Slain! Back from Hell31.03.2016, Mathias Oertel
Slain! Back from Hell

Im Test: Spieldesign vs. Artdesign

Auf Rogue-like folgt "Souls-like": Die Zahl an Spielen, die aus der Independent-Ecke kommen und sich mehr oder weniger deutlich bei Elementen aus Dark Souls bedienen, reißt nicht ab. Und Arcade-Action à la Castlevania kann man ohnehin nicht genug haben. Insofern kommt Slain von dem Entwickler-Quartett Wolf Brew gerade recht, das beides zu vermischen scheint. Im Test überprüfen wir, ob die Metzelorgie mehr zu bieten hat als nur ein düsteres Pixelartdesign.

Story? Nebensache!

Dass die ausgewählte Schriftart zwar gut zum Retrolook passt, aber anstrengend zu lesen und gelegentlich schwer zu entziffern ist, war irgendwann unwichtig. Die Story verlässt sich ohnehin weitgehend auf das von Castlevania eingeführte Schema: Held muss vom Tode auferstehen, um einen Boten der Finsternis ein für alle Mal in die Hölle zurückzuschicken. Das ist weder spannend noch innovativ, reicht aber hier vollkommen aus, um die Klinge in die Hand zu nehmen und in klassischer Manier meist von links nach rechts zu laufen, zu hüpfen und die Gegner in einer roten Pixelfontäne bzw. als Knochenhaufen zurückzulassen. Die Geschichte des auferstandenen Helden ist übrigens die einzige Parallele zu den Castlevanias.

In seinen besten Momenten bietet Slain nicht nur ein schickes Pixelkunst-Design, sondern auch ansprechende Arcade-Action alter Schule. Allerdings gibt es davon nur wenige...
Nach den veröffentlichten Videos hatte ich gehofft, dass Slain nicht nur eine sehr ansehnliche Pixelart-Kulisse oder einen hörenswerten Soundtrack vorweisen kann, der Heavy Metal mit anderen Stilrichtungen mixt. Sondern auch, dass mechanisch ein potentes Kampfsystem mit der Levelerforschung verbunden wird, die man von Konamis zweidimensionalen Dracula-Jagden kennt und die mit Symphony of the Night ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Und die Kulisse enttäuscht nicht. Auf den ersten Blick der übliche Retro-Pixelbrei, bemerkt man schnell die Details, die in das Design einflossen und die überaus harmonisch wirken. Angefangen von schicken Animationen, die allerdings auf Dauer bei den Gegnern abwechslungsreicher ausfallen könnten, über Partikeleffekte wie herabtropfendes Blut oder Funken, die vom Flammenschwert nach oben treiben, hinterlässt die Kulisse einen guten Eindruck. Mitunter sogar einen sehr guten, wenn zusätzlich zu den genannten visuellen Versatzstücken dynamische Lichteffekte die Umgebung aufwerten.

Wo ist die Dynamik?

Leider lässt das Spieldesign zu viele Wünsche offen, zumal sich selbst einige Bosse mit einem simplen Trick aushebeln lassen.
Bei der Musik beginnt der Lack allerdings schon abzublättern. Während die Kompositionen, die teils sehr harte Riffs mit orchestralen Klängen vermischen und dadurch bei mir leichte Assoziationen an Rammstein, Sabaton oder Circus Maximus wecken, prinzipiell gut zu dem martialischen Gemetzel passen, fehlt leider jegliche Dynamik. Es wird der jeweilige Track nur in eine Dauerschleife gepackt. Da man sich mitunter lange in einem Abschnitt aufhalten kann, hat man die Musik trotz aller Qualität irgendwann über. Schade, dass man sich gegen eine dynamische Untermalung entschieden hat. Noch bedauerlicher ist allerdings, dass die Standardabmischung die Soundeffekte fast komplett außen vor lässt. Die Musik überlagert schlichtweg alles. Da hilft nur ein Gang ins spartanische Menü, um manuell zu justieren. Wenn die Effekte lauter und damit ein besser integrierter Bestandteil der Akustik sind, wird einem zwar bewusst, dass ihnen letztlich die Wucht fehlt, die von den Schwerthieben auf dem Bildschirm ausgeht. Doch das Klangbild ist unter dem Strich einfach harmonischer.

