Real Boxing07.08.2014, Mathias Oertel
Real Boxing

Im Test: K.O. in der ersten Runde

Boxspiele und der PC ist ein heikles Thema. Außer dem gut zehn Jahre alten Heavyweight Thunder sind die Kampfsport-Umsetzungen für den Rechenknecht größtenteils vergessenswürdig. Ganz anders auf Konsolen, wo von Punch-Out bis zur Fight-Night-Serie ansprechende Box-Unterhaltung geboten wird. Doch vielleicht kann das auf Steam vertriebene Real Boxing die Kohlen aus dem Feuer holen?

F(r)ight Night

Schaut man sich auf Konsolen um, gibt es zuhauf Spiele, die sich mit Boxsport beschäftigen. Punch-Out. Ready 2 Rumble Boxing. Mike Tyson Heavyweight Boxing. Rocky. Die Fight-Night-Serie, die zuletzt 2011 in Erscheinung trat. Auf dem PC hingegen ist Ebbe. Ab und an versucht ein Manager, die Kampfsportfans in den Ring zu locken, doch Titel, in denen man aktiv kämpft, sind Mangelware. Gute findet man darunter noch seltener. Spontan fällt mir nur das knapp zehn Jahre alte Heavyweight Thunder ein, das sich in vielerlei Hinsicht an Segas Ready 2 Rumble zu orientieren versuchte. Insofern hat das auf Steam erhältliche Real Boxing von Vivid Games gute Chancen, sich den einen oder anderen Fan zu sichern.

Die Möglichkeiten des Editors sind überschaubar.
Es fängt mit einem stimmungsvollen, gut geschnittenen sowie vertonten Renderfilmchen an, der den Rocky-Filmen oder EAs Kampfnächten den Fehdehandschuh mit voller Wucht ins Gesicht schmeißt. Danach wird es aber gedämpfter - schnell wird deutlich, dass die Qualität des Einstiegs von den eigentlichen Inhalten nicht aufrecht erhalten werden kann: In einem rudimentären Editor erstellt man einen Boxer, wobei man sich die Gewichtsklasse nicht aussuchen kann und schickt ihn durch drei Ligen mit je sieben Kontrahenten, bevor in einem Miniturnier der Klassenchamp ermittelt wird. Alternativ kann man auch einen schnellen Kampf wählen oder versuchen, online Kontrahenten zu finden, wobei die Suche über mehrere Tage hinweg viel Geduld erforderte. Hat man schließlich einen Gegner, sind die Duelle immerhin lagfrei. Zwischen den Kämpfen kann man in drei Trainings-Minispielen mit überschaubarem Unterhaltungsfaktor seine Werte verbessern, wobei man das Preisgeld auch investieren kann, um sich Fortschritts-Punkte direkt zu kaufen.

Unreal Boxing

Die Kämpfe lassen sich gut kontrollieren und sind mutunter wuchtig.
Hat man die stets identische, aber glücklicherweise jederzeit abbrechbare Kämpfervorstellung hinter sich gebracht, kann der Zweikampf losgehen. Dabei orientiert sich die Kontrolle der Figur bei Pad-Nutzung im Wesentlichen an den Standards, die seit Jahren von der Fight-Night-Serie praktiziert werden: Über den rechten Stick kann man Jabs, Hooks und Uppercuts setzen, während man mit den Schultertasten blockt bzw. ausweicht oder die Schläge auf den Körper zu bringen versucht. Als besondere Mechanik wird nach einem erfolgreichen Ausweichen eine Zeitlupe aktiviert, die einen gelungenen Konter markiert, insofern dieser ins Ziel geht. Und man kann kurz vor einem Niederschlag probieren, den Gegner zu klammern - daraufhin wird ein weiteres Tastenhämmer-Minispiel gestartet, das bei Erfolg die Lebensenergie massiv ausfüllt.

