Assassin's Creed: Bloodlines04.12.2009, Jan Wöbbeking
Assassin's Creed: Bloodlines

Im Test:

In Moskau war es der Trend des Sommers: Statt sich in Clubs das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen, trafen sich junge Twens zu Parties auf den Dächern der Metropole, um abseits aller Hektik die Seele baumeln zu lassen. Assassin's Creed folgte vor zwei Jahren einem ähnlichen Prinzip. Statt gemütlich Wodka zu schlürfen, ärgerte Held Altair lieber seine Mitmenschen mit diversen Klingen, doch auch Ubisofts Spiel bezieht einen Großteil seiner Faszination aus der wunderhübschen Aussicht. Anders als in Teil 2 für Xbox 360, PS3 und PC dürfen Handheld-Besitzer ein zweites mal in die Rolle des Assassinen schlüpfen und mit ihm den Blick schweifen lassen. Leider ist mittlerweile dichter Nebel aufgezogen.

Trübe Aussichten

Der weiße Dunst ist beinahe so dicht wie bei einem Ausflug ins Weserbergland, wenn man einen diesigen Tag erwischt. Die Entwickler haben das trübe Wetter nicht ohne Grund aufziehen lassen: Während Altair auf einem hohen Turm hockt und sich einen Überblick über die Stadt verschafft, blinken ein paar Blöcke weiter ganze Häuserfronten ins Bild und werden genau so schnell wieder ausgeblendet. In der PSP tickt natürlich kein Next-Gen-Grafikchip - das ändert aber nichts daran, dass die gelegentlichen Pop-ups nicht gerade für die Illusion einer glaubwürdigen Stadt sorgen. 

Aus der Nähe betrachtet glänzt der PSP-Ableger von Entwickler Griptonite mit fein ausgearbeiteten Gewändern und Steinoberflächen...
Auch die plötzlich aufploppenden Texturen-Detailstufen vermitteln nicht gerade das Bild echter Bäume oder Steinplatten.

Nach dem Späh-Ritual auf dem alles überragenden Aussichtpunkt wird eine neue Markierung auf der Karte angezeigt. Also stürze ich mich mit einem beherzten Satz dutzende von Metern in die Tiefe und lande wohlbehalten in einer kleinen Schubkarre voller Heu. Diese Wägelchen stehen in vielen der Gassen herum und dienen mir in brenzligen Situationen als Versteck vor alarmierten Wachen. Kaum springe ich ins getrocknete Gras oder in einen der Pavillons auf den Dächern, interessieren sich die aufgescheuchten Verfolger nicht mehr für mich. Hier unten in den engen Gassen macht die Grafik sogar einen richtig hübschen Eindruck: Mein Assassine rauscht windschnittig in seiner stilvollen Kapuzenkutte durch die Häuser, von denen manche das Auge sogar mit brüchigen Oberflächen verwöhnen.

Wo geht's lang?

Die Minimap nebst praktischen Pfeilen weist mir den Weg durch die offene Stadt besser als jedes Navi. Einen genaueren Überblick verschaffe ich mir per Select-Taste mit der großen Karte: Mein Ziel ist das Quartier einiger Widerstandskämpfer, welche sich vor den Tempelrittern versteckt halten.  Die Geschichte knüpft an den Vorgänger an. Altair hat seinen verräterischen Ordensmeister aus dem Weg geräumt, doch schon einen Monat später rotten sich die Templer auf Zypern zusammen. Sie wollen sich wieder einmal den mysteriösen Edenapfel unter den Nagel reißen, welcher ihnen als Gedankenmanipulator dienen soll.

...doch starker Nebel, gelegentliche Pop-ups und tumbe Passanten zerstören die Illusion einer glaubwürdigen Stadt.
Als Altair davon Wind bekommt, besucht er die Insel, damit die Templer seinem Assassinen-Orden gar nicht erst auf die Pelle rücken.