Doch nicht nur der Musikuntermalung mangelt es an Dynamik. Auch die Auseinandersetzungen spielen sich auf Dauer nicht so abwechslungsreich, wie man es von Symphony of the Night kennt - obwohl man sich ähnliche Mechaniken bedient: Man kann mit seinem Schwert den Raum vor sich mit einer Standardkombo beharken, bei Bedarf einen Ausfallschritt nach hinten machen, um gegnerischen Nahkampfangriffen zu entgehen oder durch Hocken eine Art Schild aktivieren. Abgesehen davon, dass man zwar im zu knappen Tutorial darauf aufmerksam gemacht wird, dass man gegnerische Projektile blocken kann, aber keinerlei Hinweis darauf bekommt, wie man es macht und so letztlich nur per Zufall diese entscheidende Mechanik entdeckt, versteckt sich dahinter ein massiver Exploit. Denn 95 Prozent der Standardgegner lassen sich durch den simplen Schwerthieb aus der Hocke heraus besiegen - zumal er sie auch ein Stück zurückwirft und sie so nur im Ausnahmefall eine Möglichkeit haben, einen Nahkampfangriff anzubringen. Das ist zwar eine mehr als nützliche Überlebenshilfe, wenn man gleichzeitig aus der Distanz attackiert wird. Doch macht dies auch eine große Lücke im Spieldesign deutlich, die zu Lasten der Spannung und der Kampfdynamik geht. Denn wenn man mit diesem simplen Standardangriff überleben und sogar Bosse (!) besiegen kann, wieso sollte man auf den Elementwechsel z.B. zum Feuerschwert oder zur Eisaxt zurückgreifen, der einem neue Kombooptionen eröffnet?

Kein Castleroid oder Metroidvania

Slain bietet Hüpfpassagen und Monsterkämpfe alter Schule. Doch von der Klasse eines Castlevania ist man weit entfernt.
Natürlich: Die Hexen z.B. sind gegen Feuer anfällig und benötigen mit der Flammenwaffe weniger Treffer als mit der Standardklinge. Doch die zusätzliche Zeit und auftauchende Monotonie sind mir angesichts der knapp gesetzten Kontrollpunkte, an die man beim Ableben zurückversetzt wird, lieber als das unverhoffte Sterben. Denn den Kämpfen mangelt es nicht nur an Dynamik. Auch die Kollisionsabfrage lässt immer wieder zu wünschen übrig. Selbst wenn man an der gleichen (natürlich gehockten) Position vor einem statischen Gegner verharrt und auf ihn eindrischt, ist nicht jeder Schlag ein Treffer - merkwürdig. Dass die Feinde zudem selbst bei Nutzung des Ausweichschrittes einen Treffer setzen, obwohl man eigentlich außer Reichweite ist, hat ebenfalls einen bitteren Beigeschmack. Und zu alledem ist die von mir erhoffte Levelerforschung eher Mangelware. Ab einem Punkt im Spiel kommt man zwar in eine Art Verteilerwelt, von der aus man in die einzelnen Areale gelangt.

