Mytran Wars16.04.2009, Benjamin Schmädig
Mytran Wars

Im Test:

Vor einigen Wochen habe ich noch gezetert, wie tot die PSP doch ist. Inzwischen aber - faltet die Hände in den Himmel! - atmet der einstige Komapatient wieder. Für Rundentaktiker ist das allerdings ein gewohntes Bild, denn die wurden auch in den Dürretagen stets gut bedient: Final Fantasy, Disgaea, R-Type. Umso schwieriger dürfte es für einen unbekannten Neuankömmling werden, sich eine freie Nische in dem breit gefächerten Spektrum zu suchen...

Gedudel statt Oper

Die Nische, die sich Mytran Wars (ab 11,98€ bei kaufen) ausgesucht hat, ist dabei nicht unbedingt eine spielerische; es ist hauptsächlich eine inhaltliche. Denn während Feldherren meist im frei erfundenen Mittelalter oder in einem bierernst aufgerollten Weltkrieg Befehle bellen, geht es hier ins Weltall. Genauer gesagt verschlägt es euch zunächst auf den Planeten Pythar, der von einer außerirdischen Rasse bewohnt wird. Das Klischee gebietet es: Die

Ein Blick ins schicke Render-Intro, Szenen aus den Zwischensequenzen und bewegte Bilder aus dem Spiel - der Alles-In-Einem-Trailer.Einheimischen bereiten ihren menschlichen Besuchern einen feurigen Empfang! Oder was es andersrum? Haben die Menschen vielleicht vorschnell gehandelt?

Tatsächlich entwickelt sich um diese Fragen ein Plot, der in der Science-Fiction zwar nicht neu, in der Rundentaktik aber ungewöhnlich ist. Und immerhin wird jedes Kapitel mit einem, etwas krude gezeichneten, Comic eingeleitet, während Unterhaltungen innerhalb eines Auftrags die Charaktere am Leben erhalten. Die Mytranischen Kriege sind weiß Gott keine Weltraumoper - das belanglose Elekro-Gedudel verstärkt den Eindruck nur - aber sie erzählen immerhin unterhaltsamen Genrekitsch. Und wenn die Perspektive irgendwann zur Seite der Mytraner wechselt, findet sogar ein spielerischer Wechsel statt...

Seitenwechsel

Allzu viel ändert sich in diesem Moment allerdings nicht, denn ob Mytraner oder Menschen: Beide Parteien sitzen in fünf Mann hohen Kampfmaschinen, von denen es mit  leichten, aber schwachen, mittleren, besser geschützten sowie langsamen, schwer gepanzerten Versionen jeweils drei Bautypen gibt. Selbst die Waffen und Hilfsmittel gleichen sich, denn beide Parteien nutzen unterschiedlich starke Nah- und Fernkampfwaffen, verursachen mit mächtigen Geschossen Bereichsschaden und machen häufig Gebrauch von Reparaturaggregaten. Wie im Genre üblich haben sie dabei mit jedem Zug die Wahl zwischen dem Einsatz einer Fähigkeit (das sind die Hilfsaggregate), einem Angriff, einer Bewegung sowie dem Verteidigen einer Richtung. Ungewöhnlich ist nur, dass die klassische Rundentaktik ausgerechnet aus dem Hause Stormregion (Codename: Panzers) kommt - einem Entwickler, der sich vor seiner Auflösung im vergangenen Jahr stets der Echtzeitstrategie gewidmet hatte.

Ganz klassisch?

Die Ungarn beweisen aber, dass sie auch die langsame Seite des Kommandierens im Griff haben, denn Darstellung und Spielverlauf erinnern im besten Sinne an das gute, in Deutschland leider nie erschienene Jeanne D'Arc . Das gilt nur leider nicht für den Komfort, den viele japanischen Konkurrenten bieten, denn wurde eine Einheit in Mytran Wars einmal bewegt, darf man sie nicht wieder zurücksetzen - etwa weil man erkennt, dass ein anderer Zug doch sinnvoller wäre. Dieses sonst übliche

Zum Abschluss bieten die Echtzeit-Experten Rundentaktik: Stormregion beherrscht das komplette Taktik-Repertoire.
Entgegenkommen hätte die Planung ungemein erleichtert, denn so steht vor jedem Zug erst das zähe, rein theoretische Ausknobeln der richtigen Aktionen aller Einheiten. Abgesehen davon fehlt mir wegen der nicht in jedem Moment frei beweglichen Kamera mitunter der Überblick; während die Übersichtskarte zu wenig topografische und für die Mission relevante Informationen anzeigt.

