A New Beginning14.01.2010, Jan Wöbbeking
A New Beginning

Vorschau:

Klimaschützer haben es nicht leicht - vor allem nicht im Jahre 2500. Statt sich in Kopenhagen den Mund fusselig zu reden, haben die Protagonisten aus Daedalics Adventure "A New Beginning (ab 0,85€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)" mit viel handfesteren Problemen zu kämpfen: Großstädte gleichen Trümmerwüsten und selbst der Eiffelturm verschwindet komplett in einer riesigen Windhose. Sogar wenn Windstille herrscht, muss das nicht bedeuten, dass keine Gefahr für Leib und Leben besteht- ohne Maske sollte man den Chemiecocktail in der Atemluft jedenfalls nicht inhalieren.

Fünf nach zwölf

Alles in allem herrscht auf der Erde also eine zünftige Bilderbuch-Apocalypse voller Smog und rauchender Trümmer. Diesmal sind zur Abwechslung weder Maschinen noch Außerirdische Schuld an der Misere, sondern wir Menschen selbst. Die einzige Chance, die Katastrophe noch abzuwenden, liegt in der Vergangenheit. Damals hatte ein raffgieriger Industrieboss die falsche Entscheidung getroffen und eine wichtige Technik in der Schublade verschwinden lassen. Was also tun? Zurück in die Vergangenheit! Protagonistin Fay ist das wichtigste Mitglied des Rettungsteams aus der Zukunft. Eigentlich sollte sie die Mannschaft nur als Funkerin unterstützen, doch nachdem etwas schief geht und die anderen Zeitkapseln havarieren, müssen sie und die überlebenden Mitglieder improvisieren.

Die Geschichte um die sympathische, aber zu Beginn noch leicht naive Hauptfigur wird im Stil einer Graphic Novel, also in leicht animierten Comic-Bildern erzählt. Die Szenen werden ähnlich wie in XIII stilvoll ineinandergeblendet, bis sich eine der rund 80 Comic-Seiten auf dem Bildschirm zusammengesetzt hat. Da die Zwischensequenzen diesmal direkt bei Daedalic entstehen, fügen sie sich harmonischer ins Spielgeschehen ein als die in Auftrag gegebenen Renderfilmchen in The Whispered World. Sobald der Spieler die Kontrolle bekommt, marschiert Fay im klassischen Point'n'Klick-Stil durch diverse Zeitepochen.

Ein Zyniker als letzte Hoffnung

Der erste Auftrag lautet, Bent von der Wichtigkeit der Mission zu überzeugen. Der kauzige Wissenschaftler lebt als zurückgezogener Eremit an einem norwegischen Fjord, nachdem seinem ambitionierten Froschungsprojekt zur Energiegewinnung die Mittel entzogen wurden. Um sein Vertrauen zu gewinnen, muss Fay zunächst einmal ihr technisches Geschick unter Beweis stellen und eine seiner Maschinen reparieren. Klicke ich auf eine der Spulen am Gerät, erscheint ein kreisförmiges Menü auf dem Bildschirm, welches je nach Kontext andere Auswahlmöglichkeiten bietet: 

Zyniker Bent hatte einst große Pläne, lebt nun aber zurückgezogen in der norwegischen Natur.
Eine Klappe lässt sich ansehen, untersuchen und öffnen, eine Person ansprechen, usw. Ich schnappe mir also einen Schlauch aus der Umgebung und stecke ihn in das dezent am unteren Bildrand eingeblendete Inventar.

Zurück an der Maschine setze ich ihn als improvisierten Keilriemen ein. Kurze Zeit später rattert das Mechanik-Monstrum los und spritzt eine grüne Giftwolke auf die Bäume in der Umgebung. Wie sich herausstellt, tötet die altertümlich anmutende Apparatur nicht nur mutiertes Ungeziefer: Ein paar Sekunden später plumpst auch das vor kurzem noch idyllisch vor sich hin trällernde Vögelchen vom Baum. In anderen Rätseln muss Fay sich z.B. mit diversen Fundstücken durch zertrümmerte Gebäude arbeiten. Ab und zu gibt es auch eine Mechanik-Aufgabe in der Nahaufname zu lösen: Nachdem ich die Batterie meines defekten Zeitfunkgeräts mit einem portablen Reaktor aufgeladen habe, gilt es, die daran gestöpselte Antenne auszurichten. Dazu verbinde ich einige Stangen und setze diverse Quadrate zu einem symmetrischen Muster zusammen.

