Day of the Tentacle24.03.2016, Michael Krosta

Im Test: Ein Meisterwerk im neuen Glanz

Man stelle sich vor, LucasArts, Tim Schafer und Dr. Fred hätten 1993 ein Exemplar von Day of the Tentacle in einem Chron-O-John etwa 23 Jahre in die Zukunft gespült und auf wundersame Weise wäre der Programmcode während dieser Zeitreise stilgerecht für die Zukunft modernisiert worden. Müsste dann im Jahr 2016 nicht ein grandioses Adventure rauskommen, das sich nicht nur fantastisch spielt, sondern auch noch toll aussieht? So ist es! Denn Double Fine hat dieses Kunststück sogar ohne Temporal-Tricks geschafft...

Der beste Tag des Abenteurers

Ach, bringen wir es doch gleich auf den Punkt: Day of the Tentacle ist eines der besten Adventures aller Zeiten! Das gilt für das Original genauso wie für diese traumhafte Neuauflage. Die Story rund um Zeitreisen und machtbesessene Tentakel ist herrlich verrückt und die Dialoge versprühen immer noch den typischen Schafer-Humor – wer hier nicht zumindest ein bisschen schmunzeln muss, ist innerlich tot. Vor allem aber muss man sich immer und immer wieder vor den Designern verneigen, weil sie es irgendwie geschafft haben, selbst für die beklopptesten Rätsel erschreckend logische Lösungswege zu präsentieren. Diese Erkenntnis ist fast sogar ein bisschen gruselig, wenn man realisiert, dass all der Blödsinn, den man mit Bernard, Hoagie und Laverne in Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart anstellen muss, tatsächlich jedes Mal Sinn ergibt... Aber genug davon. Alle, die mehr über den Inhalt und den Charme dieses Kult-Abenteuers erfahren möchten, verweise ich an dieser Stelle an Pauls herzliche Liebeserklärung an den Klassiker. Ich konzentriere mich stattdessen darauf, wie Double Fine die Modernisierung gelungen ist und was abseits der visuellen Verbesserungen geboten wird...

Gelungene Modernisierung

Mit einem Brief per Hamster-Express startet das Abenteuer "Rettung der Welt", das sich über 400 Jahre erstreckt.
Letztere springen selbstverständlich sofort ins Auge: Ich hätte mir damals wohl nie träumen lassen, das schicke Intro am PC einmal mit einem derart flüssigen Scrolling, der hohen Auflösung und in einem 16:9-Breitbildformat genießen zu dürfen. Und auch das restliche Spiel profitiert von der grafischen Frischzellenkur, die ihm zwar einen modernen Anstrich verpasst, dabei aber dennoch den Stil und Charme des Originals bewahrt. Das wird spätestens dann klar, wenn man auf Tastendruck zwischen der verpixelten Original-Grafik und der modernen Variante umschaltet. Angesichts der stilistisch diskussionswürdigen Anpassungen bei der Neuauflage von The Secret of Monkey Island kann ich gar nicht stark genug betonen, wie erleichtert ich darüber bin, dass die Jungs und Mädels bei Double Fine hier genau das richtige Maß dafür gefunden haben, Figuren und Kulissen zwar auf die Höhe der Zeit zu hieven, gleichzeitig aber den Geist der Vergangenheit zu bewahren.

Hoagie hängt in der Gründerzeit fest und hilft bei der Suche nach einem Design für die Flagge der Vereinigten Staaten.
Das gilt auch für den Audiobereich, bei dem man den MIDI-Wurzeln des interaktiven iMuse-Soundtracks genauso treu geblieben ist wie den mitunter witzigen Soundeffekten und der Sprachausgabe. Neben den englischen Sprechern bietet man sogar die deutsche Original-Tonspur von damals an, doch fallen dabei zwei Dinge auf: Zum einen wird klar, dass man damals eher Amateure vor die Mikrofone zerrte, denn die CD-ROM-Version von DOTT zählte damals zu den Pionieren, wenn es um die Komplett-Vertonung mit Sprachausgabe ging. Entsprechend wirkt heutzutage die Leistung der Sprecher eher schwach, obwohl ich der deutschen Stimme von Dr. Fred tatsächlich immer noch etwas mehr abgewinnen kann als dem Original. Zum anderen hört man den Aufnahmen ihr Alter an, denn im Gegensatz zur englischen Tonspur hat man es beim deutschen Pendant nicht geschafft, das Hintergrundrauschen zu eliminieren oder stärker abzuschwächen.

Informative Rückkehr ins Tollhaus

Darüber hinaus hat man der Neuauflage auch einen optionalen Entwickler-Kommentar beschert, in dem neben Tim Schafer u.a. auch Projektleiter Dave Grossman, Lead Artist Peter Chan sowie Komponisten rund um Clint Bajakian zu Wort kommen und interessante Anekdoten erzählen. So erfährt man z.B., dass die spektakuläre Intro-Fahrt damals von einem talentierten Praktikanten erschaffen wurde, die 32 Kilobyte (!) für MIDI-Spuren oft den Speicherrahmen sprengten und ursprünglich drei weitere Charaktere geplant waren, darunter auch der aus Maniac Mansion bekannte Musiker Syd. Apropos: Der Klassiker von Ron Gilbert ist auch im Remaster wieder enthalten, wenn man im Zimmer von Ed Edison den Computer benutzt – leider ohne Modernisierung und nur im englischen Original ohne deutsche Texte. Trotzdem ist Maniac Mansion als inhaltlicher Vorgänger zu DOTT immer noch ein großartiger Klassiker, der trotz betagter Präsentation auch heute eine Menge Spaß macht.

