Loki - Im Bannkreis der Götter24.01.2007, Mathias Oertel
Loki - Im Bannkreis der Götter

Vorschau:

Fällt der Begriff "Hack&Slay", denkt man automatisch an Blizzards Diablo 2, das diesem Genre einen Platz im Spieleolymp verschafft hat. Nachahmer dieses Prinzips gab es viele, aber bis heute konnte keiner diese Klasse erreichen. Jetzt probt das Radsport Manager-Team von Cyanide den Göttersturz. 

Meister der (Spiele-)Küche

Fällt der Name Paul Bocuse, denkt man automatisch an erstklassige Küche, an vollmundige Speisen, an einen Chefkoch, der mit seiner Art, Gerichte zuzubereiten und zu präsentieren, eine ganze Generation beeinflusst hat - darunter sehr viele Nachahmer.

Allerdings hat Bocuse mittlerweile seinen Zenit überschritten. Vor allem im englischsprachigen Raum haben es Köche wie Jamie Oliver, Anthony Worrall Thompson oder Anthony Bourdain geschafft, zu Küchenstars zu werden. Doch keiner konnte es schaffen, Bocuse in Vergessenheit geraten zu lassen.

In der Spielewelt gibt es ein ähnliches Phänomen: 1996 startet Blizzard mit dem Spiel Diablo eine neue Franchise und definiert mit dem 2000 erscheinenden Nachfolger  ein ganzes Genre. Diablo 2 hat nicht nur dafür gesorgt, dass Blizzard weit vor World of WarCraft für alle Ewigkeiten in die Videospiel-Annalen einging. Die Teufelsaustreibung hat wie kein anderes Spiel den Begriff "Hack&Slay" geprägt. Bis heute müssen sich alle an diesem Geniestreich messen lassen. Titan Quest, Sacred, Dungeon Siege: Viele haben es versucht und teils überzeugende Ergebnisse abgeliefert - und dennoch: Keinem ist es bislang gelungen, sich als DIE Ablösung für Diablo 2 zu etablieren.

Aber es kann doch nicht sein, dass eine zehn Jahre alte Spieleserie immer noch als Maßstab für alles gilt, was mit actionreichem Monsterplätten und leichten Rollenspiel-Einschlägen zu tun hat...

Vom Radsport zum Hack&Slay?

Cyanide? Das sind doch die Jungs vom Radsport Manager, oder etwa nicht? Und die versuchen sich jetzt an einem waschechten Hack&Slay? Und wollen tatsächlich für neue Impulse sorgen? Ich gebe zu: Als ich hörte, welches Team hinter dem Mythen verwebenden Hack&Slay steckt, war ich sehr skeptisch. Doch je mehr ich über Loki erfahren habe und je mehr ich mir davon ansehen konnte, desto stärker wich die Skepsis einer gewaltigen Vorfreude.

Das ist jedoch weniger den Innovationen im spielerischen Kern zuzuschreiben. Hier bleibt auch Loki "nur" ein weiteres Hack&Slay, das mit einfacher Steuerung, einem Haufen an Spezialfähigkeiten, der Jagd nach immer besseren Gegenständen sowie Unmengen an Gegnern den Grundstein für die Motivation legt - das Diablo-Prinzip sozusagen.

Dieser niedliche Arachnid gehört zu den kleineren (!) Gegnern im knallharten Loki-Universum!
In vielen Bereichen geht das Action-Rollenspiel jedoch andere Wege. Vielleicht nicht gerade neue, aber dennoch angenehm andere. Nehmen wir z.B. die Story: Mythologische Einschläge kennt man spätestens seit Titan Quest. Loki geht allerdings einige Schritte weiter: Satte vier mythologische Grundthemen (griechisch, ägyptisch, aztekisch, nordisch) werden miteinander verknüpft und spiegeln sich in den vier spielbaren Charakteren sowie den Settings der insgesamt weit über 150 Abschnitte wider, die mit Ausnahme der Bosskampf-Areale zufällig generiert werden. Mit einer durchschnittlichen Zeit von 15 bis 20 Minuten pro Abschnitt sowie drei Schwierigkeitsgraden, die jeweils neue Wendungen der Geschichte um einen Mythos-umspannenden Göttermord verraten, wird der Grundstein für ein lang andauerndes Monstermetzel-Vergnügen gelegt. Ich jedenfalls freue mich schon darauf herauszufinden, wieso der für Chaos und Verderben verantwortliche ägyptische Gott Seth wieder erweckt wurde. Und warum er sich in seinem all umfassenden Hass aufmacht, nicht nur die ägyptischen Götter zu töten, sondern auch den Herrschern anderer Mythologien bis hin zum mächtigen Odin nach dem Leben trachtet. Denn nach dem zwar schönen, aber knallbunten Titan Quest und dem eher seelenlosen Dungeon Siege 2 dürste ich nach erwachsener, blutiger und nennen wir es beim Namen: brutaler Unterhaltung. Und die scheine ich mit Loki zu bekommen.