Aber lasst euch davon nicht abschrecken! Das sind Details, die das Taktieren hakeliger machen als es nötig wäre - der Rest sind allerdings fordernde Rundenkämpfe gegen clevere Feinde, die sich hervorragend auf die Defensive verstehen und gezielt Schwachstellen angreifen. Es ist zwar schade, dass es nie zu großen Gefechten kommt, weil die Gegner stets so platziert sind, dass höchstens drei oder selten mal vier von ihnen gleichzeitig angreifen. Im Gegenzug ist aber jeder Feind eine Herausforderung an das taktische Können - auf hirnloses Kanonenfutter verzichtet Stormregion. Die Wiederbelebung eines gefallen Kameraden, wie es sie in japanischen Spielen oft gibt, ist dabei nicht möglich; gefallene Einheiten stehen erst nach dem Einsatz wieder zur Verfügung. Umso wichtiger ist es, die defensiven und offensiven Möglichkeiten der eigenen Truppen zu beherrschen.     

Ein gut aufgestelltes Team?

Entscheidend ist z.B. die Aufstellung des Kontingents, denn wenn mindestens drei Einheiten auf jeweils angrenzenden Feldern stehen, erhalten sie einen Bonus ihrer Verteidigungswerte. Stehen mindestens zwei Mechs (Menschen) bzw. Golems (Mytraner) direkt neben einem Gegner, richtet jeder Angriff zusätzlichen Schaden an. Diese Boni sind umso bedeutender, weil sich nahezu jede Einheit selbst heilen kann. Wer einen starken Gegner attackiert, muss seine Aufstellung also so vorbereiten, dass er in der folgenden Runde eventuell noch einmal den wieder voll funktionsfähigen Feind angreifen kann. Besonders mies: Landet ein Gegner einen besonders guten Treffer, gehen schon mal die Einzelteile eines Mechs oder Golems entzwei. Im schlimmsten Fall kann die Einheit dann für den Rest des Gefechts nicht bewegt werden oder nicht mehr schießen. 

Nur wenn die Einheiten dicht beeinander stehen, können sie starken Angriffen widerstehen.
Dagegen helfen nur eine sichere Aufstellung oder der Einbau stärkerer Gliedmaßen. Doch dann blieben freilich weniger Ressourcen, um bessere Waffen anzuschrauben... Somit kommt auch der Forschung nach neuen Bauteilen eine zentrale Bedeutung zu.

Eine weitere Besonderheit, auch in Bezug auf das manuelle Ausrüsten, sind zahlreiche Waffen, die man ebenfalls gegen Gebühr installieren muss. So kann eine Einheit bis zu vier Aggregate tragen, die sehr unterschiedliche offensive oder defensive Fähigkeiten haben können. Das reicht von der Nahkampfklinge über ein Schießeisen für aggressive elektrische Flächenbrände bis hin zum Erste-Hilfe-Kit. Wer will, stattet sein Kontingent also mit einem Trupp Alleskönner aus - wer gezielter vorgehen will, formiert robuste Nahkämpfer mit Fernschützen und schnellen "Sanitätern". Aber Vorsicht: Auch in der Verteidigung spielen die vorhandenen Waffen eine Rolle. Immerhin sehen weder Mytraner noch Menschen unbeteiligt zu, wenn man auf sie schießt! Vielmehr kann der Angegriffene eine Attacke pro Runde erwidern - die Waffe kann ich direkt vor dem Angriff wählen. Will ich also den erstbesten Schuss returnieren oder warte ich lieber, bis mich vielleicht eine bereits geschwächte Einheit angreift? Verhindere ich damit eventuell sogar den Angriff?

In einem leeren Fundament

Daraus ergeben sich interessante Spielräume - die Mytran Wars allerdings kaum nutzt, weil eben selten mehr als zwei Gegner gleichzeitig attackieren. Doch damit bleibt das Spiel wenigstens in sich schlüssig. Generell erschöpfen sich die guten Ideen nämlich sehr schnell, wenn sich jeder Einsatz im Grunde genau so anfühlt wie der vorherige: Man verschiebt Golems oder Mechs über feurige Gesteinswüsten, durch dichte Wälder, über eisige Gletscher oder ähnlich schicke Areale - spielerisch unterschieden sich die Missionen allerdings trotz der individuellen Ausrüstung kaum. Es fehlen einfach besondere Waffen, die mehr sind als das nächst größere Kaliber. Genauso fehlen Aufträge, die sich durch mehr unterscheiden als durch die Position der Widersacher. Es fehlt z.B. auch mal eine Welt, auf der man sich frei bewegen darf; in den meist sehr engen Canyons ist die taktische Vielfalt irgendwann einfach erschöpft. Stormregion hat eine richtige gute Grundlage geschaffen - dann aber vergessen, das Fundament auch auszugießen.

Trotzdem haben mich die manuelle Forschung und das eigenhändige Ausrüsten meiner Truppen immer weitermachen lassen. Denn gerade dann, wenn sich in Erwartung eines neuen, im Grunde aber bekannten Auftrags Ernüchterung einstellen wollte, musste ich erst noch meine frisch erfundene Plasmawaffe in Aktion erleben! Immerhin habe ich den Golem eben erst teuer erstanden, und auch das Erforschen der neuen Technik hat mich gekostet - Finanzen und Nerven.