Nimm Plastikkotze, rede mit Pferd

Nicht ganz so stylisch wie ein DeLorean, aber auch die Zeitmaschine von Dr. Fred Edison erfüllt ihren Zweck - mit leichten Abstrichen.
Nicht nur der Grafik, auch der Steuerung hat man einen neuen Anstrich verpasst: Möchte man auf die klassischen Verben und das Bildchen-Inventar im unteren Drittel verzichten und den verrückten Knobeltrip lieber im Vollbild erleben, kann man auf eine alternative Steuerungsmethode zurückgreifen. Dabei bekommt man eine kontextsensitive Auswahl an kleinen Piktogrammen rund um den Cursor, sobald man sie an entsprechenden Objekten per Knopfdruck öffnet. Das Inventar ist dabei auf einem separaten Bildschirm untergebracht.

Mit etwas Ein- bzw. Umgewöhnung funktioniert die neue Methode ganz gut und geht vor allem mit dem Controller besser zur Hand. Trotzdem bin ich froh, dass man auch mit der Kombination aus modernisierter Grafik und der altbewährten Verbenliste ans Werk gehen darf. Gerade mit der Maus spiele ich ganz gerne in diesem Oldschool-Stil. Bei der Vita-Umsetzung, die man dank Cross-Buy gleich zur PS4-Version dazu bekommt, besteht außerdem die Option, das Spiel komplett über den Touchscreen zu steuern, auch wenn die Iconauswahl bei der neuen Variante aufgrund des kleinen Bildschirms manchmal etwas fummelig sein kann und sich mit den Sticks sowie Knöpfen wesentlich besser bedienen lässt. Zudem lassen sich auch auf Sonys Handheld auf Wunsch die Verben für eine klassische Herangehensweise einblenden. Dank Cross-Save werden Spielstände von der PS4 und Vita übrigens automatisch über das PSN synchronisiert, wenn man unterwegs weiter zocken will und umgekehrt.

Fazit

Nennt es rosa-rote Brille, nennt es alte Adventure-Romantik, haltet mich für genauso verrückt wie die Edisons: Ich liebe Day of the Tentacle und halte es immer noch für eines der besten Adventures, die jemals erschienen sind! Schon damals war ich Feuer und Flamme für den inoffiziellen Nachfolger von Maniac Mansion – und das, obwohl mir LucasArts mit der Absage an eine Amiga-Umsetzung damals schwere seelische Qualen zugefügt hat. Aber ich war so heiß drauf, dass ich tatsächlich schon die Spielepackung von DOTT im Regal stehen hatte, bevor ich überhaupt einen entsprechenden PC mein Eigen nannte, der erst zwei Wochen später folgte. Umso glücklicher bin ich jetzt, dass Double Fine beim Remaster eine exzellente Arbeit geleistet und den Klassiker nicht nur an genau den richtigen Stellen modernisiert, sondern mit Extras wie Entwicklerkommentaren und alternativer Steuerung sogar noch aufgewertet hat. So hat das Meisterwerk von damals nichts von seinem unvergleichlichen Charme verloren und erteilt mit seinen grandiosen Rätseln, den schrulligen Charakteren und herrlichen Dialogen selbst modernen Adventureschmieden noch eine Lehrstunde.

Pro

herrlich abgedrehter Humor
stilgerechte grafische Modernisierung
durchgeknalltes und gleichzeitig fantastisches Rätseldesign
verschiedene Steuerungs- und Darstellungssoptionen
Maniac Mansion inklusive
großartige (und informative) Entwicklerkommentare
gelungene (englische) Sprachausgabe
interaktiver Soundtrack
optionale Touch-Steuerung (Vita)
Cross-Save-Funktion (PS4 / Vita)

Kontra

deutsche Tonspur etwas verrauscht
Maniac Mansion nur in englischer Version

Wertung

PC

Heute so genial wie damals: Day of the Tentacle unterstreicht in dieser hervorragenden Neuauflage dank des Humors, klasse Dialogen und fantastischer Rätsel seinen Kult-Status als eines der besten Adventures aller Zeiten!

PS_Vita

Heute so genial wie damals: Day of the Tentacle unterstreicht in dieser hervorragenden Neuauflage dank des Humors, klasse Dialogen und fantastischer Rätsel seinen Kult-Status als eines der besten Adventures aller Zeiten!

PlayStation4

Heute so genial wie damals: Day of the Tentacle unterstreicht in dieser hervorragenden Neuauflage dank des Humors, klasse Dialogen und fantastischer Rätsel seinen Kult-Status als eines der besten Adventures aller Zeiten!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.