Disgaea 2 - Dark Hero Days12.02.2010, Mathias Oertel
Disgaea 2 - Dark Hero Days

Im Test:

Manche Spieleserien altern wie ein guter Wein. Nippon Ichis Disgaea-Taktikrollenspiele gehören zweifellos in diese Kategorie. Zeitlos gut begeistern die Abenteuer, die abgefahrenen Humor mit spielerischem Tiefgang sowie technisch hoffnungslos veralteter Kulisse vereinen, bereits seit 2003 auf Sony-Systemen. Mit Dark Hero Days, der erweiterten Neuauflage von Disgaea 2 - Cursed Memories, werden nach Afternoon of Darkness erneut die PSP-Strategen ins Gefecht gerufen.

Wie alt ist zu alt?

Zocker älteren Jahrgangs und Spieler mit Hang zu Ausgefallenerem erinnern sich gerne an Ogre Tactics oder Final Fantasy Tactics. Immerhin haben diese Titel gewaltigen Anteil daran gehabt, das Genre des Taktik-Rollenspiels zu entwickeln und zu prägen.

Auf die Spitze getrieben wurde diese bis vor gar nicht all zu langer Zeit von vielen immer noch als "Freakgenre" belächelte Mixtur aus Schwerter-Schach und RPG-Elementen von Nippon Ichis Disgaea. Humorvoll, mit liebenswerten Charakteren gefüllt sowie ausgestattet mit haufenweise Features, die für einen enormen Tiefgang sorgen, war dieses Kleinod ein wahr

Zugegeben: Schön oder zeitgemäß ist anders. Die Qualitäten der Disgaea-Serie waren jedoch schon immer inhaltlicher Natur.
gewordener Traum. Und Albtraum zugleich: Denn was die Inhalte alles an Wünschen erfüllen konnten, blieb die Kulisse schuldig. Sprites, die sich mit Minimalanimationen auf dreidimensionalen Umgebungen bewegen, waren schon zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung hoffnungslos veraltet und hätten eher zur PSone gepasst - oder zum SNES, wenn man ganz böse sein möchte.

Andererseits macht es diese kaum Anforderungen stellende Grafik auch einfach, mit dem Taktik-Spektakel neue Benutzerschichten anzusprechen. Dementsprechend wurde Disgaea 1 auch auf DS und PSP veröffentlicht - und machte dort Spaß wie eh und je. Auf der PSP konnte Disgaea sogar eine höhere Wertung ernten als seinerzeit auf der PS2. Verantwortlich dafür waren zusätzliche Inhalte sowie eine vorzügliche Anpassung an die Hardware, bei der die visuellen Mankos einmal mehr zugunsten der Spielmechanik und der taktischen Tiefe unter den Teppich gekehrt werden konnten.

Sehr gute Voraussetzungen also für die Handheld-Umsetzung von Disgaea 2 (D2).

Humor ist Trumpf?

Vielleicht war es keine gute Entscheidung, die Geschichte nicht mehr wie im Vorgänger um den Dämonenprinzen Laharl, seine Vasallin Etna sowie ihre Prinnys, ergebene Pinguin-Sklaven, zu konzentrieren und statt dessen einen neuen Konflikt mit neuen Charakteren heraufzubeschwören. Denn sowohl lang- als auch kurzfristig sind die neuen Helden nicht ganz so erfrischend und ihre Dialoge nicht ganz so spritzig und humorvoll wie im Vorläufer - obwohl das Ziel in D2 sehr ähnlich ist: Die Vernichtung eines Overlords. Das soll nicht heißen, dass sowohl der menschliche Adell als auch die mit ihm verbundene Overlord-Tochter Rozalin (oder auch Rozy) als Figuren blass bleiben. Nur sind ihre Probleme und Motivation nachvollziehbarer, geerdeter, erinnert hin und wieder eher an das melancholische Phantom Brave (Link zum Wii-Importtest) und damit natürlich auch weniger anfällig für überbordenden Humor als seinerzeit bei Laharl und Etna im Vorgänger.

Das bedeutet nicht, dass man hier auf abgefahrene Dialoge, schräge Figuren usw. verzichten muss. Doch wenn man dem Hauptziel folgt, weil man als Adell seine Familie wieder in eine menschliche Form zurückverwandeln muss, ist der Unterton schon deutlich ernster, als bei dem Unterfangen, ohne Kompromisse zum Overlord zu werden, wie es Laharl seinerzeit praktizierte und dabei mit gestrandeten Astronauten, aufmüpfigen Pinguinen und friedliebenden Engeln umgehen musste.

Mit den Geofeldern kommt eine zusätzliche Ebene in die taktisch fordernden Auseinandersetzungen.
Da aber die Helden des ersten Teiles hier einen nicht zu unterschätzenden Gastauftritt liefern und Nippon Ichi hinsichtlich des charakteristischen Humors glücklicherweise nicht aus seiner Haut kann, kommt es auch hier immer wieder zu Lachern - nur etwas stiller, als man es vielleicht erwarten mag, wenn man Teil 1 gespielt hat.

