Valkyria Chronicles 202.09.2010, Benjamin Schmädig
Valkyria Chronicles 2

Im Test:

Der Krieg ist vorbei - es lebe der Krieg! Und was sollte man im Genre des martialischen Schachschiebens auch anderes erwarten? Nur ist es diesmal nicht der Zweite Europäische Krieg, sondern eine Rebellion, die den Gallianern zu schaffen macht. Löblich, dass Sega der PSP mal keine Vorgeschichte und keinen Ableger, sondern eine waschechte Fortsetzung zudenkt! Bleibt die Frage, ob Valkyria Chronicles II beim Sprung von PS3 auf PSP Federn lassen muss?

Live dabei

Ein Bäcker! Man überlege sich das mal: Da gewinnt Welkin Gunthers Truppe den Krieg um ein frei erdachtes Europa quasi im Alleingang und was ist zwei Jahre später aus dem großen Taktiker geworden? Ein Bäcker! Gut, genau genommen streift er durchs Land und fotografiert die Fauna und seine inzwischen mit ihm verheiratete Kameradin Alicia schmeißt die Backstube. Ja, das hat ziemlich wenig damit zu tun, dass im Nachfolger Kadett Avan Hardins und seine Mitschüler im Rampenlicht stehen. Deren Geschichte ist allerdings genauso hanebüchen. Der neuerliche Sprechblasenquatsch übertrifft sogar den zumindest grundsätzlich ernsthaften Vorgänger. Vielleicht spielt die Handlung ja deshalb kaum eine Rolle, weil sich alles um die witzig in Szene gesetzten Figuren dreht.

Video: Avan macht sich bereit für den Krieg - mit viel Schwung und guter Laune.Denn die müssen immerhin eine Rebellion innerhalb Gallias unterdrücken, während Welkins ehemalige Kameraden anderswo zur Sicherung des erst zwei Jahre jungen Frieden abgestellt wurden. Doch welcher der Charakterköpfe ist für welchen Einsatz am besten geeignet?

Die Eigenheiten der Kämpfer entstammen ebenso dem PS3-Erstling wie die wichtigste spielerische Besonderheit: die Mischung aus Rundentaktik und Echtzeitkampf. Hier werden keine starren Symbole über eine Landkarte gezogen, hier bewegt man die zu setzende Einheit live und per Schulterblick über das Schlachtfeld. Natürlich finden im Moment des Zugs nicht sämtliche Truppenbewegungen in Echtzeit statt. Man steuert die gewählte Einheit aber manuell, geht hinter Sandsäcken oder Mauern in Deckung und gerät sogar unter Beschuss, weil Truppen mit Gewehren und Pistolen automatisch das Feuer eröffnen. Jeder Zug kostet einen Kommandopunkt und um eine gute Wertung zu erhalten, muss man je nach Auftrag möglichst schnell alle Feinde ausschalten oder die gegnerische Basis einnehmen. Hier kommt eine weitere Besonderheit ins Spiel: Jede Einheit darf theoretisch in jeder Runde so viele Züge ausführen wie Kommandopunkte vorhanden sind. Mit jedem folgenden Zug kann sie zwar weniger weite Strecken zurücklegen, trotzdem kann das mehrmalige Ziehen wichtig sein.

Stück- statt Gesamtkunstwerk

Anders als auf PS3 finden die Gefechte dabei nicht in weitläufigen Arealen statt. Stattdessen führt der Weg durch enge, verwinkelte Schauplätze, die in zwei oder drei kleine Gebiete unterteilt sind. Ist die Handheld-Weiterführung dem Original also unterlegen, weil man lediglich im richtigen Augenblick mit den richtigen Truppen das Ziel stürmen muss? Nein, im Gegenteil sogar. Es stimmt zwar, dass die fehlende Freiheit das Geschehen wesentlich überschaubarer macht - das Gefühl, als großer General zu dirigieren, kommt nie auf. Im Kleinen geben aber gerade gut befestigte Positionen richtig schwere Kopfnüsse auf. Ähnliches gilt für die Teilung der Einsatzgebiete, denn natürlich ist es ernüchternd, nur in kleinen Arealen zu taktieren. Das wird dadurch ausgeglichen, dass man seine

Bis auf kleine Änderungen gleichen die Kämpfe denen des PS3-Vorgängers.
Einheiten meist schon vor dem Kampf an verschiedenen Lagern absetzen darf. So könnte man über die gut verteidigte Brücke direkt zum Ziel marschieren, den langen Weg wählen oder den Feind gar in die Zange nehmen. Ähnlich wie im ersten Valkyria Chronicles kann man später dann an jedem eroberten Lager ungenutzte Einheiten in den Kampf schicken. Anders als auf PS3 gibt es jedoch bedeutend mehr Lager und gewählte Kämpfer werden sofort eingesetzt, anstatt erst im folgenden Zug das Spielfeld zu betreten. Die taktischen Möglichkeiten sind damit vielfältiger.

