Homefront: The Revolution03.02.2016, Jan Wöbbeking

Vorschau: Mit vereinten Kräften

Es wird spannend in Philadelphia: Schaffen es die Dambuster Studios bis zum Mai einen spannenden Shooter abzuliefern? Oder bleibt nicht nur der Schauplatz des mehrfach umgebauten Spiels ein Trümmerhaufen? Im Koop-Modus haben wir bereits angenehm knackige Schusswechsel erlebt, aber auch einige Bugs und ungeschliffene Ecken entdeckt.

Das Ende vieler Kurswechsel

Es gibt vermutlich kaum ein Spiel mit einer derart turbulenten Entwicklungsgeschichte wie  Homefront: The Revolution (ab 3,99€ bei kaufen). Nach einem Entwickler-Wechsel, dem Ende von Publisher THQ und schließlich Deep Silvers Übernahme von Crytek UK wurde irgendwann auch das komplette Konzept des Spiels umgekrempelt. Aus einer linearen Fortsetzung zu Homefront wurde schließlich ein Shooter in einer offenen Welt, an dessen Fertigstellung nach wie vor die in Nottingham ansässigen Dambuster Studios arbeiten. Nachdem wir die Kampagne bereits auf der gamescom ausprobiert haben, konnten wir in London in den Koop-Modus hineinschnuppern. Er knüpft zeitlich an die Einzelspieler-Kampagne an: Vier Jahre nach Teil 1 befinden sich Philadelphia und der Großteil der USA im Würgegriff des wiedervereinten kommunistischen Koreas. Nachdem Widerstandsgruppen einige Städte zurückerobert haben, dient die Ostküstenmetropole den Besatzern als neue Hauptstadt. Statt den Protagonisten aus dem Story-Modus zu steuern, schlüpft man in die Haut anderer Helden wider Willen: Im Charakter-Editor hatte ich die Wahl zwischen zahlreichen Berufen, denen die Widerstandskämpfer früher in ihrem zivilen Leben nachgingen. Ihre beruflichen Talente nehmen entsprechenden Einfluss auf ihre Kampffähigkeiten - eine schöne Abwechslung zur gewöhnlichen Charaktererstellung anderer Spiele, zumal die Figuren meist ganz und gar nicht aussehen wie der typische Shooter-Held.

Das Aussehen und die Fähigkeiten der Widerstandskämpfer orientierten sich an ihren ehemaligen Jobs im zivilen Leben.
Ein Barkeeper kann z.b. besonders flink einen Molotow-Cocktail basteln, der sich in der Nähe eines Gegnerpulks als nützlich erweist. Auch der Beruf des Softwareentwicklers wurde im Spiel verewigt – inklusive entsprechender Skins von Dambuster-Mitarbeitern. Je nach gewähltem Talentbaum (vier stehen zur Wahl) schneidet man seinen Spielstil etwas mehr auf Gesundheit, Angriffskraft, effektiveres Schleichen oder das geschickte Basteln von Gadgets zu.

Zivilisten greifen zur Waffe

Leider gab es wieder einmal so gut wie nichts von der Story-Einbettung zu sehen, welche die zwölf Koop-Missionen etwas interessanter machen sollen (nach dem Launch sollen noch einmal rund die gleiche Zahl nachgereicht werden). Zur Eingewöhnung überfielen wir z.B. einige gegnerische Posten, um die dortigen Rechner zu hacken. Auf dem Weg dorthin schlichen wir uns zunächst meist an den ersten Trupps vorbei, flogen aber meist relativ früh auf und wechselten dann in einige Feuergefechte.  Im Vergleich zum letzten Mal kam mir die KI nicht mehr ganz so hartnäckig vor wie in meinen Alleingängen auf der gamescom. Vielleicht lag es aber auch nur an unseren vereinten Kräften, denn fett gepanzerte Gegner konnten mitunter mehrere Magazine einstecken, bevor sie endlich aufgaben. Designer Fasahat Salim bestätigte uns, dass sein Spiel absichtlich richtig knackig werden soll. Man ist schließlich ein Underdog und soll sich auch die ganze Zeit über so fühlen. Aus diesem Grund verzichte das Team diesmal auch auf einen Versus-Multiplayer: Ein Koop-Modus fange die Stimmung des Guerilla-Kampfes deutlich besser ein, so Salim. LAN-Unterstützung und Splitscreen fehlen übrigens auch.