Taktik ohne Ende

Bei der Kampfmechanik hingegen werden alle Erwartungen übertroffen, die man nach dem Spielen von Disgaea haben möge. Dabei hat sich auf den ersten Blick nicht all zu viel getan: Nach wie vor ist man damit beschäftigt, sein Team aus Kämpfern verschiedenster Klassen vom Nahkämpfer bis zum Magier oder Heiler auf einem Schlachtfeld so gut wie möglich zu positionieren, auszurichten und Angriffe zu kombinieren. Dabei ist die Position zum Gegner ebenso Ausschlag gebend wie die verbündeten Figuren, die einen umgeben und für kombinierte Teamangriffe sorgen können. Doch während herkömmliche Taktik-Rollenspiele auf dieser Ebene bereits das Ende ihrer Mechanik erreichen, beginnt die Disgaea-Serie an dieser Stelle erst.

Figuren können z.B. aufgenommen und geworfen werden, damit sie größere Distanzen zu den Gegnern schnell überbrücken können. Dabei geht D2 sogar noch einen Schritt weiter als der Vorgänger: Denn wenn die Abstände stimmen, kann sogar eine Wurfkette gebildet werden.    

Doch das alles ist nichts gegen den ebenfalls aus dem Vorgänger bekannten und erweiterten Einsatz der so genannten "Geofelder". Dies sind farbige Felder, deren Auswirkung von einem der gleichfarbigen Geosymbole ausgelöst wird und die vielfältig sein kann. Von einer automatischen Heilung über Unbesiegbarkeit bis hin zu einer verringerten Angriffskraft ist das gesamte Spektrum an fördernden oder behindernden Faktoren möglich, das in die Positionsplanung einbezogen werden sollte. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man durch Zerstörung eines Symbols zusammen mit der Wirkung die Felder der gleichen Farbe verschwinden lassen kann, während alle darauf befindlichen Figuren (egal ob feindlich oder freundlich) Schaden nehmen. In fortgeschrittenen Arenen sind sogar Geoketten möglich, die verheerenden Schaden anrichten.

Die Gegenstandswelt ist eine probate Möglichkeit, um seine Waffen etc. zu verbessern.
Und wem das nicht reicht, der findet mit dem so genannten Magichange eine mechanische Anleihe aus dem PS3-Ableger Disgaea 3. Damit ist es möglich, seine allierten Monster in eine durchschlagskräftige Waffe zu verwandeln und sie gegen die Feinde einzusetzen.

Spiel außerhalb des Spieles

Mit weiteren Elementen, die auf den ersten Blick ausgelagert scheinen und wenig mit den eigentlichen Kern-Auseindersetzungen zu tun haben, auf den zweiten Blick aber wunderbar in den Ablauf eingepasst wurden, wird nicht nur die Spielzeit enorm verlängert, sondern D2 um einige gleichermaßen interessante wie motivierende Elemente erweitert. Dazu gehört z.B. die so genannte Gegenstandswelt: Dahinter verbergen sich Dungeons, die man nutzen kann, um seine benutzten Waffen auf neue Stufen zu bringen oder mit neuen Eigenschaften zu versehen, was wiederum ihre Durchschlagskraft erhöht.

Allerdings muss man sich in D2 noch mehr vorsehen, denn hier können unvorhergesehen die Ninja-Piraten auftauchen, die eine Kampfgruppe in Nullkommanix aufreiben und für enormen Frust sorgen können, da sie sehr übermächtig scheinen.

Eine Abwandlung der Gegenstandswelt ist das Gericht, vor das man von Zeit zu Zeit gerufen wird und zu dem man sich erst durchkämpfen muss, um seinen Urteilsspruch entgegen zu nehmen, wenn man z.B. zu viele Prinny-Pinguine geworfen hat oder sonstige Schandtaten begangen hat. Dabei sollte man aber sein Schubladendenken an der Tür abgeben. Denn in der Dämonenwelt sind solche Urteile das Salz in der Ehrensuppe und eine Auszeichnung sondergleichen. Und schwupps, ist der Humor auch gleich wieder deutlich spürbarer als in der eher schwermütigen Geschichte.

Die Dark Assembly gibt sich ebenfalls wieder die Ehre und hat wie im Vorgänger den Auftrag, nicht nur erstellte Figuren zu gewähren, sondern Spiel beeinflussende Entscheidungen vorzunehmen bzw. darüber abzustimmen. Das können z.B. neue bessere Gegenstände bei den Händlern sein.

Da bei diesen dämonischen Politikern die Abstimmung auch von ihrer Gunst zur Hauptfigur abhängt, liegt es an einem, herauszufinden, wie man sie auf seine Seite bringt - mal ist Gewalt ein probates Mittel, ein anderes Mal Bestechung. Oder aber man verzichtet auf ihre Unterstützung und macht einfach so weiter...