Es bleibt allerdings zu hoffen, dass es nicht nur beim eindrucksvollen Intro bleibt und es wie in Diablo gerenderte Sequenzen an wesentlichen Punkten geben wird, um die Dramatik voranzutreiben. Doch selbst ohne stimmungsvolle Videos wird die Soundkulisse für Vergnügen sorgen - allen voran die saubere deutsche Sprachausgabe, für die namhafte Synchronsprecher ins Studio gezerrt wurden, so z.B. die Stimmen, die Angelina Jolie oder John Cleese ein deutsches Profil geben.  

In Loki geht es heiß her: Wenn Waffengewalt nicht mehr ausreicht, werden gewaltige Mächte beschworen!
Komfort & Kiosk

Das Fundament scheint zu stimmen. Doch wie sieht es mit dem Oberbau aus? Hier sticht vor allem die Benutzerführung heraus, die insbesondere im Umgang mit Gegenständen, Waffen und Rüstungen einen bislang im Genre unbekannten Komfort ermöglichen soll.

Das Geheimnis steckt im Detail: Öffnet ihr euren Rucksack, gibt es dort nicht mehr die allseits bekannten Kästchen, die von mal mehr, mal weniger großen Gegenständen gefüllt werden. Stattdessen findet ihr eine nach Waffentyp sortierte und aufklappbare Liste vor. Doch damit nicht genug: Sammelt ihr eine neue Waffe ein wird diese im Inventar durch ein Ausrufezeichen markiert. Die Maus kurz drüber und schon bekommt ihr alle Details sowie den Vergleich mit eurem gegenwärtig ausgerüsteten Metzelwerkzeug angezeigt. Wollt ihr die Waffe nicht tauschen oder habt ihr auf Grund von Klassenbeschränkungen keine Verwendung, kann das Objekt (gilt natürlich auch für Rüstungen und sonstige Gegenstände) per Rechtsklick in den so genannten "Kiosk" verschoben werden. Dieser wiederum kann bei einem der zahlreichen Händler mit nur einem Mausklick geleert werden. Somit dürfte unübersichtliches Inventar-Gefitzel, das beispielsweise Titan Quest mit zunehmender Spieldauer immer mehr der anfangs hohen Motivation wegriss, der Vergangenheit angehören. Platzbeschränkungen gibt es jedoch nach wie vor: Anfänglich können z.B. maximal zehn Waffen -ganz gleich welchen Typs- mitgetragen werden. 

   

Kampfwerkzeuge ohne Ende

Wo wir gerade bei Waffen und Gegenständen sind: Magische Sets, seltene oder gar ultra-seltene Objekte sind nix Neues mehr, haben aber in Diablo 2 eindrucksvoll bewiesen, dass im Jagen, Sammeln und natürlich Tauschen dieser Items ein wesentlicher Bestandteil der Langzeitmotivation gebildet wird. Diesem Prinzip bleibt Loki natürlich weiterhin treu.

Wie ist es aber mit dieser Ausgangssituation: Bei Schmieden könnt ihr jede, absolut jede Waffe und Rüstung auseinandernehmen, die Eigenschaften, die sich in Schneide bzw. Schaft finden neu kombinieren, veredeln und (sofern möglich) mit verstärkenden Edelsteinen versehen - vorausgesetzt, ihr habt das nötige Kleingeld, das der Metallklopfer als Obulus verlangt.

Den Möglichkeiten scheinen keine Grenzen gesetzt und da selbst die ultraseltenen Waffen (allerdings nur untereinander) nicht vor dem Auseinanderbauen sicher sind, scheint hier ein neuer Rekord an Gegenständen im Spiel auf uns zuzukommen. Bei über 100.000 Kombinationen und auffindbaren Waffen sowie Rüstungen dürften sowohl Hardcore-Teufelsaustreiber als auch alle anderen Dungeon-Durchstöberer hellhörig werden.

Die griechische Amazone ist eine der vier spielbaren Figuren.
Ob sich diese Flut an Möglichkeiten allerdings auch langfristig auf die Motivation auswirkt, muss sich erst beweisen. In der uns präsentierten Version gab es noch kleine Bugs hier und da, die eine Einschätzung schwer machen. Interessant klingt die in dieser Form bislang einzigartige Waffenkammer in jedem Fall.