Gar nicht so einfach: Die Eskorte gemopster Fahrzeuge und Schleichpassagen erwiesen sich beim Anspielen als die kniffligsten Momente.
Zur subversiven Kriegsführung gehört natürlich auch das Stibitzen fremder Maschinerie wie Panzerwagen. Drei Stück sollten wir in der kniffligsten Mission aus einem feindlichen Lager stehlen, was leider kläglich scheiterte. In den Schusswechseln schlugen wir uns zwar recht ordentlich (zur Not wurden eben die Kollegen rechtzeitig reanimiert). Es war aber gar nicht so einfach, alle drei die Vehikel unbeschadet nach Hause zu bringen, nachdem die alarmierten Besatzer wie aufgescheuchte Wespen ausgeschwärmt waren und uns vom Straßenrand aus mit Projektilen eindeckten.

Explosive Helferlein

Hier kann auch ein Granatwerferaufsatz zum Verhängnis werden: Läuft ein Gegner zu nah an das gestohlene Fahrzeug heran, springen explosive Waffen schnell über und die Mission ist vorbei. Anderswo hilft der Aufsatz aber effektiv dabei, die nervigen, mit Geschützen ausgestatteten Panzerwagen mit nur einem Schuss in die Luft zu jagen. Die Explosivwaffen gehören zu den interessantesten Spielzeugen in der zertrümmerten Welt und lassen sich für hinterhältige Angriffe z.B. an einem Teddy oder einem ferngesteuerten Auto montieren. Gewöhnliche Bleispritzen lassen sich natürlich ebenfalls mit diversen Aufsätzen und Visieren aufmotzen, welche direkt vorm Einsatz gewechselt werden. Neue Kleidung verbessert z.B. Panzerung oder Schleichfähigkeiten und schafft Platz für Gadgets. Leider lässt sich das in den Missionen verdiente Bare nicht direkt in benötigte Objekte stecken – stattdessen greifen auch die Dambuster-Studios auf das grassierende Wundertüten-System zurück: In gekauften Kisten befinden sich zufällig zusammengewürfelte Gegenstände. Es verwundert nicht, dass diese Kisten auch gegen Echtgeld angeboten werden. Alle Verbesserungen sollen sich aber auch freispielen lassen; die Entwickler verstehen den In-App-Kauf lediglich als zeitsparende Abkürzung. Anderswo mussten einige Scharfschützen aus dem Weg geräumt werden, also entschieden wir uns für lautloses Vorgehen: Nachdem wir ein paar Gegner mit Hilfe des Smartphones gesichtet und markiert hatten, folgte eine kurze Schleichphase, bei der eine Reihe überraschter Widersacher von hinten gemeuchelt wurden.

Ganz dem Trend nach spielt auch Homefront: The Revolution in einer offenen Welt, die hier allerdings bereits ziemlich stark zertrümmert ist. Bis zu vier Spieler stürzen sich in die Koop-Missionen.
Trotzdem hatte die KI wieder relativ schnell Alarm geschlagen und wir befanden uns wieder in einer der typischen Schießereien. Auch das Motorrad kam wieder zum Einsatz, dessen Steuerung sich diesmal etwas griffiger anfühlte als auf der gamescom. Auf meinem Weg über ein paar Rampen und Gerüste blieb ich diesmal nicht hängen. Auf unserer Flucht durch ein Tunnel-System verursachten aber einige Kulissen-Elemente Probleme: An einem Schachtausgang und neben einem Palettenstapel hüpften meine Kollegen wie die Häschen herum, bevor sie endlich ans Ziel kamen.