Man könnte noch ein paar Seiten mit allen Vorzügen und Möglichkeiten füllen, die D2 zu bieten hat. Doch letztlich läuft alles nur auf eines hinaus: Die Jagd nach dem Overlord bietet haufenweise wunderbar verzahnte Möglichkeiten, das Spielerlebnis auf seine Wünsche zuzuschneiden und so intensiv und weitreichend zu gestalten, wie es einem passt. Nur einsteigerfreundlich ist es nicht. Wer also glaubt, dass man Disgaea 2 "mal so zwischendurch" einlegen kann, kann gleich wieder umkehren. Nicht nur, weil man vom Umfang, den Möglichkeiten oder dem Tiefgang gefangen genommen wird, sondern weil Anfänger vom Wust an Optionen erschlagen werden und man trotz intensiver Tutorials eine steile Lernkurve zu bewältigen hat.

Außerdem lässt sich nicht verleugnen, dass sich im Vergleich zum direkten Vorgänger die Änderungen in überschaubaren Grenzen halten. Das wird allerdings wie bei Afternoon of Darkness durch zusätzliche Kapitel aufgefangen, die es seinerzeit in der PS2-Version nicht gab. Dennoch darf natürlich nicht vergessen werden, dass es sich bei Dark Hero Days letztlich nur um

Um im dunklen Kongress seine Wünsche durchsetzen zu können, kann man die Politiker auch mit einem Bestechungsversuch auf seine Seite ziehen.
eine Neuauflage handelt und Taktiker, die bereits auf PS2 die Netherworld erobert haben, trotz der neuen Kapitel nur wenig Anreiz zum nochmaligen Durchspielen finden werden.

Technische Reife

Machen wir uns nichts vor: Die Disgaea-Serie hat sich nie durch fulminante Kulissen hervorgetan und wird es aller Wahrscheinlichkeit auch nicht. Doch auch das macht den Reiz dieser Reihe aus, die nach wie vor einen beeindruckenden Beweis dafür abliefert, dass innere Werte es nahezu uneingeschränkt schaffen können, visuelle Schwächen in die Gleichgültigkeit abzuschieben.

Natürlich wünscht man sich insgeheim, dass Nippon Ichi irgendwann mal die Zeichen der Zeit erkennt und zumindest eine visuelle Qualität erreicht, die dem allgemeinen Standard der letzten SD-Konsolengeneration entspricht.

Doch bis dahin labt man sich an den inhaltlichen Stärken und genießt den kindlichen und an 32-Bit-Konsolen erinnernden Charme, den die mit wenigen Animationen versehenen Sprites vor den mit eher schwachen Texturen versehenen groben 3D-Kulissen verströmen.

Leider immer noch ein Manko -und das wird sich bei den Disgaeas vermutlich niemals ändern- ist das vollständige Fehlen jeglicher deutscher Texte oder Sprache. Man muss des Englischen mächtig sein, um sämtliche inhaltlichen Facetten ausschöpfen und die gesamten Feinheiten der Geschichte verstehen zu können. Für die ganz Harten im Sprachgarten gibt es allerdings die Möglichkeit, japanische Sprachausgabe einzuschalten.  

 

Fazit

Es ist schön, dass gewisse Gesetzmäßigkeiten in der schnelllebigen Videospielewelt scheinbar immerwährenden Bestand haben. Dazu gehört auch die unglaubliche Motivation, die von den Taktik-Rollenspielen der Disgaea-Serie aufgebaut wird. Systemübergreifend und ungeachtet des Alters sorgen die skurrilen Abenteuer aus dem Hause Nippon Ichi für Heidenspaß und fordernde Unterhaltung. Und da macht Disgaea 2 - Dark Hero Days auf PSP keine Ausnahme: Erzählerisch und in punkto Humor zwar nicht so überzeugend wie der Vorgänger, wird inhaltlich ein Feuerwerk abgebrannt, das Anfänger mit Optionen und Möglichkeiten erschlägt und mit dem so genannten Magichange-Feature sogar den Bogen zum PS3-Ableger schlägt. Fordernde Auseinandersetzungen, abgefahrene Charaktere und haufenweise Nebenschauplätze wie die Gegenstandswelt oder das Tribunal, in denen man sich schnell verlieren kann, lassen die  Zeit wie im Fluge vergehen. Wie man es von der Serie gewohnt ist, bleibt die Kulisse in der 32-Bit-Ära stecken und ist nach wie vor der eindrücklichste Beweis, dass innere Werte mehr zählen als jede Grafikpracht. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, wieso Nippon Ichi z.B. mit Übersichtsproblemen immer noch Altlasten mitschleppt und es einfach nicht schafft, diese Mankos auszumerzen. Dennoch: Wer die PS2-Version noch nicht gespielt hat und auch nur den Funken von Interesse für Taktik-Rollenspiele aufbringen kann, braucht Urlaub und Disgaea 2.

Pro

enormer taktischer Tiefgang
weitreichende Personalisierung
zusätzliche PSP-exklusive Kapitel
eingängige Steuerung
Charakter-Entwicklung auf zahlreichen Ebenen
haufenweise Zauber, Gimmicks und Specials
zufällig erstellte Dungeons in der Gegenstandswelt

Kontra

veraltete Kulisse
mitunter unfaire Momente in der Gegenstandswelt
steile Lernkurve

Wertung

PSP

Nicht ganz so humorvoll wie der Vorgänger, aber für Rollenspiel-Taktiker nach wie vor ein wahres Freudenfest und Motivationswunder.

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