Test: The Age of Decadence (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



The Age of Decadence (Rollenspiel) von Iron Tower Studios
Low-Fantasy in der Spätantike
Entwickler:
Publisher: Iron Tower Studios
Release:
14.10.2015
Erhältlich: Digital (Steam, GOG)
Spielinfo Bilder Videos
Keine Lust auf Elfen, Zwerge und Melfs Säurepfeil? Ihr wollt mal etwas andere Fantasy erleben, historisch inspiriert und erzählerisch reifer? Dann könnte The Age of Decadence interessant sein. Es entführt euch in eine alternative spätantik anmutende Welt, die an das gefallene Römische Reich erinnert. Und hier könnt ihr Charaktere so unterschiedlich spielen wie in kaum einem anderen Rollenspiel. Warum die Iron Tower Studios nach zehn Jahren ein besonderes Abenteuer erschaffen haben, klärt der Test.

Ein Rollenspiel, zig Erlebnisse

Was ich mit dem Assassinen erlebte, war heimlich, blutig und sehr gefährlich. Wenn ich bei einem Auftrag in Unterzahl geriet, musste ich bis zum letzten Dolchstoß der rundenbasierten Gefechte zittern. Ich benötigte im Kampf viel Glück und musste mich in der Machtpolitik der Gilden vor voreiligen Schlüssen hüten. Was ich mit dem "Drifter" erlebte, diesem unabhängigen Freigeist jenseits der politischen Fraktionen, war etwas ganz anderes: Mit Straßenwissen, Verkleidungen & Co konnte ich bestehen. Was ihr mit dem Händler erlebt? Probiert es aus! In der Charaktererstellung hat man eine große Auswahl vom Söldner über den Praetor bis hin zum Dieb und kann Punkte auf zig kriegerische oder zivile Fähigkeiten verteilen. In den Gesprächen und den damit verknüpften Quests wirken sich nicht nur die geistigen Hauptattribute Wahrnehmung, Intelligenz und Charisma, sondern auch die zwölf zivilen Fähigkeiten wie Schleichen, Stehlen, Verkleidung, Geschichte, Überzeugung etc. aus – hier spürt man wirklich jeden Aufstieg von „Unskilled“ auf Level 1 über „Proficient“ auf Level 5 bis zur Meisterschaft.

In der Charaktererschaffung habt ihr die Qual der Wahl zwischen vielen Berufen wie Dieb, Händler, Söldner oder Drifter und könnt Punkte auf kriegerische sowie zivile Fähigkeiten verteilen.
In der Charaktererschaffung habt ihr die Qual der Wahl zwischen vielen Berufen wie Dieb, Händler, Söldner oder Drifter und könnt Punkte auf kriegerische sowie zivile Fähigkeiten verteilen.
Das Besondere an The Age of Decadence ist, dass es auch andere Rollen abseits der klassischen Kämpfer glaubwürdig, ernsthaft und vor allem effizient spielbar integriert - denn man hat genug Gelegenheiten, um scheinbar überflüssige Werte wie die Verkleidung oder Etikette sinnvoll einzusetzen. Das heißt, dass man hier tatsächlich mit dem Verstand und Charisma eines Händlers das komplette Abenteuer angehen kann. Oder man wählt den Loremaster und setzt auf sein historisches Wissen plus Rhetorik! Man kann das Spiel meistern, ohne einen wirklichen Kampf auszufechten. Aber selbst dann hat man immer noch das Gefühl, Teil einer gefährlichen Geschichte in einer interessant konzipierten und verdammt gnadenlosen Spielwelt zu sein.

Low-Fantasy in spätantik anmutender Welt

Man erkundet die spätantik anmutende Low-Fantasywelt aus isometrischer Perspektive.
Man erkundet die spätantik anmutende Low-Fantasywelt aus isometrischer Perspektive.Kommt es wie hier zum Kampf, geht es rundenbasiert zur Sache. Aber Vorsicht: Man beißt schnell ins Gras - vor allem in Unterzahl.
Die Iron Tower Studios inszenieren eine von Anarchie und Verfall geprägte Gesellschaft, die hinsichtlich Architektur und Mode an die Spätantike erinnert, als das Römische Reich schon zerfiel. Das ist historisch inspirierte Low-Fantasy, die statt Glanz und Magie, Pathos und Heldentum eher Dekadenz und Ernüchterung, Machtkämpfe und Ränkespiele thematisiert. Die Regie ist dabei nicht fixiert auf den eigenen Charakter als Heilsbringer: Man ist nicht der Held, um den sich alles dreht. Man wird teilweise wie ein Niemand behandelt, von Wachen angemault, eingeschüchtert, belogen, hintergangen und verraten – die Gespräche können noch gnadenloser sein als die Gefechte.

Wie habt ihr euch im ersten Kapitel verhalten? Welche Konsequenzen hat euer Handeln? Die NSC haben eigene Ziele.
Wie habt ihr euch im ersten Kapitel verhalten? Welche Konsequenzen hat euer Handeln? Vorsicht: Die NSC haben eigene politische Ziele.
Es gibt nicht  nur einen, sondern satte sechs Bereiche für den eigenen Ruf: Die Zahl der Tötungen und der Kämpfe, die Loyalität gegenüber Auftraggebern, die eher friedlichen Lösungswege, das Prestige sowie das Ehrenwort gehören dazu. Wer einen einmal angenommenen Mordauftrag nicht ausführt, verliert z.B. an Loyalität.

