Vorschau: Mit vereinten Kräften
Das Ende vieler Kurswechsel
Es gibt vermutlich kaum ein Spiel mit einer derart turbulenten Entwicklungsgeschichte wie Homefront: The Revolution (ab 3,99€ bei kaufen). Nach einem Entwickler-Wechsel, dem Ende von Publisher THQ und schließlich Deep Silvers Übernahme von Crytek UK wurde irgendwann auch das komplette Konzept des Spiels umgekrempelt. Aus einer linearen Fortsetzung zu Homefront wurde schließlich ein Shooter in einer offenen Welt, an dessen Fertigstellung nach wie vor die in Nottingham ansässigen Dambuster Studios arbeiten. Nachdem wir die Kampagne bereits auf der gamescom ausprobiert haben, konnten wir in London in den Koop-Modus hineinschnuppern. Er knüpft zeitlich an die Einzelspieler-Kampagne an: Vier Jahre nach Teil 1 befinden sich Philadelphia und der Großteil der USA im Würgegriff des wiedervereinten kommunistischen Koreas. Nachdem Widerstandsgruppen einige Städte zurückerobert haben, dient die Ostküstenmetropole den Besatzern als neue Hauptstadt. Statt den Protagonisten aus dem Story-Modus zu steuern, schlüpft man in die Haut anderer Helden wider Willen: Im Charakter-Editor hatte ich die Wahl zwischen zahlreichen Berufen, denen die Widerstandskämpfer früher in ihrem zivilen Leben nachgingen. Ihre beruflichen Talente nehmen entsprechenden Einfluss auf ihre Kampffähigkeiten - eine schöne Abwechslung zur gewöhnlichen Charaktererstellung anderer Spiele, zumal die Figuren meist ganz und gar nicht aussehen wie der typische Shooter-Held.
Zivilisten greifen zur Waffe
Leider gab es wieder einmal so gut wie nichts von der Story-Einbettung zu sehen, welche die zwölf Koop-Missionen etwas interessanter machen sollen (nach dem Launch sollen noch einmal rund die gleiche Zahl nachgereicht werden). Zur Eingewöhnung überfielen wir z.B. einige gegnerische Posten, um die dortigen Rechner zu hacken. Auf dem Weg dorthin schlichen wir uns zunächst meist an den ersten Trupps vorbei, flogen aber meist relativ früh auf und wechselten dann in einige Feuergefechte. Im Vergleich zum letzten Mal kam mir die KI nicht mehr ganz so hartnäckig vor wie in meinen Alleingängen auf der gamescom. Vielleicht lag es aber auch nur an unseren vereinten Kräften, denn fett gepanzerte Gegner konnten mitunter mehrere Magazine einstecken, bevor sie endlich aufgaben. Designer Fasahat Salim bestätigte uns, dass sein Spiel absichtlich richtig knackig werden soll. Man ist schließlich ein Underdog und soll sich auch die ganze Zeit über so fühlen. Aus diesem Grund verzichte das Team diesmal auch auf einen Versus-Multiplayer: Ein Koop-Modus fange die Stimmung des Guerilla-Kampfes deutlich besser ein, so Salim. LAN-Unterstützung und Splitscreen fehlen übrigens auch.
Explosive Helferlein
Hier kann auch ein Granatwerferaufsatz zum Verhängnis werden: Läuft ein Gegner zu nah an das gestohlene Fahrzeug heran, springen explosive Waffen schnell über und die Mission ist vorbei. Anderswo hilft der Aufsatz aber effektiv dabei, die nervigen, mit Geschützen ausgestatteten Panzerwagen mit nur einem Schuss in die Luft zu jagen. Die Explosivwaffen gehören zu den interessantesten Spielzeugen in der zertrümmerten Welt und lassen sich für hinterhältige Angriffe z.B. an einem Teddy oder einem ferngesteuerten Auto montieren. Gewöhnliche Bleispritzen lassen sich natürlich ebenfalls mit diversen Aufsätzen und Visieren aufmotzen, welche direkt vorm Einsatz gewechselt werden. Neue Kleidung verbessert z.B. Panzerung oder Schleichfähigkeiten und schafft Platz für Gadgets. Leider lässt sich das in den Missionen verdiente Bare nicht direkt in benötigte Objekte stecken – stattdessen greifen auch die Dambuster-Studios auf das grassierende Wundertüten-System zurück: In gekauften Kisten befinden sich zufällig zusammengewürfelte Gegenstände. Es verwundert nicht, dass diese Kisten auch gegen Echtgeld angeboten werden. Alle Verbesserungen sollen sich aber auch freispielen lassen; die Entwickler verstehen den In-App-Kauf lediglich als zeitsparende Abkürzung. Anderswo mussten einige Scharfschützen aus dem Weg geräumt werden, also entschieden wir uns für lautloses Vorgehen: Nachdem wir ein paar Gegner mit Hilfe des Smartphones gesichtet und markiert hatten, folgte eine kurze Schleichphase, bei der eine Reihe überraschter Widersacher von hinten gemeuchelt wurden.
Schwache Technik
Auch die teils abgehackten Laufanimationen und Lags im lokalen Netzwerk ließen das Spiel noch unfertig wirken. Sicher, es war nur eine Beta, trotzdem hat Dambuster bis zum Launch am Mai noch ein gutes Stück Arbeit vor sich. Nicht wirklich zeitgemäß wirkt auch die Kulisse: In der Nacht und bei Regen gibt es hübsche Spiegelungen und Lichteffekte in Pfützen in der zerstörten Stadt zu sehen, viele Texturen wirken aber matschig und schöpfen nicht gerade das Potenzial der verwendeten CryEngine aus. Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man kurz zuvor die ansehnliche Beta von The Division vor Augen hatte.
Rückendeckung
Ausblick
Mein Ausflug in den Koop-Modus hat meinen Eindruck von der gamescom bestätigt: Die Benutzung der CryEngine allein garantiert noch keine hübsche Kulisse – vor allem, wenn das Spiel eine derart turbulente Entwicklungsgeschichte hinter sich hat wie Homefront: The Revolution. Auch das Design der graubraunen Kriegswelt wirkt nach wie vor recht trist und austauschbar. Bei Animationen und der Kollisionsabfrage haben die Entwickler ebenfalls noch viel Arbeit vor sich. Trotzdem hatte ich durchaus meinen Spaß an den Team-Ausflügen durch die feindliche Welt. In Schleichpassagen entdeckte uns die KI zwar meist ziemlich schnell, die knackigen Schießereien passten aber deutlich besser zum Koop-Konzept. Vor allem, wenn wir verbündeten KI-Soldaten zur Hilfe kamen und uns auch immer wieder den Rücken decken mussten, kam ein unterhaltsamer Spielfluss auf. Auch das Gebastel an den Waffen und explosiven Gadgets könnte ein cooler Teil des Guerilla-Kriegs werden. Schade allerdings, dass man nicht gezielt aufrüsten darf, sondern wieder einmal bunt gemischte „Wundertüten“ erwirbt. Ich bin gespannt darauf, wie rund sich das fertige Spiel präsentiert und ob die drei unterschiedlichen Zonen Abwechslung in die Action bringen.
Einschätzung: befriedigend
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