echoshift10.03.2010, Benjamin Schmädig
echoshift

Im Test:

Wirft man in der Selbsthilfegruppe für PlayStation 3-Programmierer den Begriff "Mehrkern-Prozessor" in den Raum, hallt einem ein gefährlich grollendes Echo zurück. Der Grund: Das Gehirn erwachsener Menschen kann sich die von der Konsole gewollten parallelen Prozesse nur mit Mühe vorstellen. Aber Sony bleibt hartnäckig und will beweisen, dass man mit spielerischer Leichtigkeit lernen kann, bis zu neun gleichzeitig ablaufende Vorgänge zu überblicken. Gegenstand der Beweisführung: echoshift (ab 4,42€ bei kaufen).

minimal. genial?

Nein, mit dem auf den ersten Blick ähnlichen echochrome hat dieser schwarzweiße Minimalismus wenig zu tun. Zwar geleitet man wie im Vorgänger eine Marionette zum Ausgang, der hinter Fallgruben und Blockaden versteckt ist. Aber zum einen läuft die echoshift-Figur nur auf zweidimensionalen Ebenen und zum anderen kommt es ohne optische Täuschungen aus. Geblieben ist die audiovisuelle Extravaganz: Weil das stilisierte Alter Ego zwischen Mozart und Glass über grob skizzierte Plattformen stakst, wirken die Rätsel aus dem Hause Artoon wie intellektuelle Designstudien - was in Zeiten von Braid oder The Misadventures P.B. Winterbottom 

Echoshift ist eine minimalistische audiovisuelle Designstudie - und bereitet auf außergewöhnliche Art und Weise Kopfzerbrechen.

zwar nicht außergewöhnlich, aber angenehm eigenständig wirkt.

Dabei verschafft man sich einen ausführlichen Eindruck von Eingang, Ausgang, Fallen und sämtlichen Hindernissen, bevor man das Rätsel mit der X-Taste startet. Das ist wichtig, weil nach dem Tastendruck ein unerbittlicher Countdown tickt. Mal hat man 30 Sekunden Zeit, mal 40, mal 50 - das ist die Zeit in der die Marionette ihr Ziel erreichen muss. Groß sind die Levels dabei nie; bunte Barrieren und klaffende Abgründe machen sie aber zu vertracktren Labyrinthen. Theoretisch ist es ganz einfach: Man drückt einen bunten Knopf und schon verschwindet das gleichfarbige Hindernis oder die gleichfarbige Brücke wird begehbar...

Ein Echo macht an!

Aber erstens kommt es anders und zweitens schafft man es fast nie, innerhalb des Limits alle Schalter zu betätigen und den Ausgang zu erreichen: Die Lösung Ist die Zeit abgelaufen, spult echoshift bis automatisch zum Startbildschirm zurück. Dort kann man Luft holen und alles noch einmal durchdenken. Wenn man den Level dann schließlich von Neuem startet, ahmt ein Schatten sämtliche Bewegungen und Aktionen nach, die man zuvor getätigt hat. Die Brücken, die dieses Echo aktiviert, stehen jetzt dem aktuellen Alter Ego zur Verfügung, so dass man mit diesem weitere Wege öffnen kann. Bis zu acht Echos darf man so fabrizieren, spätestens mit der neunten Marionette muss man den Ausgang erreichen.

Einer öffnet das Tor, der nächste überbrückt den Abgrund - in der ersten Stunde ist echoshift ein gemütliches Geradeauslaufen mit Rückspulfunktion. Knifflig wird der Zeitschluckauf allerdings dann, wenn sukzessives Schalter-Ablaufen nicht mehr ausreicht. Stattdessen müssen die Echos bald so koordiniert werden, dass

Video. Dieser Clip stellt die ungewöhnliche parallele Zeitverschiebung vor.

spätere Schatten mit ihren Vorgängern quasi zusammenarbeiten - "quasi", weil sie ja nie auf der gleichen Zeitebene interagieren. Man muss also schon beim Erstellen des ersten Schattens wissen, wann der zweite und dritte was tun sollen. Und es ist ein ungemein erhabenes Gefühl, wenn man die alles entscheidende Marionette im perfekt abgestimmten Ballett ans Ziel dirigiert!

