Vorschau: Drakensang (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: dtp/Anaconda
Release:
15.07.2009
Jetzt kaufen
ab 13,66€
Spielinfo Bilder Videos
 Gruppe & Partyinteraktion

Eine der ersten Quests: Helft ihr der Zigeunerkönigin, ihren verlorenen Schmuck wieder zu beschaffen, dann hilft sie euch...aber zunächst müsst ihr ihren Geliebten finden.
Ein großes Fragezeichen steht hinter der enorm wichtigen Party-Interaktion - die sieht derzeit noch sehr schwachbrüstig aus. Wir haben allerdings erst ein Dorf besucht und maximal drei Figuren in der Gruppe gehabt. Es soll laut Entwickler Ärger, Streit und Zwistigkeiten in der Gruppe geben, wovon noch herzlich wenig zu entdecken war. Als unser Held die erste Begleiterin fand, geschah das fast nebenbei ohne ein Gespräch. Und man konnte im Dialogmenü auch nicht viel mehr über die schroffe Barbarin erfahren; da muss bis zum Release noch mehr Biografie zum Reinwühlen und Erzählstoff her, wenn die Begleiter nicht zu Statisten verkommen sollen.

Richtig langweilig gestaltete sich das Aufeinandertreffen mit einer der mächtigsten Gestalten Aventuriens: Seine Magnifizienz und Erzmagier Rakorium Muntagonus. Nach einem kurzen Trip durch eine Höhle und ein paar Textzeilen begleitet der Gandalfverschnitt die Gruppe, versprüht herzlich wenig arkanes Charisma und beteiligt sich noch nicht mal am Kampf.
Auf in den Kampf: Ihr könnt jederzeit pausieren, um Waffen oder Zauber zu wechseln.
Natürlich handelt es sich noch nicht um die finale Szene, aber bis zum Juli hat das Team wirklich noch viel zu tun, wenn man gleich in den ersten Stunden gepackt werden soll. Insgesamt soll es übrigens etwa zehn Nicht-Spieler-Charaktere (NSC) geben, denen ihr begegnen könnt. Ich bin gespannt, inwiefern die Party-Interaktion, die noch nicht erkennbare Story sowie die Questkultur hier auf lange Sicht noch punkten können. Letztere zeigte sich in der Anfangsphase noch von der einfallslosen Seite: Man trifft einen Jäger und muss ihm tatsächlich bei seinem "Wolfsproblem" oder "Bärenproblem" helfen - World of WarCraft lässt grüßen.

Wo sind Konsequenzen?

Wie lebendig, wie reaktiv ist die Spielwelt? Da muss man sich noch große Sorgen machen. Es gibt nämlich weder ein Moralsystem noch eine Exekutive wie eine Stadtwache. Sprich: Ihr könnt nicht gezielt Gutes oder Böses tun oder im Knast landen wie etwa in den handelsüblichen D&D-Spielen oder Oblivion. Das Fehlen dieser ethischen Instanz muss nicht schlecht sein, wenn man auch so das Gefühl von Freiheit während der Quests hat. Bisher gab es zwar angenehme Alternativen auf dem Weg zum Ziel, aber noch wenig Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb der Dialoge: Man konnte quasi niemandem vor den Kopf stoßen, kein Gezänk oder gar einen Angriff vom Zaun brechen.

In den Höhlen und Dungeons könnt ihr Kisten zerstören. Leider gab es noch keine Schalterrätsel oder Ähnliches; das soll aber implementiert werden.
Überaus enttäuschend ist, dass der Taschendiebstahl keine Folgen hat: Man spielt einen Gauner, geht an einen Händler ran, beklaut diesen erfolglos, weil der entsprechende Wurf missglückt, und dann gibt es keinerlei Reaktion! Dasselbe macht man auf einem vollen Markt mit allen Besuchern. Es gibt kein Gemecker, keinen Aufruhr, keinen Schrei nach Wachen. Das einzige, was sich jetzt ändert ist, dass ich diese Person nicht mehr beklauen kann. Auch einfache Aktionen wie das Waffen ziehen haben keinerlei bedrohliche Wirkung auf die Dörfler - was in Gothic noch zu einem strengen Spruch führte, bleibt hier folgenlos. Wieso ist die Spielwelt so schrecklich passiv?

