheel of Time, so viel Vergnügen mit Schwertern rumzufuchteln das letzte Mal in Severance.  

Allerdings bietet Dark Messiah zusätzlich noch ein rudimentäres Charakter-Entwicklungssystem, mit dem ihr die Art und Weise, durch die Abschnitte zu kommen, auf eure persönlichen Spielvorlieben anpassen könnt. Zumal auch die Levels meist die Möglichkeit bieten, den Gegnern auf verschiedene Methoden die Stirn zu bieten. Ihr bevorzugt Distanzattacken? Dann solltet ihr eure Bogenschuss- oder Magietechniken schulen. Ihr könnt aber auch eure mühsam erarbeiteten Punkte in mehr Stärke und höhere Ausdauer investieren und euch auf den Weg eines eisenharten Kriegers machen. Oder aber ihr versucht euch als Schleicher, der die Umgebung stärker einsetzt. Denn überall gibt es z.B. Seile, die ihr durchschneiden könnt und die meist irgendeine Falle auslösen. Ihr könnt aber auch versuchen, euch ungesehen einem Gegner zu nähern, der an einem Abgrund steht und ihn von hinten in den Schlund kicken - von den häufig in Innenräumen auftauchenden dornenreichen Metallstreben ganz zu schweigen, die einfach dazu einladen, den oder die Feinde hinein zu werfen... Diese hohe Interaktivität mit der Umgebung sorgt in Verbindung mit den Fähigkeiten für ein weitreichendes Arsenal der Zerstörung. Da versteht es sich fast wie von selbst, dass man jede fallen gelassene Waffe aufnehmen und mit den entsprechenden Fähigkeiten auch verwenden kann.

Trotz des Fokus auf Action habt ihr mit dem Charakter-System genügend Spielraum für Entwicklung und könnt euch z.B. auch auf Magie konzentrieren
Wenig zu bemängeln gibt es am Kampfsystem: Blocken mit der rechten Maustaste, Angreifen mit der linken, zusätzlich durch Bewegung andere Techniken auslösen (auch Kombos abhängig von der geführten Waffe sowie Fähigkeiten möglich) sowie mit länger gedrückter Angriffstaste die Wucht der jeweiligen Attacke erhöhen - viel einfacher kann es kaum sein. Und wer trotzdem noch nach Gründen für die Anschaffung sorgt, dürfte mit dem "Adrenalin-Boost" und dem direkt daraus hervorgehenden "Finisher" seinen Spaß haben - auch auf lange Sicht.

Die unbekannte Größe

Trotz aller Begeisterung gibt es einige Punkte, die dem möglichen Award noch im Wege stehen könnten. Das betrifft weniger die KI, die sich auf einem ähnlichen Niveau wie in Half-Life 2 befindet und sich weniger um Teamtaktiken oder gemeinsame Angriffe dreht, sondern meist jede Figur für sich auf euch hetzt.

In der Vorschau-Version gab es aber noch keine zusammen hängende Erzählstruktur, so dass sich schwer absehen lässt, ob die fulminant inszenierte Action durch eine adäquate Geschichte ergänzt wird. Dementsprechend lässt sich derzeit auch noch schwer absehen, ob die Spielbalance hinsichtlich der Fähigkeiten gelungen ist. Auch die noch etwas kryptischen Missionsbeschreibungen im Logbuch sollten überarbeitet werden, da man so unter Umständen in eine kleine Sackgasse laufen kann, weil man nicht genau weiß, was jetzt Sache ist. Und die Kollisionsabfrage, vor allem beim Springen und Klettern auf Vorsprünge, könnte sensibler reagieren. Doch das sind alles Probleme und Mankos, die die Entwickler kennen und die bis zur finalen Fassung behoben werden können.       

Garrett lässt grüßen

Ganz andere Pfade als die Solohelden bestreiten Mehrspieler-Recken, denn ihr übernehmt nicht euren Charakter, mit dem ihr in der Kampagne den Monstern den Garaus macht. Vielmehr entscheidet ihr euch - ähnlich wie in Battlefield - für eine von fünf Klassen: Von Krieger über Bogenschütze, Priesterin und Zauberer bis hin zum Attentäter reicht die Palette und alle ziehen mit markanten Stärken und Schwächen in den Kampf. So ist der Krieger ein Meister des Schwertes und im Nahkampf nicht zu schlagen. Er geht hinter seinem Schild in Deckung, hat einen besonders mächtigen Schlag drauf und kann für kurze Zeit schneller sprinten als die anderen Klassen. Seine Achilles-Verse ist die Anfälligkeit gegen Zaubersprüche und Fernwaffen. Außerdem schleppt er sich wie ein Walross über das Schlachtfeld, sobald seine

Über sieben Brücken... müsst ihr erst mal kommen, denn die Festung eures Gegners ist gut bewacht.
Sprintreserven aufgebraucht sind. Ohne Rückendeckung hat er daher keine Chance.

Ein Zauberer, der im Nahkampf und gegen einzelne Gegner keinen Stich sieht, könnte z.B. die Nachhut des Feindes mit flächendeckenden Magie-Spielereien aufhalten, während die Priesterin angeschlagene Kameraden heilt und mit demselben Spruch Widersachern die Hölle heißt macht. Bogenschützen halten sich hingegen versteckt im Hintergrund und löschen im besten Fall mit nur einem einzigen Schuss das Leben eines Kontrahenten aus. So einfach wie die Kollegen im modernen Krieg haben sie es dabei nicht, denn die Flugbahn eines Pfeils hat mit einer schnurgeraden Gewehrsalve nichts gemein.