Nutzt man all diese Elemente, allen voran den Konter, hat man mit den meist stärkeren Kontrahenten wenig Probleme. Man muss sich zwar in Acht nehmen, dass sie dem Konter ihrerseits nicht ausweichen und einen verheerenden Schlag landen. Doch egal, in welcher Gruppe man kämpft, lassen sich die Gegner mit etwas Geduld dank einer vorhersehbaren und letztlich minderbemittelten KI mit einfachen Mitteln schlagen – sprich: Man kann sie vergleichsweise leicht mit dem Jab treffen, auf diesem Weg kontinuierlich schwächen und schließlich bei Kontern die harten Wirkungstreffer setzen. Das funktioniert beim ersten Gegner ebenso wie beim letzten. Einzig online muss man seine Strategie etwas anpassen, wobei auch dort die meisten darauf bauen, dass die wankelmütige Kollisionsabfrage aushilft, wenn es mal nicht so gut laufen sollte.

Breakdance im Ring

Die Animationen sind nicht immer sauber, zu häufig gibt es unrealistische Verrenkungen.
Dass man hier ebenso wie beim bereits auf mobilen Plattformen unter gleichem Namen erschienen Boxen auf Unreal-Technologie setzt, macht sich vor allem bei den ordentlich aussehenden Figuren bemerkbar. Die grundsätzlichen Animationen, die allerdings im Gegensatz zu z.B. Fight Night bar jeglicher Physikeinwirkung abgespult werden, gehen ebenfalls in Ordnung. Allerdings kommt es bei den Schlägen immer wieder zu Verrenkungen, die die Kämpfer eigentlich ins Krankenhaus bringen dürften: Arme verdrehen sich merkwürdig, Ellbogengelenke werden überdehnt. Hier wird der eigentlich ordentliche visuelle Eindruck auf ein unterirdisches Niveau zurückgestuft.

Die Kämpfervorstellungen bzw. Einmärsche und die Kommentare sind ebenfalls nicht dazu geeignet, mittelfristig Stimmung aufzubauen. Während Erstere vor allem dadurch auffallen, dass sie keinerlei Variationen bieten, sondern jedes Mal (selbst wenn es um den Titel geht) das gleiche Programm abspulen, wobei allerdings ab und an die Musik wechselt, haben die Kommentare ein ganz anderes Problem. Genauer gesagt, drei: Sie sind technisch schwach und erinnern an einen gestört empfangenen Radiosender. Sie wiederholen sich unheimlich schnell. Und sie kommen aus der absoluten Klischeekiste.

Fazit

Es bleibt dabei: Boxspiele und PCs harmonieren nicht miteinander. Zwar orientiert man sich bei der grundlegenden Steuerung an EAs Fight-Night-Serie, doch in jedem anderen Bereich muss man den Konsolen-Boxern den Vortritt lassen. Die Kollisionsabfrage ist ungenau, die Animationen mit ihren sich mitunter stark verrenkenden Gliedmaßen sind unrealistisch. Die KI reagiert so, als ob sie zu häufig mit dem Kopf auf den Ringboden geschlagen ist. Dazu gesellen sich eine schwache Präsentation sowie technisch und inhaltlich schwache Kommentare. Einzig die Kämpfermodelle, die Trainingsspielchen, von denen es allerdings zu wenig gibt, und der rudimentär motivierende Karrieremodus machen etwas her. Vor allem die spielerischen Defizite verwundern spätestens dann nicht mehr, wenn man bedenkt, dass auch Real Boxing zu der mittlerweile in Verruf geratenen Kategorie von Ex-Handy-Spielen gehört, die ihren Weg auf Rechenknechte finden. Und ganz ehrlich: Diesen Weg hätte man sich sparen können...

Pro

größtenteils gut reagierende Steuerung à la Fight Night
dank Unreal-Technologie passable Kämpfer-Modelle...
Training...
schniekes Intro
Trainingsfortschritt macht sich bemerkbar

Kontra

eingeschränkte Kampfmechanik
... mitunter unrealistische Animationen
... das allerdings nur aus drei Minispielen besteht
ungenaue Kollisionsabfrage
KI lässt sich mit Jabs übertölpeln
schwache, sich schnell wiederholende Kommentare
immer gleiche Kämpferpräsentation
nur eine Gewichtsklasse
rudimentärer Figureneditor

Wertung

PC

Ein weiteres abschreckendes Beispiel dafür, dass Boxspiele und der PC scheinbar nicht füreinander geschaffen sind. Hier passt fast gar nichts zusammen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.