The Legend of Heroes: Trails in the Sky22.11.2011, Jens Bischoff
The Legend of Heroes: Trails in the Sky

Im Test:

Die bereits seit den frühen 90er Jahren existierende, aus Dragon Slayer hervorgegangene Legend of Heroes-Reihe kennen hierzulande wohl nur Import-Fans. Trails in the Sky ist der erste Ableger, der es offiziell bis nach Europa geschafft hat - wenn auch erst stolze sechs Jahre nach seiner Veröffentlichung in Japan. Das PC-Original ist sogar noch älter. Vielleicht zu alt für heutige Ansprüche?

Vater vermisst

Anime-Schnipsel wie im Intro hätte es ruhig mehr geben können.
Anime-Schnipsel wie im Intro hätte es ruhig mehr geben können.
Trails in the Sky ist der erste Teil einer Trilogie, die in Japan längst abgeschlossen wurde und Abenteurer ins Fantasyreich Zemuria entführt. Dort tobte vor einigen Jahr ein Krieg zwischen dem Königreich Liberl und dem Erebonischen Imperium. Zeit, den aktuellen Frieden zu genießen, gibt es für die beiden jugendlichen protagonisten Estelle und Joshua allerdings nicht. Denn seit Kurzem gehören sie wie ihr Vater Cassius der so genannten Bracer-Gilde an, eine Organisation, die sich überregional um die Sorgen und Nöte der Einwohner kümmert.

Während sich Estelle und Joshua ihre Sporen erst noch verdienen müssen, ist Cassius längst ein über die Grenzen ihres verschlafenen Heimatstädtchens hinaus bekannter und gefeierter Held. Doch eines Tages verschwindet er spurlos und hinterlässt viele offene Fragen. Klar, dass Tochter Estelle und Adoptivsohn Joshua der Sache nachgehen und nebenbei ihre Bracer-Karriere vorantreiben - nicht ahnend, in was sie sich da eigentlich verstricken...

Nur keine Eile

Der Auftakt des über fünfzigstündigen Abenteuers verläuft sehr gemächlich. Estelle und Joshua gehen ihren täglichen Pflichten nach, sammeln Erfahrungen und erhalten immer wieder Anhaltspunkte über den Verbleib und die letzten Machenschaften ihres Vaters. Doch auch während die Story später langsam Fahrt aufnimmt, verläuft das Abenteuer aufgrund der zahlreichen Nebenaufgaben insgesamt recht zäh. Zwar sind die meisten Aufträge rein optional, ohne die damit einhergehenden Belohnungen und Kampferfahrungen kommt man allerdings nicht weit.

Der Spielverlauf wird durch zeitraubende Gildenaufgaben oft unnötig in die Länge gezogen.
Der Spielverlauf wird durch zeitraubende Gildenaufgaben oft unnötig in die Länge gezogen.
Natürlich kann man alternativ auch einfach auf eigene Faust umherstreunende Monster verkloppen, bis Kassenstand und Charakterstufe stimmen, aber das hemmt den Spielfluss nur noch mehr. Zudem sind die zeitlich begrenzten und nicht immer offiziell ausgeschriebenen Einsätze zum Wohl des Volks durchaus unterhaltsam und facettenreich, wenn auch oft mit unnötig viel Such- und Laufarbeit verbunden. Die eigentliche Geschichte rückt dadurch immer wieder längere Zeit in den Hintergrund und verliert spürbar an Brisanz. Während eines akuten Notfalls irgendwelchen unwichtigen Bring- und Botendienste nachzugehen, weil sie sonst ablaufen, stört einfach.

Charmanter Spätzünder

Nichtsdestotrotz wartet der Spielverlauf mit einigen gelungenen Überraschungen auf. Zudem legen gegen Ende auch Spieltempo und Dramatik spürbar zu. Auch der Humor, obwohl manchmal etwas infantil und Klischee beladen, kommt nicht zu kurz. Schade nur, dass filmische Anime-Einspielungen auf Intro und Abspann beschränkt sind, Sprachausgabe lediglich in den Kämpfen erklingt und man auf eine deutsche Lokalisierung komplett verzichtet hat. Das ungleiche Heldenduo wächst einem mit der Zeit trotzdem ans Herz und auch der charmante Mix aus 2D- und 3D-Grafik weiß mit vielen liebevollen Details zu gefallen. Nur die frei umherstreunenden und zu Beginn oft erst sehr spät eingeblendeten Gegner wirken etwas mickrig - teils erkennt man nicht einmal, was eigentlich hinten und vorn ist, was Überraschungsangriffe entsprechend erschwert...