Dazu tragen auch die neue Moral und die veränderte Verarztung bei: Wird ein Kadett verletzt, muss man zwar immer noch binnen drei Runden einen Kameraden zu ihm oder ihr schicken, um den Verwundeten im Krankenlager wieder aufzupäppeln. Kommt die Rettung zu spät, stirbt der Verwundete allerdings nicht mehr, sondern wird drei Missionen lang im Lazarett kuriert. An die Stelle von Verzweiflungstaten rückt also die Entscheidung, ob man die Rettung riskieren sollte. Die allgemeine Moral wirkt sich hingegen auf die Kampfkraft aller Einheiten aus. Sie wird nicht nur von der Anzahl der Abschüsse bestimmt, sondern auch von der Menge der eroberten Lager. Gerade später könnte es deshalb wichtig sein, erst den Siegeswillen zu steigern, bevor man eine feindliche Stellung angreift. Andererseits sollte man auf keinen Fall dem Feind zu viele Lager überlassen.    

Nord oder Süd oder egal?

Dass Teil zwei einige Macken des Vorgängers einfach weiterführt, gefällt mir dagegen weniger. So fehlt in der Schulterperspektive nach wie vor eine Anzeige der verbleibenden Kommandopunkte, obwohl man gerade nach einen Schusswechsel wissen muss, ob man einen weiteren Zug machen könnte oder die Figur in Sicherheit ziehen sollte. Auf den Übersichtskarten vermisse ich zudem einige Markierungen von Höhenunterschieden. Abgesehen davon wirkt die Echtzeitbewegung immer dann aufgesetzt, wenn ein Kämpfer geschützt ist, obwohl er aus Sicht seines Gegners vor der Deckung hockt. Unterm Strich zählen die herkömmlichen Eigenschaften eines Feldes also doch mehr als das vermeintliche Live-Gefecht. Am schwersten wiegen aber offensichtliche Fehler im Verhalten des Gegenspielers: Immer wieder lässt der feindliche Befehlshaber Kommandopunkte ungenutzt, die ihm zum Sieg verhelfen könnten. Immer wieder greift er nach einer Bewegung nicht an, obwohl es ihn keine Kommandopunkte kosten würde.

Kleine Areale ersetzen die großen Schlachtfelder des Vorgängers.
Und schließlich führt Valkyria Chronicles II das übertriebene Recycling bereits gesehener Schauplätze ein. Wer nämlich auch die freiwilligen Einsätze erledigen will, wird wieder und wieder und wieder in demselben Kampfgebiet abgesetzt - mal im Norden, mal im Süden; der Unterschied ist vernachlässigbar.

Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich lobenswert, dass Avan und die anderen Kadetten Dutzende Aufträge erledigen müssen. Ein gelungener Einsatz trägt nämlich nicht nur zur Charakterentwicklung bei - die Missionsstruktur ist auch angenehm offen. Denn bevor man den nächsten wichtigen Einsatz starten darf, muss eine bestimmte Anzahl an Missionen erledigt werden. Schon hier hat man die Wahl zwischen verschiedenen Aufgaben. Zusätzlich darf man weitere freie Aufträge annehmen und sogar besonders lohnenswerte Missionen kaufen. Geld sowie Erfahrungspunkte gibt es dabei nach jedem Sieg. Die finanziellen Mittel fließen in die Rüstung. Will man bessere Gewehre entwickeln oder die Rüstung der Grenadiere verstärken? Will man den Panzer oder den Truppentransporter ausbauen? Braucht man einen neuen Geschützturm oder will man auf dem Schlachtfeld Brücken bauen? Erfahrungspunkte dienen zum Aufwerten einer ganzen Klasse - alle fünf Erfahrungsstufen erhält man dabei einen neuen Befehl, mit dem man den Kadetten im Gefecht z.B. mehr Feuerkraft oder eine bessere Verteidigung verleihen kann.

Die Entwicklung der Charaktere und Charakterklassen ist deutlich umfangreicher als im Vorgänger: Gab es in Valkyria Chronicles noch Kundschafter, MG-Schützen, Panzerfaust-Träger, Techniker, Scharfschützen und Panzer, gehören die Scharfschützen jetzt den Kundschaftern an. An ihre Stelle tritt die Klasse der Techs. Techs tragen keine Schusswaffe, schicken im Nahkampf aber manchen Feind mit nur einem Hieb auf die Matte und können Minen entschärfen. Überhaupt sind die Klassen jetzt genauer definiert, so dass z.B. nur Techniker heilen können. Man muss also noch besser überlegen, welche Kadetten man in den Kampf führt. Avan darf seine Klasse übrigens jederzeit wechseln.

Einzelkinder und andere Freaks

Die Kämpfer unterscheiden sich außerdem von ihren Vorgängern, weil es jetzt für jede der fünf Klassen zwei Unterklassen mit zwei bzw. vier Spezialisierungen gibt. So können Kundschafter zu Scharfschützen werden, während weitergebildete Nahkämpfer mächtige Schwerter schwingen dürfen.