Götterhuldigung

Hinsichtlich des Kampfsystems und der Charakter-Entwicklung geht man weitestgehend konventionelle Wege: Per Maus-Linksklick führt man eine Standardattacke aus, per Rechtsklick aktiviert man die über die festgelegten Spezialfähigkeiten. Beim nordischen Barbar können dies z.B. Kombos sein, die im Kampf abgerufen werden und massiven Schaden beim Gegner anrichten. Die griechische Amazone hingegen kann von Ares Fallen als Gabe bekommen, während die Konzentration auf Artemis für Verstärkungen im Fernkampf wie z.B. Pfeilhagel sorgt. Der ägyptische Kampfmagier hingegen setzt auf Helfer, die er beschwören kann sowie vernichtende Angriffszauber. In den Abschnitten, die wir bereits durchstreifen konnten, zeigte der Kampfablauf an sich zwar kaum Unterschiede weder zum Vorbild noch zu diversen Nachahmern, doch trotzdem kam immer wieder Spannung und Spaß auf. Was nicht nur an den bis zu 40 Gegnern lag, die auf mich einstürmten und die ich entweder in einem Feuerball zu Boden schickte, sie mit Dolch, Kampfstab oder Doppelaxt nach Ragnarok beförderte oder mit einem Meteorregen bedachte. Allerdings ist man immer noch dabei, an der Geschwindigkeit des Kampfablaufes im Allgemeinen zu feilen. Das Balancing scheint auf einem guten Wege zu sein, wird sich aber in einer kontinuierlichen Entwicklung der Spielfigur und ihrer jeweiligen Spezialfähigkeiten beweisen müssen.

Diese sind bei jedem der vier spielbaren Charaktere (es können keine eigenen Figuren erstellt werden) abhängig von dem Gott, dem sie huldigen, wobei jedem drei zur Verfügung stehen. Allerdings können die Figuren durchaus polytheistisch veranlagt sein, müssen sich aber an entsprechenden Altaren auf einen festlegen, bevor sie in die Schlacht ziehen. Neben der normalen Erfahrung, die man durch das Lösen von Quests und Plätten von Monstern erhält, bekommt man auch besondere, nennen wir sie mal "religiöse" Erfahrungspunkte, die beim Aufstieg in ein neues "Religionslevel" in die oben beschriebenen Sonderfähigkeiten investiert werden können - aber eben nur für die des jeweilig ausgewählten Gottes. Ihr könnt sogar Opfer darbringen, um Götterpunkte einzuheimsen. Jungfrauen oder Ziegen reichen allerdings nicht aus. Um die Götter in Loki zufrieden zu stellen, müsst ihr die ultra-seltenen Waffen, Gegenstände und Rüstungen am Altar opfern.

In den Kämpfen seid ihr z.B. als Amazone jedoch nicht auf die Fähigkeiten von Ares allein festgelegt. Habt ihr vorher Spezialangriffe aus dem Athena- oder Artemis-"Baum" gelernt, könnt ihr sie weiterhin einsetzen.

Feines Gegnerdesign, coole Effekte, düstere Atmosphäre: Die Kulisse von Loki kann sich wahrlich sehen lassen.
Düster statt bunt

Das Grundgerüst von Loki scheint sehr solide zu sein - was sowohl die Anleihen beim Klassiker Diablo 2 betrifft als auch die eigenständigen Ideen wie das umfangreiche Waffen- und Inventarsystem.

Auch die Kulisse kann sich sehen lassen, weckt mit ihren vier vollkommen unterschiedlichen Grundszenarien positive Erinnerungen an den schier übermächtigen Blizzard-Vorreiter und setzt sich mit düsteren Akzenten auch positiv gegen die deutlich knalligeren Welten eines Titan Quest oder Sacred ab. Eisige Plateaus in der nordischen Welt, gleißende Wüsten in Ägypten, monumentale Architektur in Griechenland: Die Grafikabteilung legt sich gewaltig ins Zeug, um ein stimmiges Ambiente zu schaffen. Das Figuren-Design macht ebenfalls Lust auf mehr: Von Allerweltsgegnern wie Skeletten, Mumien bis hin zu spanischen Conquistadores reicht das Programm und findet seine Höhepunkte natürlich in den Bossgegnern, von denen blinde Zyklopen, die etwa vier Mal so groß sind wie eure Spielfigur und die einen mit Stacheln versehen Ball schwingen, der moderne Abrissbirnen wie Kindermurmeln wirken lässt, noch das kleinere Übel darzustellen scheinen. Denn wenn erst einmal der Bildschirm füllende Drache Fafnir seinen heißen Odem hinter euch her schickt, während ihr verzweifelt versucht, glühender Lava auszuweichen und einen verwundbaren Punkt zu suchen, dürfte das Adrenalin mit Hochgeschwindigkeit durch eure Adern pumpen. 

Ausblick

Lasst uns einen Augenblick vergessen, dass Cyanide sich bisher mit dem Radsport Manager ins Gedächtnis gebrannt hat. Denn fernab aller Vorurteile steckt in Loki einer der ambitioniertesten Anwärter auf den schon seit geraumer Zeit vakanten Vorsitz im Hack&Slay-Parlament. Grundsolide Kampf- und Charakteraufbaumechanik, gepaart mit ansehnlicher detailverliebter Kulisse und einem schier unerschöpflichen Waffen- und Rüstungsarsenal machen Lust auf mehr. Ist Loki die lang ersehnte Diablo 2-Ablösung? Durchaus möglich!Allerdings muss das Hack&Slay beweisen, dass hinter all diesen guten Ideen auch eine spannende Story, Dramatik und vor allem auch ein gutes Balancing steckt. Sobald uns eine erweiterte Fassung vorliegt, werden wir die Jagd auf den Götterassassinen wieder aufnehmen.

Ersteindruck: gut

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