Abseits von dem persönlichen Verhältnis zu anderen Fraktionen hat man auch das angenehme Gefühl, dass sich die lokale Geschichte und die Story dynamisch entwickeln – kaum kehrt man von der ersten großen Reise nach Ganezzar zurück nach Teron, gibt es dort ein neues Kräfteverhältnis und die eigene Gilde der Assassine ist scheinbar geschlossen. Die Story ist allgemein gut konstruiert, man wird schnell neugierig gemacht: Zu Beginn geht es zwar lediglich um eine mysteriöse Karte, die man Lord Antidas zeigen soll, aber schon damit öffnen sich mehrere Möglichkeiten, denn man kann sehr subtil, sehr direkt oder über Aufträge zu ihm gelangen - dann müsste man noch das Banditenlager sowie die Mine erkunden und sich um Schmuggelware kümmern.

Kommentare

L'amore finisce mai schrieb am
Das Spiel stürzt bei mir regelmäßig ab.
Weiß nicht, ob das am neuen Grafikkartentreiber liegt, aber irgendwie ist das etwas/recht nervig.
Ansonsten bin ich begeistern.
Es gibt am Anfang ziemlich oft Situationen, in denen manche Entscheidungen den sicheren Tod bedeuten.
Meine Figur ist nun doch eher aufs Kämpfen ausgelegt, aber das hilft auch nicht sehr.
Allerdings lässt sich bei Kämpfen, die außerhalb von Gebäuden sind, das Gelände sinnvoll nutzen.
Der erste Kampf war ein 1 gegen 4 und war dennoch nach wenigen Anläufen zu bewältigen.
Im Bezug auf die Loyalität zu den Fraktionen habe ich mich bisher wohl ungünstig entschieden.
Keiner Mag mich. :D
Ivan1914 schrieb am
Man merkt einmal wieder, dass wir in etwa auf der gleichen Wellenlänge funken.
Stimme Deinem Beitrag zu 100% zu und erlebte es genauso.
Zwar kein GotY-Material, aber eines der besten Rollenspiele(!) die ich in der letzten Dekade erleben durfte.
Brakiri schrieb am
Also ich bin jetzt durch und muss sagen, dass AoD ein wirklich gutes Rollenspiel ist. Man kann nicht alles amchen und scheitert an manchen Dingen dann auch kläglich, wie im "richtigen" Leben. Durch die vielen Seiten und Motivationen kann man viele verschiedene Stränge und Missionen erleben und man muss immer auf der Hut sein, denn alle Leute haben eigene Motive und wollen einen benutzen.
Das SPiel ist richtig hart und viele Dinge die man probiert können auch schon mal im tod enden.
Sei es Kämpfe die man nicht gewinnen kann, Entscheidungen die tödliche Konsequenzen haben usw.
Daher: Oft speichern! ;)
Zu einer sehr spannenden Hintergrundgeschichte über die man sehr viel lernen kann über interessante Leute und tolle Dialoge folgt man einer verwinkelten Geschichte die man mit den eigenen Entscheidungen teilweise erheblich verändern kann.
Trotz des Hinweises am Anfang, dass Kämpfe nicht der Königsweg sind, macht der Kampf einfach viel zuviel Spass um nicht einen doch kämpferisch versierten Charakter spielen zu wollen. Mit dem sinnvollen Crafting mit dem man bessere Waffen und Rüstungen herstellen kann, als man kaufen kann über die Alchemie die so notwendige Dinge wie Heilsalbe aber auch Bomben für den Kampf herstellen kann, hat man dem eher Crafting-orientierten Spieler zwei gut funktionierende und sinnvolle Systeme an die Hand gegeben, in denen man seine Skillpunkte vesenken kann.
Alles in allem ein gnadenloses aber tolles Rollenspiel, das bis auf die wirklich miese Grafik und ein wenig fehlendes Questreihen-Polish alles zu bieten aht, was ein RPG bietten sollte.
Todesglubsch schrieb am
Stichwort Ammenmärchen:
Dass die Dialoge mit Einführung der Sprachausgabe mitunter zusammengestrichen werden, halte ich übrigens für glaubhaft. Ob das was schlechtes ist, kommt aber auf den jeweiligen Entwickler an. Machen wir uns nichts vor: Bei vielen dialoglastigen Spielen wird viel "rumgeschwallt". Es gibt viel Text, der keinerlei Relevanz hat außer, dass es nach mehr Text aussieht. Auch geht viel für "Flavor Text" drauf, also Text, der die Umgebung und die Handlungen der Charaktere beschreibt, weil die uralt-Engine das nicht rüberbringen kann. Ein Spiel, das genug Budget für vollständige Sprachausgabe verfügt, ist aber meist in der Lage nicht schreiben zu müssen "In der Ecke steht ne Kiste", sondern da auch tatsächlich eine Kiste ohne weitere Erklärung zu platzieren.
Desweiteren: Es gab auch von 4P schon oftmals Abwertungen, wenn Spieldialoge (mit Sprachausgabe) langweilig sind. Bei reinen Textspielen gibt's das seltsamerweise wieder nicht. Weil man darf sowas hochwertiges wie textlastige Spiele ja nicht abwerten. Vielleicht nimmt man das auch anders auf, wer weiß das schon...
Aryko schrieb am
Eines der besten Rollenspiele die ich kenne . Bin seit 13 Stunden am spielen und komme zu nichts mehr .
Habe jetzt nochmal mit einem anderen Char angefangen , nachdem ich mir ein paar Guides angeschaut hab . Ich war etwas von dem Schwirigkeitsgrad überfordert . Aber gerade dieser macht das Spiel höchst interessant für mich . Die Grafik ist ziemlich altbacken , was mich ned stört , dafür stimmt der Rest . Ich könnte noch Stunden lang schwärmen , aber mein neuer Charakter wartet . :wink:
Der link ist von einem der Devs und zeigt ein playthrough der ersten Stadt im Spiel :
https://www.youtube.com/watch?v=S3pUGwzCWW4
schrieb am