Die doppelte Herausforderung
EAs erster offizieller Abstecher ins Octagon steht unter besonderer Beobachtung. Nicht nur, dass man versuchen muss, das Next-Gen-Erbe von THQs Spielen zur Ultimate Fighting Championship anzutreten - in der letzten Generation hatte man trotz interessanter Ansätze mit EA Sports MMA letztlich das Nachsehen. Zusätzlich müssen die Käfigkämpfe endlich den Beweis für die Power der hauseigenen Ignite-Engine antreten. Denn das ist mit den bislang veröffentlichten Sportspielen für PS4 oder Xbox One nicht ausreichend gelungen. Und zumindest bei den Kämpfern ist der Generations-Fortschritt zu spüren. Die Figuren sehen detaillierter aus als je zuvor - was man allerdings auf den neuen Konsolen erwarten dürfte. Dass auf den ersten Blick daher leichte Ernüchterung einkehrt, liegt vor allem daran, dass UFC Undisputed 3 vor etwas mehr als zwei Jahren auf PS3 und 360 die Messlatte bereits sehr hoch legte.Erst auf den zweiten Blick fallen einem die subtilen Grafikmuskeln auf, die das Team um Lead Producer Brian Hayes (Fight Night, NBA Street, Def Jam Vendetta) spielen lässt.
Die Athleten wie hier UFC-Posterboy Jon Jones wurden sehr lebensnah designt.
Die Mimik der Athleten z.B. ist sehenswert - und das nicht nur bei den authentischen Einmärschen, denen bei vielen Kämpfern nur die richtige Musik fehlt. Vor kraftvollen Schlägen ist die Anspannung im Gesicht zu sehen. Nach einem Wirkungstreffer kann man den Schmerz am Ausdruck ablesen – sehr schön. Auch die wunden Stellen, die Dauertreffer kennzeichnen, sowie bluttriefende Cuts (die allerdings keinen Einfluss auf die Kämpfer-Performance haben) sind gelungen und schmerzhaft anzuschauen. Weniger schön sind jedoch die Nebenfiguren und die prall gefüllten Zuschauerränge. Weder bei den Dauerjublern, die zumindest akustisch gut mitgehen, noch den Ringrichtern oder Ringsprecher Bruce Buffer sind die Fortschritte im Vergleich zum letzten THQ-Ableger all zu groß. Apropos Ringsprecher: Wieso sind mit Mario Yamasaki und Yves Lavigne nur zwei Vertreter ihrer Zunft integriert? Was ist mit Herb Dean, Steve "Bring it on! C’mon!" Mazagatti, John McCarthy oder Kim Winslow? Keine Zeit? DLC? Dafür sind zehn Arenen eingebaut, davon mit dem Madison Square Garden in New York eine in einem Bundesstaat, in dem MMA noch nicht einmal erlaubt ist. Und dass man auf das spielerisch nutzlose, aber dennoch wichtige optionale "Touch Gloves" der Kämpfer zu Beginn einer Runde als Zeichen des gegenseitigen Respekts verzichtet hat, ist Frevel - zumal man in EA Sports MMA ein System dafür hatte, das besser funktionierte als in den THQ-UFCs.
Freund und Feind zugleich: Die Physik
Auch bei der Physik- und Kollisionsabfrage zeigt Ignite, dass man deutliche Fortschritte gemacht hat: Es wird der Eindruck vermittelt, dass sich die Muskelpartien geschmeidig unter der Haut bewegen - noch imposanter als z.B. bei der Fight-Night-Serie, die auf PS3 und 360 mit ähnlichen Details geglänzt hat. Und bei harten Körpertreffern ziehen Wellen der Erschütterung durch den Torso. Manchmal etwas übertrieben, doch im Wesentlichen sehr authentisch. Zudem lassen sich Clipping-Probleme nur höchst selten und nur im Zusammenhang mit der Kampfkleidung blicken. Wer genau aufpasst, kann ab und an die Finger kurzzeitig durch die Hosen gleiten sehen, in seltenen Momenten versinkt eine Fingerkuppe in der Ringmatte oder der Ringrichter nimmt beim Versuch, die Kämpfer zu trennen zu starken Kontakt auf und "verschmilzt" etwas mit den Athleten. Doch sobald es um Körperkontakt der Hauptakteure geht, arbeitet die Physik in allen Situation akkurat, egal ob am Boden, im Clinch oder im stehenden Kampf. Es gibt keine Arme oder Beine, die miteinander verschmelzen, keinen Kopf, der sich in der Schulter des Kontrahenten vergräbt.
Größtenteils funktionieren Animationen und Physik in Einklang - es gibt aber auch Aussetzer.
Mitunter nimmt sie es allerdings zu genau: Gerade bei intensiven Stand-Up-Gefechten gerät das Physiksystem immer wieder mit den Basisanimationen aneinander. Dass prinzipiell eine Weiterentwicklung der Fight-Night-Mechanik verwendet wird, bei der eine Animation begonnen und die Bewegungsbahn von Schlag oder Tritt ggf. durch den Gegner herbeigeführte Aktionen verändert wird, ist gut. Und in den besten Momenten führt dies zu Situationen, in denen der Angreifer einen Tritt zum Kopf verfehlt, auf oder an der Schulter landet und dann ins Straucheln kommt, während er um sein Gleichgewicht kämpft. Es gibt aber auch immer wieder Aktionen, in denen die Physik zu unerwünschten Ergebnissen führt und den Schlagabtausch mit einer unglaubwürdigen Bewegung ändert. Auch die KO-Situationen, in denen der Körper des Niedergeschlagenen zwar akkurat zu Boden geht, die Arme aber stocksteif nach oben oder zur Seite zeigen, hinterlassen keinen guten Eindruck. Was für die nächste Ausgabe ebenfalls geändert werden dürfte: Die Wucht der Schläge wird nur bei Ellbogentreffern im Stand-Up und bei den so genannten "Hammerfists" oder anderem Ground-and-Pound im Bodenkampf deutlich. Viele andere Treffer hinterlassen zwar Wirkung, doch die Wucht dahinter wird nicht ausreichend oder nur selten transportiert. Vor allem bei Körperschlägen in der Half-Guard oder der North-South-Position im Bodenkampf wird dies deutlich. Aber auch die stehenden Gefechte würden von mehr visueller Kraft profitieren. Immerhin gehen das Publikum sowie das englische Kommentatoren-Team Mike Goldberg und Joe Rogan bei entsprechenden Schlägen mit. Sparen können hätte man sich allerdings die deutschen Kommentatoren: Irgendwo zwischen dem Enthusiasmus von Aale-Dieter und dem Hörbuch "Die Telefonnummern in Frankfurt" finden die zwei schlecht abgemischten Sprecher selten die richtige Tonlage. Kein Vergleich zum englischen Original, wobei auch diese Variante hinter dem liegt, was THQ zuletzt ablieferte - von der Qualität eines NBA2K ganz zu schweigen.