The Last Tinker: City of Colors23.05.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Bunte Hommage an alte Plattformer

Endlich erwacht die Pappmachée-Welt zum Leben: Nach gut zwei Jahren Entwicklung und einem Umbau des Spielprinzips hat das junge Team von Mimimi Productions sein erstes Action-Adventure auf Steam veröffentlicht. Erzeugt die bunte Hommage an alte Rare-Spiele die gleiche Suchtwirkung wie die Vorbilder?

Dreh die Farben auf!

Die hübsche Welt weckt sofort wohlige Erinnerungen an Tearaway. Hier sehen Pappbäume, Hügel und die dazwischen herumwuselnden Bewohner von Tinkerworld aber noch eine ganze Ecke bunter aus, weil das komplette Farbspektrum genutzt wird und die Entwickler auch keine Angst vor krassen Kontrasten haben. Spielerisch orientiert sich der Titel an ähnlich fröhlich designten N64-Klassikern von Rare wie Banjo Kazooie. Der Umfang fällt als Debüt-Titel eines Indie-Studios aber kleiner aus und auch der Spielablauf gestaltet sich deutlich linearer. Für den Preis von rund 20 Euro wirkt die Spielzeit von gut sieben Stunden aber angemessen.

Assassin's Creed lässt grüßen: Koru springt und klettert automatisch.
 

Weil sich die Bewohner mit unterschiedlichen Hautfarben zerstritten haben, soll der an einen Affen erinnernde„Tinker“ Koru die Wogen glätten, löst aber aus Versehen eine Katastrophe aus. Die einstmals bunte Welt wird ähnlich wie in der Unendlichen Geschichte von einem fiesen Bleichmittel überschwemmt, das die Bewohner versteinert. Nach und nach befreit der Held die unterschiedlich eingefärbten Viertel und bekommt zur Belohnung einige neue Macht-Fähigkeiten spendiert. Mit der roten Kraft kann er z.B. besonders hart zuschlagen. Mit Hilfe des grünen Pendants versetzt er die berührten Bleiche-Wesen in Angst, welche sie panisch davon laufen lässt, so dass sie im Idealfall in tödlichen Kakteen landen und mir Zeit für eine Attacke auf einen an Jabba erinnernden Boss bleibt.

Erschütterte Multikulti-Gesellschaft

Die völkerverständigende Grundidee ist natürlich eine schöne Analogie - vor allem, weil nach und nach auch einstige Widersacher wie Bozos und seine Gang zu Partnern werden. Jede Farbe spiegelt ein entsprechendes Gefühl wider: Rot die Wut, Grün die verängstigten Wesen in dieser Farbe und so weiter. Das Team hätte sich aber einen besseren Autoren an Land ziehen sollen: Die in Sprechblasen erzählten Dialoge beschränken sich meist auf Banales.

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Die Rätsel der Pilzkollegen gehören zu den unterhaltsamsten Momenten im Spiel.

Trotzdem hat mich die Geschichte um das wundersame Land zum Weiterspielen animiert: Immer wieder werden in kurzen Kameraschwenks neue Teile der Welt eingeleitet und auch der Weg zum nächsten Ziel wird oft durch eine Kamerafahrt angedeutet. Allgemein nehmen die Entwickler den Spieler oft bei der Hand, obwohl die Levels recht linear gestaltet sind. Korus schwebender Sidekick z.B. kann mir an vielen Stellen auf Knopfdruck den Weg zeigen. Richtig schade ist es, dass ich nicht einmal springen darf: Ich halte einfach wie in Assassin’s Creed den Sprint-Knopf gedrückt und schon hopst der Held automatisch über die aus dem Meer ragenden Pfosten.

Zu viel Komfort

Als ich mich damit abgefunden hatte, haben mich die Geschicklichkeitsabschnitte aber doch noch ordentlich unterhalten, weil oft passendes Timing gefragt ist. Spurte ich im falschen Moment los, zieht der Krake seinen Arm ein und ich lande in einem Tümpel. Auch kleine Schleichpassagen sind enthalten. Sie wirken nicht ganz so ausgefeilt wie bei Sly Cooper, bieten aber eine willkommene Abwechslung. Bei der Infiltration eines Turms schleiche ich z.B. auf leisen Pfaden hinter Pfeilern, Laternenkegeln und Wachen entlang.