Streng genommen schlüpfe ich übrigens gar nicht in die Rolle von Altair, sondern in die eines Nachfahren. Wie in der Reihe üblich, erlebt dieser mit einer technischen Apparatur die Erinnerung seines Ahnen. Die Aufträge des Assassinen sind abwechslungsreich inszeniert und gut in die Geschichte eingebunden. Zunächst muss ich z.B. einen Hauptmann beseitigen, damit ein in die feindlichen Reihen eingeschleuster Mann seinen Platz einnimmt. Dank seiner Hilfe kann ich mich später leichter in die Festung schmuggeln, um dort Frederik den Roten auszuschalten. Er ist ein wichtiger Vertrauter des Kommandeurs Armand Bouchard und für die Ausbildung neu angeworbener Krieger zuständig.          

Mehr Abwechslung?

Neben Attentaten und Missionen mit Stealth-Einschlag gibt es noch ein paar andere Aufträge. Als Bote liefere ich eine Nachricht unbemerkt bei einem Widerstandskämpfer ab, verfolge eine Verräterin oder prügle Informationen aus einer flüchtigen Person heraus.

Die häufigen Schwertkämpfe gestalten sich zu leicht und einförmig.
In letzterem Fall darf ich nicht versehentlich mit dem Schwert zuschlagen und auch nicht mit meiner schicken kleinen Klinge aus dem Ärmel zustechen. Stattdessen wähle mit einem Druck auf das untere Dreieck des Steuerkreuzes die bloßen Fäuste an. Zwischendurch gibt es mittelmäßig synchronisierte Zwischensequenzen in Echtzeitgrafik zu sehen.

Aber fast immer, wenn ich voller Enthusiasmus zum Zielpunkt über die Dächer gekraxelt bin, wurde ich kurz darauf vom einförmigen Kampfsystem enttäuscht. So abwechslungsreich sich die Missionen auf den ersten Blick geben - am Ende wurde ich meist doch wieder von drei Kämpfern umringt, die ich mit den immergleichen Kombos und Konterattacken beseitigen musste. Während des Gefechts drücke ich im richtigen Rhythmus auf die Quadrat-Taste, um eine Reihe einfacher Schlagserien und im Idealfall einen tödlichen Nachschlag auszulösen. Oder ich warte mit bombenfester Deckung auf den ersten Angriff meines aufgeschalteten Gegners und starte einen Sekundenbruchteil später einen Konter. Wie in einem guten alten Spaghetti-Western warten die übrigen Schläger meist brav darauf, bis sie an der Reihe sind. Selbst wenn es ihnen zu bunt wird und sie doch attackieren, lässt sich meine Deckung problemlos wechseln. Schlimmstenfalls werde ich ein bisschen über den Hof oder gegen eine Wand geschleudert. Letzteres kostet mich aber auch nur einen Punkt auf der großzügigen Energieleiste, welche sich schnell wieder erholt.

Pimp my Knife

Im Shop lassen sich Energie, Tarn-Fähigkeit, Wurfmesser-Vorrat und andere Eigenschaften meines Helden ein wenig aufmotzen. Bezahlt wird mit den Templer-Münzen, welche auf Dächern und in Nischen versteckt liegen. Auch durch Nebenmissionen lerne ich die im Spiel besuchten Städte besser kennen. Während ich durch die Gassen laufe, zeigt ein Symbol z.B. an, dass eine unbewaffnete Anwohnerin von Templern bedroht wird. Leider endet die Szene wieder einmal im üblichen Kampf-Trott gegen ein Grüppchen mich umkreisender Krieger.

Um nach dem erfolgreichen Kampf nicht in ein weiteres Scharmützel mit patrouillierenden Wachen zu geraten, klettere ich wieder auf die Dächer und turne zum Zielpunkt meiner nächsten Hauptmission. Dank vieler kleiner Vorsprünge und überstehender Steine gelange ich fast immer in Sekundenschnelle nach oben - zumindest, wenn mit die Steuerung keinen Strich durch die Rechnung macht. Zu Beginn stoße ich mich noch viel zu oft von Wänden ab,

Gib mir die Kugel: Sektenführer "Moloch der Bulle" kollaboriert mit den neuen Machthabern.
die ich eigentlich erklimmen wollte. Mit der Zeit lässt sich die Steuerung auch ohne einen zweiten Stick einigermaßen in den Griff kriegen. Trotzdem hätten die Entwickler eine weniger starre Kamera einbauen können. Halte ich die L-Taste gedrückt und bewege die Sicht mit den vier Aktionstasten umher, lässt sich die Umgebung nicht immer so einfangen, wie ich es mir wünsche - gerade nach oben und unten fehlt vor Kletteraktionen oft der Überblick, was mitunter mit einem beherzten aber tödlichen Sprung in die Tiefe mündet.