Mein klarer Favorit ist aber der Attentäter. Als Verehrer des Schleichspezialisten Garrett habe ich in dem Egoshooter zwar nicht die Möglichkeiten des Meisterdiebes, aber wenn ich mich unsichtbar mache und den Feind umgehe, um ihn hinterrücks zu meucheln, ist das einfach großartig! Blöd nur, dass mich die Priesterin selbst im unsichtbaren Zustand entdecken und für ihren ganzen Trupp markieren kann... Nach dem, was die Betafassung beim ausführlichen Probespielen versprach, erwarten euch jedenfalls sorgfältig abgestimmte Klassen, von denen keine über unschlagbare Vorteile verfügt.

Mehrspieler? Story?

So richtig interessant wird es aber erst bei einem Blick auf die Spielvarianten, auch wenn Deathmatch und Team Deathmatch als zwei von nur drei Möglichkeiten ernüchternd klingen. Dafür ist der Crusade-Modus ein kleines Highlight, denn ihr tragt keine zusammenhangslosen Gefechte in voneinander getrennten Arenen aus. Vielmehr kämpft ihr euch durch eine Art Story - entweder auf Seiten der Menschen oder für die Armee der Untoten. Die Scharmützel finden dabei vor den Ereignissen des Solospiels statt und erzählen vom Kampf um die Festungen der beiden Parteien.

Über fünf Karten erstreckt sich das Areal und zu Beginn treffen sich die Kontrahenten genau in der Mitte. Wer hier gewinnt drängt den Gegner eine Karte in Richtung seiner Festung. Ist das Team auch hier siegreich steht es vor den Toren der feindlichen Basis. Diese wird dann besonders schwer zu erobern sein.

Ein Krieger in Nahaufnahme: Wenn dieser Herr zum Schlag ausholt, haben Zauberer und Attentäter keine Chance mehr.
Den ersten Erfahrungen nach ist die Front in ständiger Bewegung, da die Verteidiger in Gebieten nahe ihrer Heimat klar im Vorteil sind. Der Kampf findet nicht auf offenem Feld statt, vielmehr müssen die Angreifer erst Tore öffnen oder Brücken ausfahren, um überhaupt voranzukommen.

Multiple Persönlichkeiten

Aber damit nicht genug: Um dem Geschehen noch mehr Würze zu verleihen, gewinnt euer Charakter durch erfolgreiche Abschüsse Punkte, die er in weitere Fähigkeiten investiert. Der Attentäter kann z.B. das Geräusch seiner Schritte dämpfen, Zauberer lernen neue Sprüche und der Bogenschütze feuert mehrere Pfeile mit nur einem Schuss ab. Ich musste dabei zwar an "Helden in Strumpfhosen" denken, aber die Fähigkeiten konnte ich natürlich gut gebrauchen. Mein Problem: Wenn ich vom Fernkämpfer auf den Nahkampfrecken wechsle - was jederzeit möglich ist - fange ich mit dem Krieger bei Null an. Einmal gestärkte Klassen behalten zwar ihre Fähigkeiten, aber neu gewählte müssen erst angelernt werden. Die Entwickler wollen es den Azubis leicht machen, indem sie nach Treffern schneller Punkte sammeln als stärkere Widersacher, doch erst einmal müssen sie sich gegen einen überlegenen Feind durchsetzen...

Meine größte Sorge sind aber nicht die im fertigen Spiel sicher ausgeglichenen Kämpfe, sondern die Tatsache, dass sich Dauerzocker an den fünf Karten zu schnell satt sehen. Zumal der Großteil aller Schlachten im mittleren Areal stattfindet und recht selten um die Festungen gekämpft wird. Immerhin: Ihr könnt die Anordnung der Maps selbst festlegen, eigene hinzufügen und Mod-Tools sollen den Grundstein für einen schnell gefüllten Vorrat an Eigenkreationen der Fans liefern.

Anmerkung: Der Mehrspieler-Modus wurde von Benjamin angespielt.    

Ausblick

Source-Engine, hohe Umgebungs-Interaktivität, dynamische Kämpfe und genau dosierte Charakterentwicklung: Dark Messiah of Might & Magic macht technisch nahezu alles richtig. Und was viel wichtiger ist: Es macht einen Heidenspaß und bietet ausreichend Möglichkeiten, das Spiel im Einzelspieler-Modus auf verschiedene Art und Weise anzugehen. Wenn jetzt noch Spielbalance und vor allem die Story ebenso ansprechen wie die abwechslungsreiche Action, ist Dark Messiah auf dem Weg, bei mir Wheel of Time als "beste Fantasy-Action" abzulösen. Zumal auch der Mehrspieler-Modus durchdacht scheint und sich positiv vom üblichen Einerlei unterscheidet. In jedem Fall ist der dunkle Erlöser ein erfreulicher Beweis dafür, dass das Might & Magic-Universum immer für eine Überraschung gut ist.

Ersteindruck: sehr gut!

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