Ein Rollenspiel, zig Erlebnisse
Was ich mit dem Assassinen erlebte, war heimlich, blutig und sehr gefährlich. Wenn ich bei einem Auftrag in Unterzahl geriet, musste ich bis zum letzten Dolchstoß der rundenbasierten Gefechte zittern. Ich benötigte im Kampf viel Glück und musste mich in der Machtpolitik der Gilden vor voreiligen Schlüssen hüten. Was ich mit dem "Drifter" erlebte, diesem unabhängigen Freigeist jenseits der politischen Fraktionen, war etwas ganz anderes: Mit Straßenwissen, Verkleidungen & Co konnte ich bestehen. Was ihr mit dem Händler erlebt? Probiert es aus! In der Charaktererstellung hat man eine große Auswahl vom Söldner über den Praetor bis hin zum Dieb und kann Punkte auf zig kriegerische oder zivile Fähigkeiten verteilen. In den Gesprächen und den damit verknüpften Quests wirken sich nicht nur die geistigen Hauptattribute Wahrnehmung, Intelligenz und Charisma, sondern auch die zwölf zivilen Fähigkeiten wie Schleichen, Stehlen, Verkleidung, Geschichte, Überzeugung etc. aus – hier spürt man wirklich jeden Aufstieg von „Unskilled“ auf Level 1 über „Proficient“ auf Level 5 bis zur Meisterschaft.
In der Charaktererschaffung habt ihr die Qual der Wahl zwischen vielen Berufen wie Dieb, Händler, Söldner oder Drifter und könnt Punkte auf kriegerische sowie zivile Fähigkeiten verteilen.
Das Besondere an The Age of Decadence ist, dass es auch andere Rollen abseits der klassischen Kämpfer glaubwürdig, ernsthaft und vor allem effizient spielbar integriert - denn man hat genug Gelegenheiten, um scheinbar überflüssige Werte wie die Verkleidung oder Etikette sinnvoll einzusetzen. Das heißt, dass man hier tatsächlich mit dem Verstand und Charisma eines Händlers das komplette Abenteuer angehen kann. Oder man wählt den Loremaster und setzt auf sein historisches Wissen plus Rhetorik! Man kann das Spiel meistern, ohne einen wirklichen Kampf auszufechten. Aber selbst dann hat man immer noch das Gefühl, Teil einer gefährlichen Geschichte in einer interessant konzipierten und verdammt gnadenlosen Spielwelt zu sein.
Low-Fantasy in spätantik anmutender Welt
Man erkundet die spätantik anmutende Low-Fantasywelt aus isometrischer Perspektive.Kommt es wie hier zum Kampf, geht es rundenbasiert zur Sache. Aber Vorsicht: Man beißt schnell ins Gras - vor allem in Unterzahl.
Die Iron Tower Studios inszenieren eine von Anarchie und Verfall geprägte Gesellschaft, die hinsichtlich Architektur und Mode an die Spätantike erinnert, als das Römische Reich schon zerfiel. Das ist historisch inspirierte Low-Fantasy, die statt Glanz und Magie, Pathos und Heldentum eher Dekadenz und Ernüchterung, Machtkämpfe und Ränkespiele thematisiert. Die Regie ist dabei nicht fixiert auf den eigenen Charakter als Heilsbringer: Man ist nicht der Held, um den sich alles dreht. Man wird teilweise wie ein Niemand behandelt, von Wachen angemault, eingeschüchtert, belogen, hintergangen und verraten – die Gespräche können noch gnadenloser sein als die Gefechte.
Wie habt ihr euch im ersten Kapitel verhalten? Welche Konsequenzen hat euer Handeln? Vorsicht: Die NSC haben eigene politische Ziele.
Es gibt nicht nur einen, sondern satte sechs Bereiche für den eigenen Ruf: Die Zahl der Tötungen und der Kämpfe, die Loyalität gegenüber Auftraggebern, die eher friedlichen Lösungswege, das Prestige sowie das Ehrenwort gehören dazu. Wer einen einmal angenommenen Mordauftrag nicht ausführt, verliert z.B. an Loyalität.
Abseits von dem persönlichen Verhältnis zu anderen Fraktionen hat man auch das angenehme Gefühl, dass sich die lokale Geschichte und die Story dynamisch entwickeln – kaum kehrt man von der ersten großen Reise nach Ganezzar zurück nach Teron, gibt es dort ein neues Kräfteverhältnis und die eigene Gilde der Assassine ist scheinbar geschlossen. Die Story ist allgemein gut konstruiert, man wird schnell neugierig gemacht: Zu Beginn geht es zwar lediglich um eine mysteriöse Karte, die man Lord Antidas zeigen soll, aber schon damit öffnen sich mehrere Möglichkeiten, denn man kann sehr subtil, sehr direkt oder über Aufträge zu ihm gelangen - dann müsste man noch das Banditenlager sowie die Mine erkunden und sich um Schmuggelware kümmern.