Manche Gegner sind so winzig, dass man sie fast übersieht.
Manche Gegner sind so winzig, dass man sie fast übersieht.
Später kann man potentielle Widersacher, mit entsprechenden Fertigkeiten ausgestattet, aber schon von Weitem sehen, seine eigene Anwesenheit verbergen, um sich in aller Ruhe anzuschleichen oder ungewollten Auseinandersetzungen komplett aus dem Weg gehen. Die Spielwelt präsentiert sich dabei als ein riesiges, zusammenhängendes Gebiet, dessen Schauplätze alle miteinander verbunden sind, auch wenn nicht immer alle Wege frei zugänglich sind und man in jedem der fünf Kapitel an eine bestimmte Region gebunden ist.

Dank praktischer Kartenfunktion findet man sich in den jeweiligen Regionen schnell zurecht. Dass man ausgerechnet in den oft mehrstöckigen Dungeons auf diesen Luxus verzichten muss, ist allerdings sehr enttäuschend. Auch dass man die Kamera vielerorts nicht frei rotieren kann, sorgt mitunter für Unmut. Bei manchen Schleichabschnitten wäre zudem eine Zoomfunktion nicht verkehrt gewesen. Aber sei's drum, die meiste Zeit ist die Übersicht vollkommen ausreichend, während das anfangs gewöhnungsbedürftig hohe Lauftempo auch längere Fußmärsche schnell verstreichen lässt.

Vielschichtiges Taktieren

Die durch Feindkontakt initiierten Kämpfe laufen rundenbasiert auf schachbrettartigen Schlachtfeldern ab, auf denen man sich frei bewegen, mit Waffengewalt attackieren sowie Zauber, Fertigkeiten und Gegenstände einsetzen kann. Die dynamische Zugreihenfolge ist stets sichtbar und erlaubt einige taktische Finessen. Die Reihenfolge wird nicht nur durch die Art des Aufeinandertreffens und die Schnelligkeitswerte der einzelnen Charaktere beeinflusst, sondern ändert sich auch in Abhängigkeit der gewählten Aktionen. Zauber müssen sogar erst vorbereitet werden, bevor sie in Kraft treten.

Die rundenbasierten Kämpfe bieten gelungene taktische Facetten.
Die rundenbasierten Kämpfe bieten gelungene taktische Facetten.
Darüber hinaus kann man auch Energie für Spezialtechniken ansammeln und diese im passenden Moment entfesseln, um sofort an die Reihe zu kommen und massiven Schaden anzurichten. Zudem gibt es Fertigkeiten, um bereits initiierte Zauber zu unterbrechen oder Gegner in der Reihenfolge zurückzuwerfen. Doch damit nicht genug. Obendrein erscheinen immer wieder vorteilhafte Boni neben der Zugreihenfolge, welche einem Heilungen, Energieauffrischungen oder mehr Durchschlagskraft bescheren, wenn man im entsprechenden Moment am Zug ist.

Vorausschauend zu planen, ist oft sogar überlebenswichtig, da die Gegner ganz schön hart zuschlagen, fiese Statusbeeinträchtigungen erwirken und auch ihrerseits Spezialtechniken anwenden können. Als Ausgleich kann man aber nicht nur jederzeit den Spielstand sichern, sondern verlorene Kämpfe auch direkt wiederholen und mit einer anderen Taktik versuchen, den Sieg zu erringen. Wer sich gut vorbereitet und die Schwachstellen seiner Gegner kennt, die man mit entsprechender Fertigkeit gänzlich offen legen kann, wird aber höchstens ins Schwitzen geraten, wenn es autonom agierende KI-Gefährten zu schützen oder besonders fiese Bossgegner zu bezwingen gilt.

