Experience 11229.01.2008, Jan Wöbbeking
Experience 112

Vorschau:

Wer bin ich? Und wer ist die Schönheit, die sich gerade auf dem verzerrten Bild einer Überwachungskamera in einem zerstörten Schiffslabor aufrappelt? Diese zwei Fragen stellt ihr euch nicht nur zu Beginn von Experience 112 (ab 4,99€ bei kaufen) - sie entpuppen sich als zentrales Element der Geschichte. Wie der Film Memento spielt das Adventure des französischen Entwicklers Lexis Numérique mit eurer Ungewissheit.

Der Große Bruder

Das Überwachungssystem ist ihr einziger Kontakt zur Außenwelt. Die Frau im grünen Kittel hat erkannt, dass jemand am Pult steht. Die leuchtende Kamera-Diode hat ihr meine Anwesenheit verraten.

Ihr steuert Lea Nichols nicht direkt, sondern weist ihr den Weg, indem ihr auf der Karte Lichter und Maschinen anknipst. Auch die Überwachungs- kameras aktiviert ihr mit den Icons.
Durch eine nickende Bewegung mit der drehbaren Linse signalisiere ich, dass ich ihr helfen werde. Ich habe keine Ahnung, wer sie ist oder was um alles in der Welt in dem gestrandeten Schiff schief gelaufen ist - aber immerhin habe ich eine Möglichkeit gefunden, mit ihr zu kommunizieren. Mehrere Fenster ploppen auf meinem Windows-Desktop auf. Ich fühle mich wie in einem amerikanischen Hacker-Film aus den Neunziger Jahren.

Zwei der Bildschirme geben mir einen mit Grieseln überzogenen Überblick über die Koje. Das dritte Fenster ist eine Art Konsole, auf der ich in den persönlichen Daten von Lea Nichols, so heißt die Protagonistin, herumstöbere. Was ich so lange treibe, will sie wissen. Ich sollte doch nur in ihren Dokumenten nach einem Passwort suchen, um die Tür zu öffnen. »Sie schauen sich bestimmt meine Unterlagen an«, sagt sie wenige Sekunden später. »Das ist okay. Ich kann mir vorstellen, dass Sie wissen möchten, mit wem Sie zusammenarbeiten.« Kurz darauf ist sie nicht so geduldig mit mir. »Warum dauert das so lange? Ich weiß nicht, ob es richtig war, ihnen zu vertrauen.« Leas Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor. Kein Wunder: In der deutschen Fassung wird sie von Ranja Bonalana synchronisiert, die auch Kate in der Serie »Lost« ihre Stimme leiht.

Lichterkette

Was Lea nicht weiß: Ein heruntergekommen aussehender Mann lauerte hinter der Tür, bevor sie sich geöffnet hat. Doch sobald das Licht der Überwachungskamera zu brennen begann, machte er sich Hals über Kopf aus dem Staub. Sei's drum, weiter geht es. Als nächstes weise ich meinem Schützling den Weg, indem ich mit dem Überwachungssystem ein Licht nach dem anderen anknipse. Dazu klicke ich auf einer Karte die entsprechenden

Die Nachtsicht ist eine der Kamera-Erweiterungen, die ihr im Laufe des Spiels zusammen mit Lea installiert.
Symbole an und Lea folgt dem Lichtschein zögerlich durch die verwüsteten Gänge. Wenn keine funktionierende Lampe in der Nähe ist, tun es auch die schimmernden Dioden an den herumstehenden Geräten.

Zwischendurch aktiviere ich die Symbole anderer, in den Räumen aufgehängter, Kameras. Die Perspektive ist ungünstig, also klicke ich auf ein geöffnetes Fenster und bewege das Objektiv mit der Maus in eine günstigere Position. Zum Glück hat Lea vor kurzem die Nachtsicht-Erweiterung für das Überwachsungssystem gefunden, so dass ich auch in dunklen Situationen den Überblick behalte. Im späteren Spielverlauf werden die Kameras übrigens mit noch weiteren Funktionen wie einem Focus sowie einer Wärme-Sicht und einer mysteriösen Pheromon-Analyse ausgestattet.            