Mytran Wars reizt die PSP nicht aus - spielt aber an sehr schicken Schauplätzen.
Denn man hat selten genug Geld, um sämtliche freigeschalteten Aggregate auch zu erforschen. Immerhin gibt es für jeden Maschinentyp unterschiedliche Ausrüstung, hinzu kommen spezielle Fähigkeiten für die für die Handlung wichtigen Charaktere sowie allgemeine Verbesserungen.

Das besondere Gefecht

Ich will also erleben, wie sich die Entwicklung bezahlt macht und starte deshalb trotz der längst eingeschlichenen Monotonie immer wieder einen neuen Auftrag. Ich könnte ja auch einen der alten Einsätze noch einmal angehen, um nicht nur das damals verfehlte Sekundärziel zu erreichen, sondern auch das geheime Ziel zu finden. Neben den Kämpfen sind es nämlich die optionalen Aufgabenstellungen, die den Taktiker am meisten fordern. Zum Trainieren gibt es zudem separate Gefechte - gewöhnliche Skirmishes, denen Stormregion allerdings eine besondere Note erteilt. Es reicht nämlich nicht, den Gegner auszulöschen.

Ziel ist es vielmehr, innerhalb von drei Runden markierte Positionen einzunehmen. Alle Einheiten, die am Ende des Zeitlimits nicht an einem solchen Hotspot stehen, werden schließlich vom Spielfeld entfernt, während weniger Markierungen als vorher neu generiert werden. Wessen Truppen als erste komplett ausgelöscht wurden, verliert natürlich - eine spannende Abwechslung zu den gewöhnlichen Kämpfen. Den Schwierigkeitsgrad bestimmt man dabei durch die Wahl eines der zahlreichen vorgefertigten Truppen-Kontingente. Neben den herkömmlichen Gefechten und speziellen kooperativen Einsätzen steht die Hotspot-Variante auch für Mehrspieler-Schlachten zur Verfügung. Schade, dass Mytran Wars aber nicht wie z.B. das betagte Field Commander online spielbar ist, dass es keinen Editor bietet und dass ich meine im Solospiel aufgebaute Armee nicht mit der eines Kumpels messen kann. Alles in allem bieten die lokalen Gefechte aber zahlreiche Möglichkeiten, sich über den WiFi-Äther als Feldherr zu beweisen.  

Fazit

Ich mag Mytran Wars, weil es packende Gefechte inszeniert, in denen nur ein guter Plan die Mutter des Erfolges ist. Der Grund dafür sind vor allem die starken defensiven Möglichkeiten, welche auch die Gegner meist clever ausnutzen. Die richtige Aufstellung, die aktive Verteidigung und die defensiven Fähigkeiten können auf beiden Seiten dafür sorgen, dass jede der großen Kampfmaschinen ihrem Äußeren gerecht wird. Dass ich zwischen den Missionen meine eigenen Maschinen kaufe, zusammenstelle und neue Ausrüstung erforsche, gibt mir außerdem die Möglichkeit, den Kampf nach meinen Regeln zu gestalten. Doch warum bleiben die Entwickler mit ihrem guten Konzept auf der Hälfte des Weges stehen? Wieso laufen sämtliche Missionen nach dem gleichen Muster ab? Warum unterscheiden sich Mytraner und Menschen kaum? Weshalb bieten später erforschte Waffen kaum neue Möglichkeiten? Die anfänglich durchschimmernde Spezialisierung wirkt deshalb oberflächlich und die Einsätze werden deshalb schnell langweilig - in Verbindung mit der vergleichsweise unhandlichen Steuerung kommt schließlich irgendwann Frust auf. Frust darüber, was Mytran Wars hätte sein können. Denn was gut anfängt, lässt sich irgendwann im besseren Mittelfeld hängen. Schade!

Pro

taktisch fordernde Offensive und Defensive...
starke Gegner
interessante Geschichte
fordernde und kurzweilige separate Gefechte
umfangreiche Mehrspieler-Möglichkeiten...
individuelles Forschen und Aufrüsten, auf Wunsch automatisch

Kontra

... aber wenige taktische Finessen im Detail
unbequeme Steuerung macht präzises Vorgehen kompliziert
Freund und Feind gleichen sich zu sehr
Musik transportiert die Stimmung nur ungenügend- ... aber kein Onlinespiel
Missionen gleichen sich sehr
Spezialisierung bleibt zu oberflächlich

Wertung

PSP

Im Ansatz interessantes Taktik-Verschieben aus der Zukunft, das seine spielerischen Möglichkeiten leider nicht ausnutzt.

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