Shin Megami Tensei: Persona 2 - Innocent Sin02.12.2011, Jens Bischoff
Shin Megami Tensei: Persona 2 - Innocent Sin

Im Test:

Neben dem Remake von Trails in the Sky gibt sich mit Innocent Sin dieser Tage gleich noch ein überarbeiteter Rollenspielklassiker die Ehre auf der PSP. Das bereits zwölf Jahre alte PlayStation-Original hatte leider nie offiziell den Weg in westliche Gefilde gefunden. Jetzt ist es so weit - doch versprüht es heute noch dieselbe Faszination wie damals?

Wenn Worte töten können

Auf der Seven Sisters Highschool von Sumaru City scheint ein Fluch zu liegen, der die einst so angesehenen Schüler reihenweise entstellt und sich maskieren lässt. Gerüchten zufolge ist ein beliebtes Handyspiel dafür verantwortlich und in der Welt von Innocent Sin sind Gerüchte das Maß aller Dinge. Einmal in Umlauf gebracht, nehmen sie gnadenlos Gestalt an. Drei Schüler wollen dem Phänomen auf den Grund gehen und entdecken dabei verborgene Kräfte, verdrängte Erinnerungen und dämonische Abgründe.

Die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verschwimmen, Träume und Ideale werden missbraucht, während skurrile Gestalten mit mysteriösen Absichten auf den Plan treten. Mit Hilfe ihrer eigenen Dämonen, so genannter Personas, stellen sich die schon bald von zwei, Serienkennern nicht unbekannten, Gesichtern begleiteten Schüler dem drohenden Chaos entgegen, das sie quer durch die sich verändernde Metropole und ihre geheimnisvolle Vergangenheit führt.

Eine Welt nach Maß

Über eine Stadtkarte springt man von Bezirk zu Bezirk, wo man eine Reihe von Gebäuden und Schauplätzen aufsuchen, sich nach aktuellen Gerüchten umhören sowie selbst welche verbreiten kann. Daneben gibt es auch diverse Geschäfte, Institutionen und Vergnügungsmöglichkeiten wie ein geheimes Kasino, das aber erst öffnet, wenn man ein entsprechendes Gerücht verbreitet hat. Darüber hinaus kann man mit persönlich bevorzugten Gerüchten auch Einfluss auf das Warensortiment von Geschäften, die Baupläne von Gebäuden, sprich das Leveldesing, sowie das Auftauchen bestimmter Gegner nehmen.

Je nachdem, welche Gerüchte man verbreitet, ändern sich Spielverlauf, Leveldesign und Gegner.
Je nachdem, welche Gerüchte man verbreitet, ändern sich Spielverlauf, Leveldesign und Gegner.
Der durch individuell verbreitete Gerüchte und getroffenen Entscheidungen beeinflussbare Spielverlauf weiß auch heute noch zu begeistern. Auch die bizarre, mitunter durchaus bewegende Story hat kaum an Faszination verloren. Die nur dezent aufpolierte Inszenierung wirkt hingegen reichlich angestaubt: Die Kulissen erscheinen trost- und leblos, die Animationen plump und albern, die englischen Sprecher kommen nur im Rahmen von Kämpfen zum Einsatz, während filmische Einspielungen sehr kurz und selten sind.

Zudem ist die Qualität der Videos nicht unbedingt die beste. Lediglich das Intro wurde neu eingespielt, wobei das in meinen Augen wesentlich stimmungsvollere Original zum Glück nicht komplett raus geworfen wurde und via Videogalerie nach wie vor verfügbar ist. Löblich ist auch die Funktion, beim Soundtrack jederzeit zwischen Original und Remix wechseln zu können, wobei die Unterschiede eher tonqualitativer als kompositorischer Natur sind. Doch egal, für welche Abmischung man sich entscheidet, die musikalische Untermalung ist auch heute noch absolut hörenswert. Wer will, kann die einzelnen Stücke sogar spielintern als CDs erwerben und in aller Ruhe anhören. Alternativ liegt dem Spiel aber neben Kunstkarten und Poster auch eine echte Audio-CD bei.

