Klon-Armee
"Besser gut geklaut als schlecht selbst erfunden." Dieses Motto wurde bei Visceral Games anscheinend zum Credo erhoben: Klar, Dantes Inferno hat auch seine eigenen Ideen und Werte, aber gäbe es einen Preis für den dreistesten, gleichzeitig aber auch besten God of War-Klon, so ginge er ganz sicher an Electronic Arts. Angefangen bei Brunnen mit grünen Orbs für die Lebensenergie über den Einsatz von Magie bis hin zum dynamischen Kampfsystem erinnert vieles frappierend an den Kriegsgott aus dem Hause Sony. Würde nicht Dante in seiner Rüstung auf dem Bildschirm die Sense schwingen, könnte man auf den ersten Blick glauben, eine Fortsetzung von God of War in Aktion zu sehen. Doch nicht nur bei der Spielmechanik, sondern auch in Sachen Technik spielt man in einer ähnlich hohen Liga wie das große Vorbild. Hat man die ersten Gegnerwellen
Video: Sieht aus wie God of War und spielt sich wie God of War. Dante erweist sich als ein würdiger Herausforderer von Kratos. |
im Tutorial überstanden und dem Tod in einem ersten Bosskampf dessen Sense abgeknöpft, findet man sich kurze Zeit später schon im Limbus - der Vorhölle - wieder, um die verstorbene Geliebte Beatrice aus den Klauen des Teufels persönlich zu befreien.
Herr der neun Ringe
Gemäß der literarischen Vorlage besteht die Hölle aus neun Kreisen, die sich an den Todsünden orientieren. Je tiefer man gelangt, desto schwerer wiegen die Sünden der Verdammten. Dabei zeichnet sich jede Ebene im Spiel durch einen individuellen Stil aus und gestaltet Dantes Abstieg damit enorm abwechslungsreich: So stellen sich dem Helden im Abschnitt Wollust halbnackte weibliche Kreaturen entgegen, die nicht nur ihre Krallen, sondern auch ein organisches Anhängsel zwischen ihren Beinen ausfahren, das Assoziationen mit dem männlichen Geschlechtsteil weckt. Klingt krank? Ist es auch. Spätestens, wenn aus den Brustwarzen einer überdimensionalen Zombie-Kleopatra eine Horde ungetaufter Babys mit Klingen statt Armen heraus krabbeln, wird deutlich, dass die Entwickler ihrer "perversen" Kreativität freien Lauf lassen konnten. Dabei ist vor allem das Artdesign grandios: Wenn man im Kreis der Gewalt an einem Seil hängt und einen kochenden See voller Blut überquert, im Abschnitt der Völlerei das Fett eklig von den Wänden tropft oder den in Nebel getränkten Styx bei choralen Gesängen überquert, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst in den letzten drei Kreisen lässt die Faszination aufgrund der spröden Kulissen deutlich nach, die den vorherigen Schauplätzen bei weitem nicht das Wasser reichen können. Tiefpunkt ist der Besuch von Malebolge, bei dem man in immer gleich aussehenden Arenen diverse Herausforderungen meistern muss. Gerade verglichen mit den vorherigen Kreisen, in denen man mit verstörenden Bildern und kreativem Design nur so gestrotzt hat, ist der Weg zum Finale enttäuschend und wird nur durch den Kampf gegen Luzifer und den vorherigen Weg über einen brüchigen Eisweg gerettet.
Hier kommt der Boss
Überhaupt sind die Endgegner neben dem Artdesign einer der Höhepunkte von Dantes Reise: Schon Hadesrichter Minos zeigt als Wächter zum Tor der Hölle, wo der Hammer hängt und stellt die Reflexe des Helden beim Ausweichen und den obligatorischen Quicktime-Events auf eine harte Probe. Doch auch spätere Begegnungen, etwa mit Cerberus in Schildkrötenform, hinterlassen bleibende Eindrücke beim Spieler und ein tiefes Durchatmen, wenn man die teils haarsträubenden Kämpfe überstanden hat. Erst gegen Ende verliert man zunehmend den Respekt vor den größeren Brocken, da man seine Fähigkeiten selbst weiterentwickeln und sich ihnen entsprechend selbstbewusst entgegen stellen kann.