Mega Drive Portable06.02.2008, Paul Kautz
Mega Drive Portable

Special:

Retro-Remakes haben seit einiger Zeit einen festen Platz im Sortiment der meisten großen Publisher - Sega, Capcom, Namco, Electronic Arts, Taito und viele andere schmeißen ihre Klassiker in unterschiedlicher Qualität auf die Spiele-Plattformen dieser Welt. Dass gleich ein Handheld zu den Games mitgeliefert wird, ist allerdings eher ungewöhnlich - an dieser Stelle betritt das Mega Drive Portable die Bühne.

Länglich, praktisch, gut

Mit dem Mega Drive verbinde ich einige der schönsten Erinnerungen meiner Jugend: Meine erste Konsole, die ich mir kurz nach der Wende zugelegt habe, und die für mich den Einstieg in die wunderbare, glitzernde Welt der Videospiele darstellte. Castle of Illusion, Streets of Rage 2, Quackshot, Flashback, Gunstar Heroes, 

Das Mega Drive Portable bietet für knapp 50 Euro 20 fest installierte Mega Drive-Spiele - darunter einige echte Klassiker.
Revenge of Shinobi, Musha Aleste, Mega Turrican, Thunder Force 4 - allein die Namen aufzuzählen lässt meinen Endorphinpegel heftig blubbern, und dabei könnte ich noch stundenlang weitere nennen. Es waren einfache, aus heutiger Sicht fast schon primitive Spiele, mit vielen Pixeln und wenigen Farben, aber detailverliebtem Design und serienmäßig einprogrammierten Süchtigmachern. Aus diesem Grund habe ich nicht nur nach wie vor mein Original-Mega Drive samt knapp 40 Games zuhause unterm Fernseher stehen (17 Jahre alt, und funktioniert noch wie am ersten Tag - schluck das, Xbox 360!), sondern freue mich auch wie ein Kind, wenn ein Unternehmen sorgsam genug ist, die alten Klassiker in Form einer liebevoll gestalteten Retro-Sammlung einem jüngeren Publikum nahe zu bringen - wie Sega mit der Mega Drive Collection oder Capcom mit den Capcom Classics Collections .

Das Mega Drive Portable (MDP) geht nun einen anderen Weg: Das Gerät des brasilianischen Herstellers Tec-Toy (in Brasilien ist sogar die 8 Bit-Konsole Master System noch ein Hit, ein gutes Jahrzehnt nachdem man hierzulande zuletzt von ihr gehört hat!), hierzulande für knapp 50 Euro von der Millennium 2000 GmbH  vertrieben, ist gewissermaßen ein portables Mega Drive mit 20 vorinstallierten Spielen - sechs cm hoch, 13 cm breit und mit Batterien 200 g schwer passt es problemlos in jede Hosentasche. Das Design ist eine Mischung aus dem Atari Lynx, Segas Game Gear und Nokias N-Gage, das Layout folgt der ersten Mega Drive Generation: Drei etwas kleine Buttons (die sehr eng aneinander liegen - nicht nur Shaquille O'Neal dürfte damit Probleme haben) rechts, schwammiges Digikreuz links. Der zentral platzierte, beleuchtete 2,4"-Bildschirm entspricht mit seinen knapp sechs cm Bildschirmdiagonale etwa dem Screen des Game Boy micro und bietet ein klares, aber auch pixeliges Bild - bloß gut, dass sich im Spielekader keine textintensiven RPGs tummeln. Befeuert von drei AAA-Batterien liefert der kleine Kasten etwa acht Stunden Oldschool-Spaß, wobei der schlaue Spieler Akkus nutzt - einen Stromanschluss bietet das Mega Drive Portable nämlich nicht.

Flackere mit mir

Die 20 fest im System verankerten Spiele bieten einen guten Querschnitt durch die Actionlandschaft des Mega Drives, wobei die Durchfallrate erfreulich 

Das Gerät ist sehr handlich und leicht, hat aber einige ärgerliche technische Mängel.
gering ausfällt - Gain Ground, Alex Kidd in the Enchanted Castle und Altered Beast übersehen wir mal gnädig. Ganz besonders wenn es Alternativen wie Revenge of Shinobi, Ristar, Sonic & Knuckles, Golden Axe, Ecco oder Alien Storm gibt! Selbst Knobelspieler werden mit Dr. Robotnik's Mean Bean Machine  oder Jewel Master kompetent bedient - und interessanterweise tummeln sich zwei Spiele im Sortiment, die hierzulande eigentlich indiziert sind: Shadow Dancer und E-SWAT. Nichtsdestotrotz hat das Paket eine Altersfreigabe von zwölf Jahren, was auch die gelisteten Games beinhaltet. Komfortfunktionen wie Grafikfilter, Quicksave oder Hintergrundinfos zu den Games gibt es hier nicht, die Spiele tummeln sich als Original-Roms auf dem MDP - bei Shinobi funktioniert sogar der Shuriken-Trick wunderbar.