Schwache Technik

Auch die teils abgehackten Laufanimationen und Lags im lokalen Netzwerk ließen das Spiel  noch unfertig wirken. Sicher, es war nur eine Beta, trotzdem hat Dambuster bis zum Launch am Mai noch ein gutes Stück Arbeit vor sich. Nicht wirklich zeitgemäß wirkt auch die Kulisse: In der Nacht und bei Regen gibt es hübsche Spiegelungen und Lichteffekte in Pfützen in der zerstörten Stadt zu sehen, viele Texturen wirken aber matschig und schöpfen nicht gerade das Potenzial der verwendeten CryEngine aus. Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man kurz zuvor die ansehnliche Beta von The Division vor Augen hatte.

Achtung, Drohne: Die kleinen schwebenden Biester waren diesmal bei weitem nicht so lästig wie im Alleingang.
Schade auch, dass sich die Zonen bislang visuell gar nicht so stark unterscheiden: Die roten Bereiche sind vom Krieg zerstörte, urbane Wüsten, in die sich der Widerstand zurückgezogen hat und actionlastige Gefechte mit der KVA liefert. Die gelben Zonen erinnern an ein Ghetto oder die Gesellschaft aus dem Roman 1984. Die Bevölkerung wird permanent überwacht und mit Propaganda aus allgegenwärtigen Bildschirmen und Lautsprechern eingedeckt. Hier wird man meist zu leisem Vorgehen gezwungen. Die streng bewachten grünen Zonen haben wir noch nicht zu Gesicht bekommen: Sie dienen als Kommandozonen, in denen die KVA über die Stadt herrscht. Die Wahrzeichen von Philadelphia wie die Independence Hall wurden zu Unterkünften für die KVA-Elite und hochrangige amerikanische Kollaborateure umfunktioniert.

Rückendeckung

Feuer!
Am unterhaltsamsten gestaltete sich die Mission, in der sich unsere Ziele immer wieder dynamisch änderten und wir z.B. einem anderen Widerstands-Trupp zur Hilfe eilen mussten. Am Rande einer relativ offenen Straßenkreuzung mussten wir immer wieder neue Deckungen suchen und uns gegenseitig den Rücken decken. Hier passte die Dramaturgie gut zum Koop-Prinzip: Mal rettete ich meine Kollegen gerade noch rechtzeitig vor einem Panzerwagen und wurde kurz danach wiederbelebt, um durch einige Häuserflure zu fliehen.

Ausblick

Mein Ausflug in den Koop-Modus hat meinen Eindruck von der gamescom bestätigt: Die Benutzung der CryEngine allein garantiert noch keine hübsche Kulisse – vor allem, wenn das Spiel eine derart  turbulente Entwicklungsgeschichte hinter sich hat wie Homefront: The Revolution. Auch das Design der graubraunen Kriegswelt wirkt nach wie vor recht trist und austauschbar. Bei Animationen und der Kollisionsabfrage haben die Entwickler ebenfalls noch viel Arbeit vor sich. Trotzdem hatte ich durchaus meinen Spaß an den Team-Ausflügen durch die feindliche Welt. In Schleichpassagen entdeckte uns die KI zwar meist ziemlich schnell, die knackigen Schießereien passten aber deutlich besser zum Koop-Konzept. Vor allem, wenn wir verbündeten KI-Soldaten zur Hilfe kamen und uns auch immer wieder den Rücken decken mussten, kam ein unterhaltsamer Spielfluss auf. Auch das Gebastel an den Waffen und explosiven Gadgets könnte ein cooler Teil des Guerilla-Kriegs werden. Schade allerdings, dass man nicht gezielt aufrüsten darf, sondern wieder einmal bunt gemischte „Wundertüten“ erwirbt. Ich bin gespannt darauf, wie rund sich das fertige Spiel präsentiert und ob die drei unterschiedlichen Zonen Abwechslung in die Action bringen.

Einschätzung: befriedigend

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