InviZimals: Schattenzone02.12.2010, Jan Wöbbeking
InviZimals: Schattenzone

Im Test:

Vor einem Jahr erweckte Sony eine ganz besondere Spezies zum Leben: In Invizimals fetzten sich kleine Kampfmonster direkt im Wohnzimmer. Möglich wurde das Kunststück durch die Go!Cam. Steckte die kleine Kamera im Handheld, wurden die Tierchen in den abgefilmten Raum projiziert. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft geht die Pokémon-Konkurrenz in die zweite Runde. Wir haben überprüft, ob die Technik ihre Kinderkrankheiten mittlerweile überwunden hat.

Duell auf den Schreibtisch

Besitzer von The Eye of Judgment für die PS3 kennen die Technik, welche bewegte Figuren auf den Tisch beamt.  Auch auf dem gefloppten Handheld Gizmondo wurde schon damit experimentiert und der 3DS könnte das Thema der »Augmented Reality« dank zwei Kameras auf der Gehäuserückseite erneut ins Gespräch bringen. Doch statt über die Zukunft zu spekulieren,

Die Kämpfe sind klasse präsentiert: Es blitzt, rumpelt...
widme ich mich lieber wieder dem Geschehen vor meiner Nase. Auf dem Schreibtisch kabbeln sich schon zwei der angriffslustigen Invizimals. Links schlängelt meine Hydra geschmeidig über die Holzmaserung, rechts wartet ein Kriller genannter fetter schwebender Fisch auf seine Abreibung. Zwischen den beiden Kontrahenten liegt ein Pappkärtchen mit allerlei Symbolen und geometrisch angeordneten Linien.

Das Accessoire ist die Grundvoraussetzung für den Kampf, denn anhand seiner Ausrichtung erkennt die Kamera, in welcher Perspektive die Kontrahenten ins Bild montiert werden müssen. Wer die Go!Cam noch nicht besitzt, kann sich das Spiel (oder auch eine PSP-Konsole) im Bundle kaufen; es ist aber auch einzeln erhältlich. Besitzer der PSP Go sollten sich den Kauf gut überlegen: Die Go!Cam passt (trotz ähnlichen Namens) nämlich nur dann auf das Download-Handheld, wenn der nur in Japan erhältliche Adapter mit dem Namen »PSP Multi Use Connector« dazwischen steckt.

Es werde Licht!

Das Gefecht steigt z.B. auf dem Schreibtisch, dem Fußboden oder auch auf der Frisur von Kollege Dieter. Eine ebene Fläche minimiert allerdings Erfassungsfehler, welche die Kontrahenten wild hin- und her morphen lassen und so Verwirrung stiften. Auch eine gute Beleuchtung ist wichtig für stabil laufende Matches. Das visuelle Ergebnis kann sich wieder sehen lassen: Sogar einen realistischen Schatten mit fein ausgearbeiteten Kanten besitzen die Figuren. Die Illusion geht sogar so weit, 

...und manchmal manchmal werden sogar fette Risse und Löcher in den Untergrund gefräst.
dass ein Spinnenmonster vor dem Match in Windeseile ein Netz am Tisch befestigt, eine dunkle Höhle in den Tisch gräbt und sich darin versteckt. Durch die knalligen Comic-Farben sieht das zwar nicht wirklich realistisch, aber trotzdem glaubhaft aus.

Jetzt ist erst einmal der aufgeblähte Fisch fällig: Als die letzte Zahl des Countdowns verschwindet, attackiere ich mit einem schnellen Biss, der den gegnerischen Energiebalken ein gutes Stückchen leert. Leider darf ich meine Schützlinge noch immer nicht direkt steuern wie etwa im blitzschnellen Custom Robo Arena . Die Kämpfe laufen zwar in Echtzeit ab, doch mein Einfluss beschränkt sich auf gutes Timing beim Einsatz des Blocks und der Angriffe, welche Kategorien wie Brand, Gift, oder Schnitt zugeordnet werden. Am Prinzip hat sich nichts geändert: Ein Druck auf die Feuerknöpfe bewirkt, dass mein Invizimal selbstständig eine der unterschiedlich flotten Attacken ausführt.