Manchmal muss ich auch eines der Pilzwesen einsetzen, um den Raketen des Alarmanlagenroboters zu entwischen. Ich locke den gutmütigen, aber reizbaren Pilzkopf auf einen fetten Schalter und befeuere ihn mit roter Farbe, damit er aggressiv aufstampft und den bebenden Roboter für kurze Zeit außer Gefecht setzt. Auch die Rätsel mit dem kleineren Pilzwesen wirken gelungen: Ich lotse ihn durch schmale Durchgänge und sprenge mit Hilfe seiner Explosionskraft immer wieder Geröll aus dem Weg.

Etwas hüftsteif

Angst frisst Blobs auf: Auch die weißen Kampfmonster lassen sich erschrecken und rennen panisch in ihr Verderben.
 

Die Faustkämpfe machen nicht ganz so viel Spaß, weil sich die Steuerung im Gefecht etwas steif anfühlt. Auf Knopfdruck startet Koru z.B. eine ziemlich lange Ausweichrolle. Damit kann ich mich zwar aus einem Pulk in Sicherheit bringen, für einen flüssigen Schlagabtausch mit den Kombos und Kontern taugt sie aber kaum. Andere Biester spucken aus der Entfernung mit Bleiche, also düse ich von Deckung zu Deckung und schalte sie aus der Distanz mit Farbkugeln aus. Allgemein wirken die Kämpfe reichlich einfach, auch in späteren Gefechten. Immerhin lassen sich mit mittels gefundener Kristalle an Automaten einige einige Extra-Attacken freischalten - wirklich anspruchsvoll wird es aber auch damit nicht. Wer sich unterfordert fühlt, kann allerdings den Schwierigkeitsgrad erhöhen; bis hin zu einer Art Hardcore-Modus mit sofortigem Tod statt des üppigen Energiebalkens.

Schafft der Held es, seine Welt vor dem Zerfall zu bewahren?

Ein klarer Pluspunkt ist der stimmungsvolle Soundtrack, der mit Gitarren und anderen Instrumenten eingespielt wurde. Vor allem die sehr ruhigen Stücke passen gut zur von der Bleiche zerrissenen, surrealen Traumwelt, die Koru immer wieder durchqueren muss. Unter technischen Aspekten hinterlässt die Kulisse einen durchwachsenen Eindruck. Einige Texturen sind angenehm scharf, anderswo trifft man aber auch auf kantige, detailarme Polygone. Bei den kurzen Schlitter-Einlagen über das Schienensystem haben es die Entwickler den Unschärfe-Filter zu stark aufgedreht, in der Traumwelt passt der Effekt dagegen gut zu den surreal zerfallenen Hintergründen. Verwundert hat mich, wie hardwarehungrig sich das Spiel gibt: Mein Rechner mit einer Geforce GTX 770 hat es auf höchsten Einstellungen nicht geschafft, das Bild jederzeit flüssig auf den Schirm zu bringen. Ab und zu musste ich mit kleinen bis mittelstarken Rucklern leben – das Ergebnis blieb aber erträglich.  

Fazit

Der junge Entwickler Mimimi Productions hat es tatsächlich geschafft: Endlich gibt es wieder ein knallbuntes dreidimensionales Action-Adventure. An den etwas steifen und zu leichten Kämpfen merkt man allerdings, dass es noch ein wenig an Erfahrung mangelt. Auch unter anderen Gesichtspunkten kann das Debütwerk nicht mit professionelleren Titeln wie Sly Cooper: Jagd durch die Zeit konkurrieren. Trotzdem bietet The Last Tinker einen unterhaltsamen Mix aus Action, Geschicklichkeit, Rätseln und dem Erforschen einer idyllischen Pappmachée-Welt. Am meisten Spaß gemacht haben mir die kleinen, aber gut eingebundenen Rätsel, in denen man die zwei Pilzköpfe durch Barrieren lotst, um sie am richtigen Ort explodieren oder auch wütend losgaloppieren zu lassen. Hoffentlich zahlt sich die Arbeit aus und es gibt einen Nachfolger: Klassische 3D-Plattformer gibt es momentan schließlich viel zu selten!

Pro

idyllische, teils surreale Papmachée-Welt
extrem knallige Farbkontraste
unterhaltsame Rätsel mit laufenden Pilzwesen
stimmungsvolle Gitarrenmusik

Kontra

zu einfache Kämpfe
Steuerung wirkt etwas steif
fade formulierte Dialoge
sehr hardwarehungrig

Wertung

PC

Charmantes und knallbuntes Action-Adventure mit etwas steifen Kämpfen, aber unterhaltsamen Rätseln.

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