Wir haben natürlich nachgefragt, warum es keine Konsequenzen, warum es keinen Kerker oder Angstreaktionen gibt: Einerseits wolle man den Spieler nicht unnötig über Strafen frustrieren, andererseits hätte die Implementierung von Polizei & Co noch mehr Zeit und Ressourcen verlangt. Das sind natürlich unbefriedigende Antworten, wenn man sich Baldur's Gate zum Vorbild wählt. Entsteht Nervenkitzel nicht erst dann, wenn ich mit schlimmen Konsequenzen rechnen muss? Und habe ich als Spieler eines Taschendiebs nicht etwas mehr Rollenspiel verdient?

Die Technik

Gandalf sein Bruder? Eine der mächtigsten Gestalten Aventuriens tritt gleich zu Beginn auf, ohne eine imposante Duftmarke zu hinterlassen.
Dass Drakensang mit seiner Nebula Engine technisch keine Zeichen setzen wird, ist für Rollenspieler alter Schule wahrscheinlich halb so schlimm. Auch wenn die Texturdetails fehlen, auch wenn Direct X10 nicht unterstützt wird, wird die aventurische Atmosphäre von den Designern gut eingefangen - teilweise hat das Team die vorhandenen Pen&Papervorlagen für Gebäude oder Dörfer sogar 1:1 kopiert. Wer sich auskennt, dürfte also auch architektonisch viel Vertrautes finden. Fachwerkhausidylle und sanfte Hügel, beschauliche Mühlen und plätschernde Flüsschen begrüßen euch im ersten Dorf Avestreu; das Ganze erinnert an eine typisch ländliche Region in Schwaben oder Franken - Idylle und Kitsch liegen hier allerdings, wie gesagt, gefährlich nahe beieinander. Später gibt es aber auch düstere Gegenden wie etwa die Sümpfe von Moorbrück mit ihren Zombies, den Dunkelforst oder Berg Drakensang.

Man verzichtet auf eine Open World à la Oblivion oder Two Worlds und serviert Regionen in kleinen Häppchen von etwa einem Quadratkilometer, die von Bergen oder Flüssen begrenzt werden. Wie in den Vorgängern kann man entfernte Regionen per Überlandreise erreichen: Sobald man einen Ort auf seiner Weltkarte verzeichnet hat, kann man diesen über einen Klick erreichen - aber Vorsicht: Zufallsbegegnungen inklusive. Dafür braucht man sich um Hunger, Durst und Schlaf keine Gedanken machen. Es gibt auch keinen dynamischen Tag- & Nachtwechsel, sondern je nach Abschnitt fest vorgeschriebene Licht- und Wetterverhältnisse. Die sorgen hier und da bereits für angenehme Waldstimmungen, aber liegen eine Klasse unter der Pracht eines Oblivion. Wer sich näher an Böden, Hügel & Co begibt, wird zudem viel Schwammiges statt Profiliertes entdecken: Die scharfen Konturen von Felsen wird man vergeblich suchen. Außerdem enttäuscht die Kulisse auf technischer Seite noch mit vielen Pop-Ups sowie ausgerollten Texturen in der mittleren Distanz - das Gras läuft quasi mit.
      
 

AUSBLICK



Ich freue mich, dass wieder ein echtes Party-Rollenspiel entwickelt wird. Und ich freue mich, dass wieder rundenbasierte Kämpfe statt Kloppmist im Vordergrund stehen sollen. Das Konzept ist lobenswert, die Richtung stimmt. Aber das, was ich bisher spielen konnte, hat mich trotz üppiger Talente und großer Charakterauswahl nicht begeistert. Dass die Nebula Engine technische Defizite zeigt und mit Pop-Ups sowie faden Texturen zu kämpfen hat, dass es weder eine Open World noch Tag- & Nachtwechsel gibt, kann man angesichts der gut eingefangenen Atmosphäre verschmerzen: Dank authentischer Architektur und idyllischer Landschaft wird Aventurien hier durchaus lebendig. Fans wird es zudem freuen, dass viele Figuren und Schauplätze der Pen&Paper-Vorlage 1:1 virtualisiert wurden. Aber dafür, dass Radon Labs betont, dass man echtes Rollenspiel anbieten will, fehlen mir in der Spielwelt noch Spannung, Erkundungsreize und Konsequenzen. Warum muss man 08/15-Quests der Marke "Ich habe ein Wolfsproblem" anbieten? Warum wird jeder Questort à la World of WarCraft gleich auf der Karte angezeigt? Warum ist die Party-Interaktion so schwachbrüstig? Warum sorgen weder das Zücken von Waffen noch Taschendiebstahl für Reaktionen? Warum gibt es weder Stadtwachen noch ein Moralsystem? Die Spielwelt ist noch viel zu passiv! In den ersten beiden Stunden gab es keinen einzigen packenden Moment, sondern eine Abklapperroutine, die fast an den Trott gewöhnlicher Online-Rollenspiele erinnerte. Und man muss in Sachen Humor und Questkultur aufpassen, dass man nicht im Fantasykitsch mit Klischeesoße versinkt. Ich mag das edle Flair der Charaktermenüs, ich mag die Konsequenz der Statistiken und vor allem die ansehnlichen Schlag- und Blockbewegungen, aber ich fühle mich als erwachsener Rollenspieler teilweise wie in einer Harry Potter-Welt. Täuscht der Einstieg? Bin ich zu alt, zu anspruchsvoll für Drakensang? Wie auch immer: Dieses Spiel lässt dafür, dass es im Juli erscheinen soll, noch viele verdammt wichtige Fragen offen. Noch habe ich lediglich einen Bruchteil gesehen und ich lasse mich gerne positiv überraschen. Aber ich würde derzeit sogar eine Verschiebung empfehlen, um das in seinem Ansatz lobenswerte Abenteuer noch qualitativ stark auszubauen.