               

Taktischer Schlagabtausch

Ähnlich wie bei der Genre-Konkurrenz sorgt das Schere/Stein/Papier-Prinzip dafür, dass je nach Gegenüber Attacken verpuffen oder viel Schaden anrichten. Wenn z.B. der fette Fisch, welcher zur Klasse »Ozean« zählt, sich mit Karacho auf meine Hydra (Fels) plumpsen lässt, juckt sie das nicht. Als besonders effektiv erweisen sich noch immer der Einsatz von Vektoren: Diese käuflichen Extras werden vor dem Match ausgerüstet und bringen z.B. einen Extraschub Energie oder Ausdauer. Auch zahlreiche Spezialattacken gehören dazu: Manche wie das Erdbeben werden nach wie vor durch etwas umständliche Gesten ausgelöst; andere wie ein Orkan durch schnelles Drehen des Analogknubbels.  Noch nerviger als die Gestenkommandos gestaltet sich das Auflesen der Funken:

Gran Turismo lässt grüßen: Im »Realitätsmodus« dürfen die Schützlinge fotografiert werden. All zu viele Reaktionen zeigen sie aber nicht, wenn man sie mit der Hand piesackt.
Wenn ich die für Vektoren wichtige Währung anhäufen möchte, muss ich sie mitten im Kampf mit dem Fadenkreuz in der Mitte des Bildes anvisieren. Das ist nicht nur genauso fummelig umgesetzt wie im Vorgänger, sondern führt sogar regelmäßig dazu, dass die Kamera die Karte kurzzeitig aus dem Fokus verliert. Das Ergebnis: Die Invizimals werden wild durch's Bild teleportiert und ich sehe eine feindliche Attacke nicht rechtzeitig kommen.

Ärgerlich ist auch, dass die Entwickler die witzlose Suche nicht überarbeitet haben. Eigentlich soll ich als Agent einer weltweiten Geheimbundes von Invizimals-Jägern meine Umgebung erforschen. Die namengebenden Energiewesen lassen sich nämlich nur mit dem in der PSP eingebauten Peilgerät aufspüren. Soweit die Theorie - in der Praxis merkt man schnell, dass es langt, sich ein paar bunte Gegenstände auf den Tisch zu legen und mit der Kamera anzuvisieren. Einer der Farbtöne führt todsicher zum Erfolg. Schlägt der Peilsender aus, muss ich die Kamera nur noch auf das vor mir liegende Kärtchen richten, denn es fungiert nicht nur als Kampfring, sondern auch als Falle. Manche Prüfungen nutzen die Möglichkeiten der »Augmented Reality« auf clevere Weise. Bei Außenstehenden sorgt das Prozedere dagegen für verwirrte Blicke: Die wilde Hydra feuert zum Beispiel mit Projektilen auf mich. Um nicht erwischt zu werden, muss ich tatsächlich vom Stuhl aufstehen und mit der PSP vor dem Schreibtisch herumtänzeln. Sobald sie erschöpft nach Luft schnappt, puste ich so lange ins Mikro, bis ihr langer Körper komplett mit Luft aufgepustet wurde und sie kapituliert.

Ein Herz für Retro-Games

Andere Fangspielchen fallen weniger kreativ aus: Der mexikanische Ocelotl gibt sich zum Beispiel geschlagen, wenn ich ihn schlicht und einfach mit dem Analogstick wie einen Breakout-Schläger bewege und den Highscore breche. Neuerdings lässt sich die Suche sogar kooperativ angehen, mangels zweiter PSP-Kamera konnten wir aber nicht im Duett durch die Redaktion stromern. Doch auch als Einzelkämpfer fühle ich mich nicht einsam, denn das Solo-Spiel wurde wieder prima in die Geschichte eingebunden. Zwischendurch erscheinen immer wieder alte Bekannte wie Keni und der Professor auf dem Bildschirm.