Trip in die Vergangenheit

Plötzlich wird der komplette Bildschirm von einem gleißenden Licht erfüllt. Was ich zu sehen bekomme, ist offenbar eine Erinnerung von Lea. Ein typischer deutscher Klischee-Bösewicht im Arztkittel erzählt davon, wie außergewöhnlich stark seine Versuchsperson mit dem Codenamen 112 auf eine geheime Substanz reagiert.

Damit die stimmungsvolle Grafik flüssig läuft, benötigt ihr mindestens einen 2-Gigahertz-Prozessor, 1 Gigabyte Arbeitsspeicher und eine einigermaßen aktuelle Grafikkarte.
Die Szene ist einer der Flashbacks, die das Spiel regelmäßig unterbrechen. Sie sollen Licht ins Dunkel der Geschichte bringen. Ein weiterer Weg, in die Story einzutauchen, sind die bereits erwähnten digitalen Akten der Personen, auf die ihr nach und nach Zugriff bekommt. Ihr müsst sie zum Lösen der Rätsel nicht lesen, könnt es aber. Ähnlich wie bei den herumliegenden Briefen im Adventure Agon geben sie euch einen Einblick in die Lebensgeschichten der Charaktere.

Ein rauhes Husten ertönt aus den Lautsprechern. Lea erzählt mir, dass sie auf eine Substanz mit dem Namen Hydroxide Oxydrin angewiesen ist und sie sich diese dringend beschaffen muss. Eigentlich ist es nicht schwer, an das grünliche Gas zu gelangen, denn eine luftdicht abgeschlossene Kammer ist komplett damit geflutet. Doch die entstellte Leiche auf dem Stuhl beweist, dass sich das Mittel in dieser Konzentration alles andere als gesundheitsfördernd auf den menschlichen Organismus auswirkt. Also müssen wir einen Weg finden, die Substanz aus dem Raum zu holen, ohne mit dem Gas in Kontakt zu kommen. Glücklicherweise stehen kleine Roboter in den Labors herum, die sich mit Hilfe der richtigen Zugangscodes durch das Schiff manövrieren lassen. Ihr seid übrigens nicht das komplette Spiel über in den engen Gängen des Wracks unterwegs. Mehr wird mit Rücksicht auf die Geschichte aber noch nicht verraten.      

Ausblick

Es weht überraschend frischer Wind durch die klaustrophobisch anmutenden Schiffsflure in Experience 112. Wie in einem guten Mystery-Thriller werdet ihr zu Beginn des Abenteuers im Unklaren darüber gelassen, was auf dem gestrandeten Laborschiff passiert ist, wer ihr eigentlich seid und welche Rolle ihr und euer Schützling Lea spielt. Auch die in indirekte Steuerung bringt eine willkommene Abwechslung ins Genre. Die Bedienung des Überwachungssystems mit seinen zahlreichen Fenstern wirkt zwar zunächst ungewohnt, bietet aber gerade dadurch einen eigenen Reiz. Ein zweiter Monitor an eurem Windows-Rechner wird vom Spiel übrigens nicht unterstützt - schade eigentlich. Da es eine Weile dauert, bis ihr euch in das System eingearbeitet habt, beschränken sich die Rätsel zu Beginn auf recht einfache Aufgaben wie das Suchen von Schlüsselcodes und das Einloggen in andere Profile und Roboter. Ob später härtere Kopfnüsse folgen und ob das Spiel über längeren Zeitraum fesseln kann, lässt sich noch nicht beurteilen. Was allerdings jetzt schon auffällt, ist die stimmungsvolle Grafik. Die kann zwar nicht mit aktuellen Action-Krachern mithalten, ist für Adventure-Verhältnisse aber imposant geraten. Gerade wenn mehrere Bildschirme aufploppen, geht die Framerate auf älteren PCs gerne mal in die Knie - Omas Laptop ist für dieses Adventure also die falsche Wahl. Mit einem halbwegs aktuellen Spielerechner könnt ihr euch aber auf ein spannend erzähltes Abenteuer freuen.

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