Keine bekloppten Experimente

Wildes Herumprobieren wie in Edna bricht aus ist nicht vorgesehen. Dadurch wollen die Entwickler einerseits an unnötigen Texten sparen, andererseits passt es es nicht zur bedrückenden Stimmung des storylastigen Abenteuers, wenn Fay zunächst einmal alles in Bents Haus mit Ketchup vollschmiert oder sich mit Gegenständen unterhält. Auch die bislang noch nicht synchronisierten Dialoge wirken um einiges ernsthafter als in Edna bricht aus, The Whispered World oder 1 1/2 Ritter .

Zwischendurch gibt es rund 80 Seiten animierte Comics zu sehen.
Einige zynische Sprüche gibt es vom grummeligen Bent natürlich trotzdem zu hören. A New Beginning wurde zwar vor drei Jahren von Jan "Poki" Müller-Michaelis konzipiert, doch da er seine Energie mittlerweile voll in den Titel Deponia steckt, stammt nur ein Teil der Texte aus seiner Feder. Der Großteil der Dialoge wird von seinem Kollegen Kevin Mentz geschrieben. Hat man den Wissenschaftler Bent trotz penetranter Anrufe seiner Psychotherapeutin überzeugt, sich an der Mission zu beteiligen, avanciert auch er zur spielbaren Figur.

Ein weiterer wichtiger Charakter ist Salvador: Als einer der wenigen überlebenden Zeitreisenden geht er die Weltrettung rabiater an als seine Kollegin. Während Fay und Bent wichtige Köpfe auf einer Klimakonferenz mit Worten überzeugen wollen, geht er auch über Leichen. Die Reise mit der Zeitkapsel führt den Spieler unter anderem nach Oslo, ins zertrümmerte San Francisco sowie in eine große Forschungsstation auf dem Meer, auf der man jede Menge Räume erforschen darf. Es gibt aber auch sehr kleine Kapitel mit nur drei Hintergründen. Insgesamt soll der Umfang von The Whispered World aber noch ein ganzes Stück übertroffen werden. Die Engine hinter beiden Spielen ist übrigens die gleiche - allerdings werden diesmal endlich Breitbildmonitore unterstützt. Da die Entwicklung von A New Beginning bereits vor drei Jahren startete, sind die Zeichnungen aber trotzdem noch für das 4:3-Format konzipiert. Besitzer von Breitbild-Monitoren müssen also am rechten und linken Rand mit Balken leben, welche mit Menüs und Ziergrafiken aufgefüllt werden.

   

Ausblick

Die Zukunft nimmt langsam Form an: A New Beginning wurde vor drei Jahren als Daedalics erstes Projekt gestartet, lag lange auf Eis und wurde dementsprechend mehrmals überarbeitet. Umso erfreulicher ist es, dass die gezeichneten Kulissen und die animierten Comics jetzt endlich ein stimmiges Gesamtbild formen. Das Abenteuer der zeitreisenden Weltretter konzentriert sich noch stärker auf die Story als Edna bricht aus oder The Whispered World, in denen man in großen Abschnitten auf Entdeckungsreise ging. Durch mehr Kapitel und kleinere Gebiete wirkt der Ablauf deutlich straffer. Die Erzählweise mit ihren zahlreichen Rückblenden und Zeitsprüngen hinterließ bei unserem Probespiel einen interessanten Eindruck - vor allem, da man die Charaktere und ihre Motive offenbar erst nach und nach richtig kennenlernt. Die Moralkeule lassen die Entwickler zum Glück stecken, stattdessen gibt es einen überspitzten Ausblick auf eine durch Katastrophen zerrüttete Zukunft. Bleibt zu hoffen, dass genügend Rätsel-Hinweise in die Dialoge einfließen - auf ein Hilfesystem verzichten die Entwickler nämlich komplett. Die ersten Kopfnüsse, durch die wir uns knobeln durften, wirkten logisch und einsteigerfreundlich. An der mitunter etwas hakeligen Steuerung sollte bis zum Release allerdings noch gefeilt werden. Falls Daedalic den Zeitplan einhält, dürfen sich Weltenretter in der zweiten Jahreshälfte in die postapokalyptische Zukunft rätseln.

Ersteindruck: gut

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