Ersteindruck: befriedigend
Drakensang ab 13,66€ bei kaufen
Drakensang ab 13,66€ bei kaufen

Kommentare

Thjan schrieb am
Hmm...
Also mir sind in der Demo schon ein paar Schnitzer aufgefallen. Der eine oder andere NSC bleibt gerne mal an einem Objekt hängen (z.B. der Jäger an seiner Werkbank), getötete Gegner versinken am Hang im Boden (ist aber vernachlässigbar) und Sprachausgabe + Armbewegungen... Naja ;)
Was mich aber wirklich stört ist die absolut bescheidene Kameraführung. Ist die in der Vollversion genauso schlecht? Das man nicht stufenlos zoomen kann empfinde ich auch als störend, auf der niedrigensten Einstellung ist mir die Kamera zu nah, auf der nächsthöheren schon wieder zu weit weg.
Die Grafik ist okay, ist halt zweckmäßig. Die Welt könnte ein wenig lebendiger sein, grad der (niedrig aufgelöste) Boden wirkt irgendwie steril.
Aber warum gibt es keine Kantenglättung? Oder ist das wieder nur in der Demo so?
Atmosphärisch ist Drakensang schon toll, aber die miese Kamerasteuerung hält mich vom Kauf ab. :(
BTC schrieb am
hoffentlich kommt bald der test.
Guwie schrieb am
hab grad den GS-Artikel gelesen und das Video dazu gesehen.
Also grafisch sieht das Spiel echt gut aus. Läuft anscheinend auch auf älteren Rechnern. Sehr schön.
Soundtechnisch ist wohl gerade die gute Synchronisation der Quest-Dialoge zu nennen. Allerdings ist es eine Mischung. Die ersten Sätze sind wohl oft vertont, alles weitere muss man lesen. Damit kann ich gut leben. Das war in Baldurs Gate ja auch nicht anders. Außerdem lese ich schneller als die Sprecher sprechen können. Außerdem sollen die Synchronsprecher die Situation in den Dialogen gut rüberbringen (also keine Sprecher, die in ihrer Sprecherkabine keine Ahnung haben, wie der Text intoniert werden muss). Das ist mal was!
Kampfsystem ist wohl auch gelungen - naja, DSA ist halt sehr gut.
Questvielfalt ebenfalls.
Bugs: Heiko Klinge, der das Spiel durchgespielt hat, erwähnte nur einen nicht reproduzierbaren Absturz. Wow. Da hatte ich aufgrund des deutschen Entwicklers die größte Sorge.
Fazit GS: super Spiel. Komfortfunktionen fehlen leider. Hier hilft sicher ein Patch. Ich denke, dass RadeonLabs da noch einiges nachliefert. Ist immerhin deren "Baby" (also erstes großes Spiel).
Ich bin positiv überrascht und werde das Spiel nach Veröffentlichung der ersten Patches zocken. Bis dahin vergnüge ich mich mit Baldurs Gate I (inkl. Tutu und zig Mods) :-)
Nerix schrieb am
BranTseMallory hat geschrieben:Moin!
Die ersten recht soliden Wertungen sind erschienen. Wann kann man denn hier mit nem Test rechnen?
Bin ja schon gespannt was Jörg und Kollegen von dem Spiel halten. Bis jetzt haben sie immer meinen Geschmack getroffen.
Hast Du ein paar Links? Danke
schrieb am