Um dieses Invizimal zu fangen, spielt man eine Runde »Ball-gegen-die-Wand«.
Mit Hilfe ihres PSPs nehmen sie Kontakt mit mir auf,  während ich mit ihnen um den Erdball reise und die mystischen Energiewesen erforsche. Auf den Straßen Barcelonas erfahre ich zum Beispiel, dass Gaudis kunterbunte Kunstwerke in Wahrheit als Hinweise auf die mystischen Kreaturen aufgestellt wurden. Auch das Antlitz von Bösewicht Campbell scheint auf meiner Forschungsreise wieder seine Finger im Spiel zu haben, denn ab und zu wird die Übertragung durch einen Störsender unterbrochen und sein Antlitz blitzt auf meinem Bildschirm auf. Die dauergrinsenden Darsteller von Jazmin und Keni wirken zwar wieder etwas zu aufgekratzt, aber davon abgesehen sind die Filmsequenzen professionell inszeniert und wurden auch in der deutschen Fassung gut vertont.

Nachdem ich einige der insgesamt 132 Exemplare Invizimals gesammelt und durch weltweite Club- und Turnier-Kämpfe hochgelevelt habe, wage ich den Schritt ins Internet: Es warten zwar nur wenige Dompteure in den Lobbies für Europa, Japan und Amerika, doch immerhin sind mir keine Lags aufgefallen. Wer den Kampf gegen übermächtige Gegner scheut (die Invizimals können sich im Laufe der 12 Levels weiterentwickeln), darf anderen Spielern auch ein Tauschgeschäft mit Tierchen, Vektoren und Funken anbieten. Einer meiner Tauschpartner hatte sogar einen grinsenden Sackboy im Angebot. Leider wurden die Menüs nicht so sauber programmiert wie der Netzcode. Manche Lobbies wollten sich partout nicht öffnen und einmal hängte sich meine PSP2000 sogar komplett auf.        

Fazit

Schade, dass Novarama sich nicht um die Schwächen gekümmert hat, welche mir schon im Vorgänger auf die Nerven gingen. Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal von Invizimals ist, dass ich in meiner eigenen Wohnung auf die Jagd nach kleinen Monstern gehen kann. Doch ausgerechnet diese Suche ist so leicht zu manipulieren, dass ich mir als Kenner des Vorgängers gar nicht mehr die Mühe gemacht habe, vom Stuhl aufzustehen. Einfach ein paar farbige Gegenstände anpeilen und schon startet eines der mal lustigen, mal faden Einfang-Minispiele. Auch das lästige Funken-Auflesen während des Kampfes wurde nicht verbessert und sorgt wieder für unnötige Technik-Aussetzer. Als ich mich damit abgefunden hatte, glänzte der zweite Teil aber wieder mit seinem großen Umfang. Ähnlich wie in Spectrobes macht es Spaß, seine Schützlinge zu sammeln, aufzupäppeln und zu tauschen - und vor allem, sie hübsch animiert auf dem eigenen Schreibtisch kämpfen zu sehen. Die Verschmelzung der Computergrafik mit dem Kamerabild funktioniert nach wie vor gut. Dank insgesamt 132 Exemplaren haben auch ausdauernde Spieler genug viel zu tun und können neuerdings sogar kooperativ auf die Jagd gehen. Invizimals Schattenzone sorgt also für ähnlich viel Kampf- und Sammelspaß wie der Teil 1, leidet aber auch unter den gleichen technischen Schwächen. Glücklicherweise stürzt das Spiel bei weitem nicht so häufig ab wie sein Vorgänger; also gab es diesmal keine Abwertung und wir vergeben trotz spielerischen Stillstands eine Endnote von 68 Punkten. 

Pro

meist gelungene Verschmelzung mit dem Kamerabild…
großer Umfang
putziges Design
geschmeidige Animationen
Internet-Duelle
durchdachtes Off- und Online-Tauschsystem
Story bindet den Spieler ins Geschehen ein
kooperative Jagd

Kontra

…Falle wird aber nicht immer korrekt erkannt
schlecht umgesetzte Monster-Suche
einige schwammige Gesten-Attacken
nerviges Funkensammeln wurde beibehalten
gelegentliche Fehler und Abstürze in Online-Lobbies
Musikstücke und Sounds zum Teil recycelt
Kommentare wiederholen sich oft

Wertung

PSP

Der zweite Invizimals-Teil protzt wieder mit großem Umfang und hübschen Monsterkämpfen auf dem Schreibtisch, leidet aber auch unter den gleichen technischen Problemen wie der Vorgänger.

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