Da fehlt doch was

Die taktischen Rundenkämpfe gefallen auch heute noch, deren Zufallsprinzip hingegen weniger.
Die taktischen Rundenkämpfe gefallen auch heute noch, deren Zufallsprinzip hingegen weniger.
Schade ist hingegen, dass man sich eine deutsche Lokalisierung gänzlich gespart hat und der in der japanischen Fassung noch enthaltene Quest-Editor samt Download-Funktion der Schere zum Opfer fiel. Zensurmaßnahmen bezüglich Figuren und Symbolik, welche kurioserweise bereits die US-Fassung betrafen sind hierzulande hingegen verständlich, auch wenn dabei etwas geschlampt wurde, was möglicherweise sogar eine Indizierung nach sich ziehen könnte.

Regionsunabhängig genießt man gegenüber dem PlayStation-Original von 1999 aber auf jeden Fall ein paar willkommene Komfortfunktionen wie eine stets sichtbare Minimap sowie die Möglichkeit Kampfanimationen und Ladezeiten zu verkürzen. Aufgrund der ständigen Zufallskämpfe und Unterbrechungen gestaltet sich der Spielfluss für heutige Verhältnisse dennoch ungemein zäh. Zwar wird die Wahrscheinlichkeit bevorstehender Übergriffe stets farblich angezeigt und man kann ungewollten Auseinandersetzungen später durch entsprechende Gegenstände oder Fertigkeiten teilweise aus dem Weg gehen, aber spätestens wenn man gezielt irgendwelche Dämonen jagen will, nervt das ladeintensive Glücksroulette gewaltig.

Dabei sind die rundenbasierten Gefechte an sich nach wie vor angenehm taktisch und facettenreich: Man wechselt zwischen verschiedneen Personas, um feindliche Schwachstellen auszunutzen, verbündet sich mit Teamgefährten, um massiven Schaden anzurichten und hält dabei stets ein Auge auf die leider nicht gegnerspezifische, sondern nur generelle Zugfolge, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Da mögliche Teamangriffe erst durch Experimentieren mit verschiedenen Fertigkeiten und Reihenfolgen zum Vorschein kommen und sich die einzelnen Personas stets weiterentwicklen und sogar mutieren können, kommt so schnell keine Langeweile auf.

Rede mit mir

Wer sich auf Diskussionen mit Gegnern einlässt, kann wichtige Infos und Gegenstände erhalten.
Wer sich auf Diskussionen mit Gegnern einlässt, kann wichtige Infos und Gegenstände erhalten.
Zudem sind die dämonischen Gegner nicht nur Kanonenfutter, sondern können auch kontaktiert werden, um sich mit ihnen anzufreunden, ihnen spezielle Tarotkarten zu entlocken oder sie verbal in die Flucht zu schlagen. Allerdings kann man sie dabei auch verärgern und bekommt dann ihren Zorn zu spüren. Da man für das Beschwören neuer Personas aber auf ihre Tarotkarten angewiesen ist, sollte man das Risiko schon eingehen.

Mit der Zeit findet man auch heraus, wie man welche Spezies am besten rum kriegt. Manche stehen auf Lob und Schmeicheleien, andere auf bestimmte Darbietungen und wieder andere auf mutiges Entgegentreten. Wer will, kann aber auch weitestgehend auf den Einsatz von Personas verzichten, mit konventionellen Waffen attackieren und seine Blessuren mit Heiltränken kurieren. Fühlt man sich unter- oder überfordert, kann man auch jederzeit den Schwierigkeitsgrad anpassen. Auch Speichern kann man fast immer und überall.

Praktisch ist auch, dass man sich die Stärken und Schwächen einmal besiegter Gegner via Analysefunktion immer wieder anzeigen lassen kann, um sich ihnen möglichst effektiv entgegenzustellen. Selbst während einer Auseinandersetzung kann man nämlich jederzeit Personas wechseln, Zugfolgen ändern und bereits gelernte Teamangriffe sondieren. Die angelegten Personas wirken sich zudem auf Resistenzen und Charakterwerte ihrer Träger aus, können teils nur von bestimmten Personen beschworen werden und verbrauchen je nach Trägertyp und -stufe unterschiedlich viel Energie.