In Sachen Umfang und Bedienung lässt das Gerät also kaum Wünsche offen, bei der Technik hingegen schon. Das fängt beim Sound an: Der integrierte Lautsprecher ist scheinbar nicht in der Lage, alle Mega Drive-Tonspuren gleichwertig zu verarbeiten. Das Resultat ist, dass manche Tracks komplett verschluckt werden - bei Revenge of Shinobi sind z.B. die Drums kaum zu hören. Das Problem löst sich in Luft auf, wenn man Kopfhörer anschließt, dann erklingen die Melodien (Anspieltipp des Hauses: »China Town« von Altmeister Yuzo Koshiro aus Revenge of Shinobi) in erwarteter Qualität. Bizarrer wird es noch, wenn ihr das Gerät per mitgeliefertem Cinch-Kabel an den Fernseher anschließt: Denn erstens erklingt der Ton auch dann erneut nur zur Hälfte (sowie in Mono), und zweitens wird er nur mit gefühlter halber Geschwindigkeit abgespielt! Für dieses Problem haben wir keine Lösung gefunden: Zieht man das Kabel mitten im TV-Betrieb ab, erschallt die Musik über das MDP wieder in gewohnter Geschwindigkeit, allerdings gibt es dann kein Bild - das kommt erst wieder, wenn das Gerät resettet wird. Der TV-Anschluss ist ohnehin mackenbehaftet: Die Anzeige wird automatisch auf 

Am Fernseher wird das Bild automatisch auf die volle Breite gezogen - und die Tongeschwindigkeit aus irgendeinem Grund halbiert.
Vollbild skaliert, was bei 4:3-Geräten kein sehr großes Problem darstellt (wenn man mit Mörderpixeln kein Problem hat) - bei 16:9-Geräten wird's allerdings übel gestreckt, da hilft nur der Griff zur manuellen Formatumschaltung.

Ein weiterer Fehler betrifft die Kombination aus Bildschirmchen und Emulation: Scheinbar hat das MDP ein Problem mit Interlace-Darstellung, denn z.B. der Parallax-Hintergrund bei Altered Beast flackert wild - jedenfalls, wenn man auf dem Gerät selbst spielt. Am Fernseher angeschlossen löst sich das Problem in Luft auf, dafür werden dann Interlace-Objekte konsequenterweise nur in Halbzahl dargestellt - beim selben Spiel erscheint Zeus nur mit der Hälfte der üblichen Pixel. Okay, das fällt nur Pedanten wie mir auf, wirft aber nicht das beste Licht auf die Umsetzungs-Sorgfalt der Entwickler. Ähnliches lässt sich auch über die Packungsdesign-Abteilung sagen: Mal ganz davon abgesehen, dass sich auf dem Cover ein Artwork aus Sonic Spinball tummelt (das Game ist weit und breit nicht zu sehen), sind viele Spieletitel falsch geschrieben - das muss nicht sein.

Fazit:

Das Mega Drive Portable ist ein sehr interessantes Gimmick: Die Spieleauswahl ist zwar nicht annähernd repräsentativ, aber beweist einen Sinn für Action-Geschmack, außerdem ist die Zahl der Flops erfreulich gering. Die Bedienung ist simpel, der Preis ganz okay - wer also mal in die Mega Drive-Thematik reinschnuppern möchte, für den ist das Gerät eine solide Wahl. Der Retro-Freak in mir ärgert sich allerdings über die technischen Unzulänglichkeiten: Dabei meine ich noch nicht mal den winzigen Screen auf Game Boy micro-Niveau, textlastige Spiele sind im Line-Up ohnehin Mangelware. Aber die Soundprobleme, die mangelhafte TV-Ausgabe und die gelegentlichen Emulationsfehler bei der Grafik schmälern den Oldschool-Spaß spürbar. Falls ihr eine PSP habt, ist Segas Mega Drive Collection empfehlenswerter - zwar geht ihr das göttliche Revenge of Shinobi ab, aber Bedienung, Emulation und Komfort sind dem Mega Drive Portable deutlich überlegen.

     

 
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