Vorschau:
Finstere Vergangenheit
Aus zwölf Abschnitten besteht Violettes Vergangenheit, und während ihr im Stil von Sam Fisher oder Solid Snake durch die Vergangenheit der britischen Agentin schleicht, erfahrt ihr nach und nach, welche Ereignisse zu dem Angst einflößenden Moment führen, in dem die Agentin scheinbar den Nazis in die Hände fällt. Zumindest so viel verraten die Entwickler der Hamburger Replay Studios (Crashday ) schon im Vorfeld: Violette schloss sich dem britischen Geheimdienst MI6 an, nachdem ihr Ehemann dem Krieg zum Opfer fiel. Die
"Sabotage" sollte das Spiel ursprünglich heißen, bevor es stärker auf die attraktive Protagonistin zugeschnitten wurde.Geschichte wird sich hauptsächlich um das Schicksal der jungen Dame drehen; persönliche Emotionen sind den Entwicklern wichtiger als überbordender Bombast. Übrigens: Die Nacherzählung hält sich erstaunlich dicht an die Erlebnisse der realen Violette Szabo - auch wenn Einzelheiten natürlich frei erfunden sind.
Nah am Original orientieren sich auch die Schauplätze, deren Erscheinungsbild anno 1943 so glaubhaft wie möglich rekonstruiert wird. Violettes Erinnerungen an Warschau wecken z.B. Erinnerungen an die Vertreibung der Juden in Spielbergs Schindlers Liste, andere Städte wie Paris oder Hamburg sollen ähnlich realitätsnah wirken. Dazu sollen auch Szenen beitragen, in denen Violette an Leichen vorbei schleicht. An einer Stelle kriecht sie z.B. unter einem Zaun durch und blickt unmittelbar ins Antlitz eines toten Kindes. Sie wird zwar nie Zeugin solcher Greueltaten - dieses Eisen war den Entwicklern womöglich zu heiß - aber der Schrecken des Zweiten Weltkriegs scheint allgegenwärtig.
Leider können wir noch nicht abschätzen, inwiefern Replay den Schauplatz zu einem greifbaren Charakter des Spiels macht. Den Aussagen der Entwickler nach soll das Szenario allerdings vorrangig als intensive Kulisse dienen. Und diesen Posten füllt es mit Leichtigkeit aus! Besonders die CSI-kompatiblen Filter erwecken zusammen mit den schönen Lichtspielen und der stimmungsvollen Musik eindrucksvolle Szenen zum Leben - seien es schwarze Verliese, in denen kalte Strahler starke Akzente setzen oder die Ruinen des Warschauer Ghettos, in denen die Abendsonne unter einem müden Nebel die Zeit anzuhalten scheint.
Violette ist... violett
Durch diesen Schleier sind wir vor Ort bei Replay zum ersten Mal selbst mit Violette geschlichen - was leider bedeutend leichter gesagt ist als es mit Familie Snake oder Sam Fisher von der Hand geht. Es liegt vor allem an den Finessen, auf welche die Dame verzichten muss: Sie kann z.B. nicht hinter Mauern in Deckung gehen, kann ihre Gegner daher nicht aus einem solchen Versteck heraus ausschalten und
ihre Tarnung wird nicht anhand eines Pegels zwischen einem und hundert Prozent gemessen. Stattdessen ist die Britin entweder sichtbar oder unsichtbar, wobei Letzteres von einer violetten (!) Aura angezeigt wird. Hinzu kommt, dass sich die Attentäterin nur in stark begrenzten Arealen aufhält, in denen sie häufiger den einen richtigen Weg finden muss, als dass sie sich frei bewegen dürfte. Spioniert Violette so gekonnt wie ihre Vorbilder?
Das führt häufig dazu, dass Violette entdeckt wird, woraufhin bis zu einem halben Dutzend Nazis dem Eindringling nachstellen. Im schlimmsten Fall ist ihr der Weg zurück in den vorherigen Abschnitt aber versperrt, so dass sie nur darauf hoffen kann, dass ihre Widersacher die Suche rechtzeitig aufgeben. Denn eröffnen die Patrouillen einmal das Feuer, stehen ihre Chancen denkbar schlecht. Die Agentin kann zwar etwa ein Dutzend Waffen nutzen, muss allerdings meist mit einem Minimum an Munition auskommen. Im Notfall setzt sie deshalb Morphium ein, oder auf Neuspielerdeutsch: Sie hält die Zeit an.
Nachthemd-Action
Plötzlich wirkt die Sicht verzerrt, die Heldin läuft im Nachthemd über die Straße und kann ihren Feinden so aus dem Weg gehen oder sie per Knopfdruck für immer ausschalten. Erzählerisch funktioniert der Kniff so: Violette spritzt sich eine der in ihren Erinnerungen auffindbaren Morphium-Spritzen, wodurch sie in ihre Träume eingreifen und die gedachte Situation so verändern kann, dass sie ihr Alter Ego außer Gefahr bringt. In Anbetracht des finsteren Szenarios und im Hinblick auf das tragische Schicksal der realen Violette finde ich den
plötzlichen Schnitt auf den angedeuteten voyeuristischen Blick zwar unpassend, aber vielleicht kann die Erzählung später beweisen, dass die leicht bekleidete Spionin nicht nur den Testosteron-Spiegel in Wallung bringen soll... Licht, Schatten und gelegentlich auch die richtige Verkleidung spielen eine zentrale Rolle.