Dumm und stumm

Im Spiel wird viel geredet, nur der Held bleibt gänzlich stumm.
In Sumaru City wird viel geredet, nur der Held bleibt gänzlich stumm.
Wer sich mit seiner Aufstellung besonders siegessicher ist, kann die Kämpfe auch automatisieren, worauf man vor allem bei Standardgegnern immer wieder gerne zurückgreift. Läuft's trotzdem mal nicht so, wie man will, kann man die Befehlsgewalt auch jederzeit wieder an sich zurückreißen und Anpassungen vornehmen. Unterschiedliche Presets oder eine vernünftige KI gibt es dabei allerdings nicht. Es werden lediglich zuletzt verwendete Aktionsfolgen wiederholt oder konventionelle Standardangriffe abgespult. Selbst die Zielwahl entbehrt oft jeder Logik und nimmt Gegner mit offenkundigen Resistenzen ins Visier, obwohl direkt daneben bereits auf Anfälligkeit durchleuchtete Kollegen stehen...

Wenig begeistert war ich auch vom einmal mehr stummen Protagonisten, der abgesehen von gelegentlichen Multiple-Choice-Entscheidungen äußerst passiv und profillos erscheint. Dass es keinen Highschool-Alltag wie in neueren Persona-Episoden gibt, empfand ich hingegen recht angenehm. Am Umfang des okkulten Mystery-Thrillers gibt es auch nichts zu mäkeln, wobei man auf Tempo und Inhalt teils gravierend Einfluss nehmen kann. Gewisse Entscheidungen können sogar dazu führen, dass man bestimmte Schauplätze gar nicht zu Gesicht bekommt oder völlig anders erlebt.

Fünfzig Stunden und mehr in Sumaru City zu verbringen ist jedenfalls kein Problem und aufgrund der nicht-linearen Struktur sind sogar mehrfache Besuche durchaus interessant. Zudem kann man auch einige optionale Nebenschauplätze und -aufgaben entdecken sowie im Stadttheater spezielle Miniabenteuer in Angriff nehmen, sein Glück im Kasino oder einer Lotterie auf die Probe stellen, legendäre Waffen ergattern oder besonders seltenen Personas nachjagen, wozu es nicht nur dem Manipulieren menschlicher, sondern auch dämonischer Gerüchteküchen bedarf.

Fazit

Im Vergleich zum PSP-Remake des Ur-Persona ist Innocent Sin deutlich besser gealtert. Auch inhaltlich und spielerisch hat es klar die Nase vorn. Trotzdem merkt man ihm sein Alter teils deutlich an: Die ständigen Zufallskämpfe und damit verbundenen Nachladeorgien zehren trotz Komfortfunktionen an den Nerven; die Grafik, insbesondere die Animationen, ist alles andere als zeitgemäß; der stumme Protagonist zeigt kaum Profil; die spärliche Sprachausgabe verschenkt jede Menge Atmosphäre. Zudem ist es schade, dass man für Zensuren Zeit gefunden hat, für eine deutsche Lokalisierung aber nicht. Nichtsdestotrotz sollte sich kein Rollenspieler, der das Original noch nicht kennt, davon abhalten lassen, in die dämonische Welt aus unerfüllten Träumen, geraubten Idealen und einflussreichen Gerüchten abzutauchen. Die Reise mag teils unschön und beschwerlich sein, weiß aber auch heute noch zu faszinieren, zu motivieren und für unvergessliche Momente zu sorgen.

Pro

üppiger Umfang
bewegende Story
taktische Rundenkämpfe
dynamischer Spielverlauf
motivierende Dämonenhatz
stimmungsvoller Soundtrack

Kontra

antiquierte Grafik
stummer, profilloser Protagonist
nervige Zufallskämpfe & Ladezeiten
kaum Sprachausgabe & nicht lokalisiert

Wertung

PSP

Ein trotz technischer und spielerischer Defizite auch heute noch ungemein packendes Dämonenabenteuer für lange Winterabende.

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