Auf Levelerforschung wird weitgehend verzichtet. Statt dessen wird man von Kontrollpunkt zu Kontrollpunkt geschleust.
Doch in den jeweiligen Abschnitten wird man bis auf ganz wenige Ausnahmen linear durchgeschleust - meist von links nach rechts, ab und an auch entgegengesetzt oder in vertikaler Bewegung. Schön: Die Sprungpassagen erfordern häufig genaues Timing, da meist auch irgendwelche Gegner am Zielpunkt zu finden sind. Weniger schön: Auch hier ist die Kollisionsabfrage zweifelhaft und scheint sich tendenziell eher gegen den Spieler zu entscheiden. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn man Fallen ausweichen möchte und als Ergebnis der nicht pixelgenauen Abfrage dann wieder einmal mit dem Bildschirm "You were Slain!" konfrontiert wird und am letzten Kontrollpunkt aufwacht - gespeichert wird übrigens erst am Ende eines Abschnitts. Da hilft auch nicht, dass man häufig mit einer eindrucksvollen Ablebeanimation entschädigt wird, wenn einen Fallen zerquetschen oder aufgespießen bzw. von den Feinden malträtiert wird. Denn unter dem Strich überwiegt die Enttäuschung. Man spürt an allen Ecken und Enden das Potenzial, das in Slain auch abseits der audiovisuellen Gestaltung schlummert. Und es gibt Momente, in denen die Rädchen richtig gut ineinandergreifen und man an dem Heavy-Metal-Gemetzel seine wahren Freude hat. Aber das kleine Team scheint unter dem Strich zu überfordert mit den eigenen Ambitionen und hat zu viele Fehlentscheidungen bei wichtigen Spieldesignfragen getroffen, so dass selbst die sporadischen Bugs ins Hintertreffen geraten und nahezu keinen Einfluss mehr auf die Wertung haben.

Fazit

Selten war die Diskrepanz zwischen visueller Gestaltung und mechanischer Ausführung größer als bei Slain. Das herrlich düstere Pixelartdesign überzeugt mit stimmungsvollen Gebieten und aufwändigen Effekten. Die Musik ist brachial und mitunter sehr mächtig, wäre aber noch eindrucksvoller, wenn sie sich dynamisch an das Geschehen anpassen würde – ganz abgesehen davon, dass man manuell die Tonabmischung verändern muss, wenn man auch die simplen Effekte hören möchte. Beim Kampfsystem hat Slain jedoch massiven Nachholbedarf. Nicht nur, weil man mit einem simplen Trick 95 Prozent der Standardgegner und sogar einige Bosse problemlos knacken kann. Sondern auch, weil man hier selbst im Bestfall weder die situative Spannung eines Salt & Sanctuary (sprich: Dark Souls in 2D) noch die Dynamik und Variation eines Symphony of the Night erreicht. Nimmt man jetzt auch noch die unsaubere Kollisionsabfrage hinzu, die sich sowohl bei den Auseinandersetzungen als auch leider bei den Sprungsequenzen bemerkbar macht, sorgt das für ein Dilemma. Die Welt reizt einen ständig, in sie abzutauchen und belohnt einen stets mit neuen Gegnern und Gebieten. Doch der Weg dorthin ist steinig. Nicht, weil der Schwierigkeitsgrad bewusst nach oben getrieben wurde. Sondern vielmehr, weil das kleine Team abseits der Kulisse Probleme hat, gängige Standards für Arcade-Action dieser Art zu erreichen.

Pro

sehr stimmungsvolles Pixelkunst-Design mit vielen kleinen Details
brachialer Heavy-Metal-Soundtrack...
Elementwaffen
abwechslungsreiches Gegnerdesign
coole Bosse

Kontra

unsaubere Kollisonsabfrage bei Kampf und Sprüngen
... der sich allerdings nicht dynamisch dem Geschehen anpasst
Levelerforschung quasi nicht vorhanden
Exploit-Option "Kampf in der Hocke" hilft sogar gegen manche Bosse
kleinere Bugs
schwache Story
unglückliche Schriftauswahl lässt sich mitunter schwer entziffern

Wertung

PC

Das Artdesign ist über nahezu jeden Zweifel erhaben, doch mechanisch bietet die Arcade-Action alter Schule trotz interessanter Ansätze nicht viel Substanz.

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