Bis zu vier menschliche Kameraden dürfen gemeinsam gegen die Rebellen vorrücken.
Weil sich mit jeder Spezialisierung auch Grundwerte wie Lebenspunkte oder maximale Laufwege ändern, will die Ausbildung gut überlegt sein. Clever, wie Sega dabei die Individualisierung fördert! Denn für eine Spezialisierung benötigt man nicht die globalen Erfahrungspunkte. Vielmehr muss ein Kadett für eine Weiterbildung bestimmte Aufgaben erfüllen. Es handelt sich mal um den Sieg über eine bestimmte Anzahl an Widersachern, ein andermal um das Heilen eines Kameraden oder das Erobern eines Lagers. So wachsen die jungen Helden spürbar mehr ans Herz als die des Zweiten Europäischen Krieges. Zudem haben die Charakterköpfe auch diesmal teils unheimlich praktische, teils unglaublich verquere Eigenheiten. Joachim fühlt sich als jüngstes Kind etwa außen vor gelassen, wenn er sich als letzter bewegen darf - er schießt dann weniger präzise und verteidigt sich schlechter. Chloe kann hingegen auch nachts gut sehen, was ihre Treffergenauigkeit erhöht. Sega wagt sich sogar an rassistische Nuancen, denn aus historischen Gründen werden die so genannten Darcsens von einigen Bevölkerungsgruppen Europas gemieden oder gar gehasst. Marion ist in der Nähe eines Darcsen etwa so abgelenkt, dass sie bei einem Angriff größeren Schaden nimmt.

Was dem Zweiten Europäischen Krieg auf PS3 schließlich noch fehlte, war nicht zuletzt die Möglichkeit, per AdHoc-Verbindung gemeinsam in den Kampf zu ziehen - sei es mit- oder gegeneinander. Auch hier setzt die Fortsetzung an, denn ich müsste statt des nächsten Auftrags einfach eine kooperative oder eine Versus-Mission anwählen und schon könnte ich die Rebellen mit bis zu vier Befehlshabern bekämpfen oder mein Können mit dem eines menschlichen Gegenspielers messen. Ziehen Gleichgesinnte ins Gefecht, bewegen sie ihre Einheiten dabei gleichzeitig, was unangenehme Wartezeiten verringert. Schön zu sehen, dass sich Sega trotz der technischen Einschränkungen so umfassend um PSP-Taktiker kümmert!  

Fazit

Wenn man sieht, wie sinnvoll die Änderungen den taktischen Rahmen erweitern, ist es bedauerlich, dass die Fortsetzung nicht auf den weitläufigen Schlachtfeldern des PS3-Vorgängers stattfindet. So bekämpft man die Rebellion in Gallia leider in sehr engen Gebieten und kehrt noch dazu immer wieder an bereits besuchte Schauplätze zurück. Es ist zwar immer eine Herausforderung, den Gegner ohne Verluste zu besiegen, aber der große Krieg bricht hier nicht aus. Was auch an allzu offensichtlichen Schwächen der feindlichen Befehlshaber liegt. Dass die ständige Wiederkehr in die bekannten Areale trotzdem spannend ist, liegt an sinnvollen Änderungen wie der Wahl zwischen schnellem Verarzten oder einem längeren Aufenthalt im Lazarett. Vor allem aber liegt es an der umfangreichen Charakterentwicklung, denn für die zählen nicht nur Geld und Erfahrungspunkte beim Abschluss eines Auftrags. Es stehen erneut die Charaktereigenschaften der kindischen Querköpfe im Vordergrund: Schräge Eigenheiten wirken sich im Kampf aus und damit sich ein Kämpfer spezialisieren kann, muss er sich zunächst im Gefecht beweisen. Natürlich gewinnt die Sprechblasen-Geschichte weder Oscar noch Literaturpreis. Amüsant ist die Mangaerzählung aber allemal - die Verbindung charakterlicher und spielerischer Fähigkeiten gelang selten besser als in Valkyria Chronicles!

Pro

umfangreiche Charakterentwicklung
freies Aufrüsten von Waffen und Fahrzeugen
etliche Missionen
Kämpfe können wiederholt werden
taktisch interessante Aufteilung der begrenzten Areale
vielfältige Handlungsmöglichkeiten im Kampf
Truppen verteidigen automatisch
Einheiten können verwundet/beschädigt werden
Mehrspielergefechte mit- und gegeneinander
Wesenszüge spiegeln sich in Fähigkeiten wider

Kontra

begrenzte Gänge statt offener Areale
ständiges Wiederholen der gleichen Abschnitte
nicht immer voller Überblick in Kampf
und Kartensicht
viele belanglose Sprechblasen
starre »Feldeigenschaften« statt echter Deckungsberechnung
Gegner lässt offensichtliche Möglichkeiten ungenutzt

Wertung

PSP

Eine gelungene Fortsetzung, der ein paar kleine spielerische Mängel zu schaffen machen.

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