Echoshift ist Multitasking in Reinform - die Arbeitsweise multipler PS3-Prozessoren als spielerische Herausforderung. Doch wo sich ein Konsolen-Programmierer keine Fehler erlauben darf, ist die monochrome Rätselwelt nachsichtiger: Ein Neustart ist jederzeit möglich und auch die Tatsache, dass man vor jedem Lauf einer neuen Marionette eine Übersicht über den kompletten Level erhält, erleichtert den Überblick. Das ist wichtig, weil zu den gewöhnlichen Hebeln bald solche hinzukommen, die nur so lange aktiv sind, wie die Figur auf dem Schalter steht. Später muss man auch Mauern zerstören, was umso schneller geht je mehr Echos sich daran beteiligen. Oder es wollen fast durchgehend schwarze Levels ausgeleuchtet, Zeitschalter im richtigen Augenblick aktiviert oder tödliche Verfolger zum Stillstand gezwungen werden.

Verhinderte Rätselmeister

An Ideen mangelt es nicht in Artoons Rätselparadies. Man kann ihm aber vorwerfen, dass man des Rätsels Lösung zu selten erkennen kann, bevor man nicht eine Hand voll Probeläufe absolviert hat. Immerhin winken bis zu drei Sterne, falls man mit möglichst wenig Echos den Ausgang erreicht. Man will also effektiv ans Ziel gelangen - mit neun Marionetten schaffts ja jeder. In Anbetracht der ständig tickenden Uhr fehlt aber

Vertrackte Rätsel, dunkle Levels: Leider führen sehr oft nur viele Probeläufe zum Ziel.

eine Pausefunktion, die auch mitten im Spiel das ruhige Betrachten des gesamten Spielfelds erlaubt. Paralleldenker mit einem IQ unterhalb der Schallgrenze sollten sich deshalb auf unnötig viele Fehlstarts- und Neustarts einstellen; dass vor jedem Neustart und nach jedem Zurückspulen eine kurze Ladeunterbrechung ansteht, kommt dem Kopfnüsse-Knacken dabei nicht zugute.

Im Gegenzug erweitern die Entwickler ihre bereits stattlichen 56 Levels um weitere Knobeleien, von denen die ersten drei kostenlose im PlayStation Network angeboten werden. Vier weitere Download-Slots stehen im Menü des Spiels jetzt noch zur Verfügung - ob es auch darüber hinaus Nachschub geben soll, konnte uns Sony noch nicht mitteilen. Auf einen Editor wie in echochrome verzichtet man diesmal leider. Dafür warten in jedem Level drei Herausforderungen: Neben dem normalen Erreichen des Ausgangs, muss man in Variante zwei noch den an einem schwer zugänglichen Fleck platzierten Schlüssel auflesen und kann in Variante drei pro Marionette die Zeit für jeweils drei Sekunden anhalten. So soll es um Bestzeiten gehen - die allerdings nirgendwo auftauchen. Es gibt auch keine Highscore-Listen, mit dem Internet verbindet sich echoshift ohnehin nicht und die einzige Anforderung für die drei Sterne ist auch hier das Erreichen des Ziels mit möglichst wenig Echos.    

Fazit

Den eleganten Minimalismus in allen Ehren: Obwohl es spielerisch gänzlich neue Wege geht, kommt echoshift genau wie sein Quasi-Vorgänger nicht aus der Konzeptphase hinaus. Es ist unterhaltsam und fordernd, die vielen Levels nach Lust und Laune in nahezu beliebiger Reihenfolge zu meistern! Es fehlt aber die Motivation, auch nach dem kurzen U-Bahn-Spiel dranzubleiben. Zu häufig wurde das unkomplizierte Knobeln zuvor von Ladepausen unterbrochen, zu oft musste man zermürbende Fehlversuche abspulen, um den Level überhaupt zu verstehen. Unterm Strich ist echoshift allerdings auch mehr als ein weiteres interaktives Puzzle, denn die etwas verkopfte Designstudie fordert wie kein anderes Zeitverdrehen das parallele Denken in mehreren zeitlichen Dimensionen. Man verliert sich gerne in dem vertrackten Austüfteln der multitasken Chronologie - als Belohnung winken sehr ungewöhnliche, dank der mangelnden Variation aber auch recht kurze Erfolgserlebnisse.

Pro

verlangt ungewöhnliches Parallel-Denken
drei leicht verschiedene Spielvarianten pro Level
zahlreiche Levels ohne strikt vorgegebene Reihenfolge
edler audiovisueller Stil

Kontra

häufige Ladepausen unterbrechen Spielfluss
dritte Spielvariante ohne echtes Ziel
wichtige Levelübersicht ohne Zeitdruck nur vor Levelbeginn
viele notwendige Fehlversuche und langwierige Neustarts

Wertung

PSP

Ungewöhnliches Knobeln auf verschiedenen Zeitebenen - dem auf Dauer leider etwas die Puste ausgeht.

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