Doch was, wenn ihr diesen "Notausgang" entweder nicht nutzen wollt oder gar kein Morphium bei euch tragt? Dann bleibt Violette lieber im Schatten und hofft darauf, dass sie von den Nazis nicht umgehend attackiert wird, sobald sie nur den Bruchteil einer Sekunde lang die nicht immer klar auszumachende Schattengrenze überschreitet. Leider fühlt sich das Versteckspiel sehr starr an - die Dynamik des Wechselspiels zwischen schleichen, entdeckt werden, schießen und verstecken wird vor allem zu Beginn von Fehlversuchen unterbrochen, bis man irgendwann den einen richtigen Weg findet. Spannung kommt auf, weil man mit Violette bangt, ob sie diesmal zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck hockt, nicht weil man sich buchstäblich mitten durch die feindlichen Linien tastet, während man Augen und Ohren gespitzt hält. Die historische Heldin kann zudem weder kriechen noch die Geschwindigkeit ihrer Schritte kontrollieren. Somit bleibt ihr nur die Dauerhocke, wenn sie sich lautlos an ihre Widersacher herantasten will.
Gewalt gewollt
Und wieso will sie das überhaupt? Weil sie ihre Gegner nur dann lautlos im Nahkampf ausschalten kann, wenn sie sich unbemerkt in deren Rücken heranpirscht. Mehr als 50 Bewegungen wird Violette dafür auf dem Kasten haben, wobei die Auswahl von einer Mischung aus ausgerüsteter Waffe und Zufall abhängt.
Falls Violette mehrere Ziele mit einem Schlag ausschalten will, kann sie sich auch einem Soldaten nähern, der eine Granate am Gürtel trägt und klammheimlich den Pin ziehen - stimmt das Timing, reißt die Explosion wenige Sekunden später mehrere seiner Kollegen mit in den Tod. Schön, dass besonders cleveres Vorgehen honoriert wird. Schade nur, dass Violette ihre Feinde nicht betäuben kann. Laut den Entwicklern kann sie ihre Rückblenden aber immerhin mit einem Minimum an Verlusten rekonstruieren. Nur komplett gewaltfrei erschließt sich ihr Schicksal wohl leider nicht. In zeitkritischen Momenten wie bei der Flucht aus einem explodierenden Bunker sollen spannende Showdowns entstehen.
So gut sich die Entwickler bei der Konkurrenz auch bedient haben, so sehr scheint das Schleichen auf enge Wege und relativ wenig Möglichkeiten beschränkt zu sein. Die Spionin kann z.B. auch Lichtquellen zerschießen, so lange deren Glühbirne nicht von einem Gitter geschützt wird - gängige Praxis, die jedem Schleichprofi vertraut ist. In allen Szenen, die uns Replay bisher zeigen konnte, gab es jedoch zu viele Gitter, als dass sich ein dynamisches Stellungsspiel zwischen Wachen und Spionin entwickelt hätte. Im Gegenzug schalten einige der Gegner allerdings Taschenlampen ein, sobald sie auf Violette aufmerksam werden. Außerdem soll jeder der zwölf Abschnitte in einem dramatischen Höhepunkt enden - wenn Violette z.B. von dramatischen Bässen begleitet gen Ausgang hetzt, weil sie eben eine Hand voll Sprengladungen scharf gemacht hat...
Ausblick
Um mal ein abgestandenes Wortspiel zu bemühen: Licht und Schatten könnten in Velvet Assassin sehr eng beieinander liegen. Nach allem, was wir bisher sehen und spielen durften, greifen sich die Entwickler wichtige Versatzstücke der Stealth-Action und fügen sie zu einem "Splinter Gear Light" zusammen. So kann die weibliche Agentin im Schatten schleichen und lautlos morden - sie lehnt sich aber nicht um Ecken und verzichtet auf gewaltfreies KO-Schlagen. Auch das Spiel mit Licht und Schatten funktioniert zwar - wirkt aber einseitig, wenn Violette in vergleichsweise engen Passagen ihren Weg ausmachen muss. Vielleicht öffnet sich Velvet Assassin noch; zumindest erzählerisch könnten die Episoden aus Violettes Vergangenheit und vor allem die düstere Prämisse für das Finale enorm viel Spannung aufbauen. Auch wenn sie bisher nicht alles zeigen durfte: Die Agentin hat viel Luft nach oben. Hoffentlich nutzt sie den Sauerstoff!
Ersteindruck: befriedigend
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