Ausflug über die Dächer

Diesmal hat mein Alter Ego den Aufprall überlebt, doch die Aktion hat eine Patrouille aufgescheucht. "Warum läuft er?" fragt ein hinter mir stehender Gegner. Das Augen-Symbol verrät mir, dass er mich misstrauisch beäugt. Also halte ich die X-Taste gedrückt und schlurfe langsam und mit gesenktem Haupt an meinen Feinden vorbei. Diese Gebetspose wird "Untertauchen" genannt. Im ersten Teil ergab die Bezeichnung noch Sinn: Dort wirkte es mitunter tatsächlich so, als würde Altair sich unauffällig durch eine Menschenmenge wurschteln. Doch auf der PSP wirkt der Begriff albern: Wenn zwei bis drei Passanten über einen großen Platz irren, kann man wohl kaum von einem Untertauchen in der Masse sprechen. Die zypriotischen Einwohner sind zudem nicht gerade mit Intelligenz gesegnet. Zu ihren liebsten Hobbys gehört stures Marschieren gegen massive Wände und das Tauchen, nachdem sie in voller Montur vom Steg ins Wasser geplumpst sind. Zum Glück stellen ihre Besatzer sich nicht ganz so dumm an.     

Fazit

Schade, Altairs PSP-Ausflug versprüht bei weitem nicht das Flair der übrigen Teile. Eine nebelverhangene, von Pop-ups geplagte Stadt wirkt nicht so eindrucksvoll wie Häusermeere oder weite Steppen. Die mit feinen Accessoires ausgestatteten Kutten der Passanten sehen zwar richtig schmuck aus, doch wenn jener Kuttenträger wieder und wieder vor eine Wand stolpert und schließlich im Meer versinkt, ist die Illusion dahin. All zu tragisch ist das aber nicht: Mit der durchwachsenen Kulisse verhält es sich ähnlich wie bei einem Retro-Spiel-Abend: In den ersten Minuten fragt man sich noch, wie man das Geflacker früher ausgehalten hat und schon nach ein paar Minuten fällt es gar nicht mehr auf. An ein viel wichtigeres Merkmal des Spiels konnte ich mich dagegen auch nach Stunden nicht gewöhnen: Die monotonen und viel zu leichten Kämpfe. Die Entwickler haben sich viel Mühe gegeben, meine Begegnungen mit den Templern abwechslungsreich zu inszenieren und in die Geschichte einzubinden. Doch letztendlich läuft es viel zu oft darauf hinaus, dass mir ein kleines Grüppchen von Kriegern gegenübersteht, welches ich mit den immer gleichen Kombos und Attacken abfertigen muss.

Pro

<P>
abwechslungsreiche Aufträge, welche aber...
detaillierte Charaktere und Gewänder
mystische Musikbegleitung
unterhaltsame Tempelritter-Story
Aufgaben sind gut in die Geschichte eingebunden</P>

Kontra

<P>
...zu oft in monotonen Schwertkämpfen münden
einfaches Kampfsystem
unpraktische Kamerasteuerung
zu niedriger Schwierigkeitsgrad
unglaubwürdiges "Untertauchen"
regelmäßiges Sound-Stottern
Passanten laufen gegen Wände und ins Wasser
geringe Weitsicht
Kulissen wirken zu leblos
häufige Pop-ups und Schnittstellenfehler</P>

Wertung

PSP

Aufgrund technischer Probleme und monotoner, zu einfacher Kämpfe versprüht Altairs Ausflug auf zypriotische Dächer nicht den bekannten Charme.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.