Helden nach Maß

Je nachdem wie man seine Fertigkeiten anordnet, beherrscht man unterschiedliche Zauber.
Je nachdem wie man seine Fertigkeiten anordnet, beherrscht man unterschiedliche Zauber.
Wer eine zusätzliche Herausforderung sucht, kann nach Spielende auch einen zweiten Durchgang starten, wo man neben zwei höheren Schwierigkeitsgraden auch die Übernahme von Errungenschaften und Besitztümern einschränken kann. Neben Ausrüstungsgegenständen wie Waffen, Rüstungen und Schmuck, kann man seine bis zu vierköpfige Party, auf deren Zusammenstellung man leider erst kurz vor Schluss Einfluss nehmen kann, auch mit elementaren Fertigkeitskugeln ausstatten.

Diese gewähren nicht nur Attributssteigerungen und Sonderfunktionen in Feld und Kampf, sondern verändern je nach Anordnung auch das Repertoire an Zaubersprüchen. Mit der Zeit findet man immer potentere Fertigkeitskugeln, kann aus erbeuteten Kristallsplittern selbst welche zusammensetzen sowie neue Halterungen öffnen, die je nach Charakter bestimmte Elementarladungen voraussetzen und Verzweigungen aufweisen. Die Zahl der persönlichen Steckplätze ist zwar überschaubar, bietet aber genügend Raum für Experimente und individuelle Vorlieben.

Liebevolle Kleinigkeiten

Selbst für Nebensächlichkeiten wie einen Auftritt im Schultheater finden Estelle und Joshuia Zeit.
Selbst für Nebensächlichkeiten wie einen Auftritt im Schultheater finden Estelle und Joshua Zeit.
An der Startformation bei Gefechten kann man ebenfalls Hand anlegen, um sich eine möglichst gute Ausgangssituation zu verschaffen. Es gibt sogar eine Feldküche, in der man mit den nötigen Zutaten stärkende Mahlzeiten servieren oder haltbare Snacks zubereiten kann. Die Rezepte dafür schaut man sich in Gaststätten und Imbissbuden ab. Manchmal kann sogar des Lesen eines Buchs neue Gaumenfreuden lehren. Hin und wieder stolpert man auch über mehrbändige Romane, die eigene Geschichten erzählen, Datenbanken, die Aufschluss über Aufenthaltsorte und Zusammenhänge geben oder Zeitungen, die über die jüngsten Ereignisse berichten, in denen man sich oft selbst wieder findet.

Zudem hat man jederzeit Zugriff auf eine stetig wachsende Monsterenzyklopädie, Rezeptsammlung, Weltkarte sowie Quest-Datenbank. Manchmal hat man zwar Probleme, bestimmte Personen ausfindig zu machen - aber lieber das, als ständig irgendwelchen idiotensicheren Markern zu folgen. Auch Schatzsucher kommen auf ihre Kosten, da manche Truhen trotz meist kompakter Schauplätze gut versteckt oder nicht so einfach zu erreichen sind. Erwähnenswert ist auch, dass dem Spiel fünf Kunstkarten sowie eine Soundtrack-CD mit über 30 Stücken beiliegen, wobei die musikalische Untermalung während des Abenteuers oft etwas unpassend wirkt und selbst in tragischen Momenten völlig unbeschwerte Klänge anstimmt...

Fazit

Trails in the Sky ist trotz seines Alters ein sehr ansehnliches und bis auf die eingeschränkte Kartenfunktion komfortables Handheld-Rollenspiel, in dessen weitläufiger Spielwelt man etliche Stunden verbringen kann. Doch nicht nur der Umfang weiß zu gefallen, auch das facettenreiche Kampf- und Fertigkeitssystem sowie die ausgeklügelte Story begeistern. Um so ärgerlicher ist es aber auch, dass der oft unnötig zähe Spielverlauf der Handlung immer wieder den Wind aus den Segeln nimmt. Schade auch, dass die rein englische Inszenierung gänzlich ohne Sprach- und Filmgewalt auskommen muss. Ansonsten bekommt man jedoch ein ungemein charmantes und motivierendes Abenteuer, das vor allem im letzten Drittel deutlich Fahrt aufnimmt und gekonnt überrascht, auch wenn ein PSP-Abschluss der Trilogie leider in den Sternen steht...

Pro

gewitzte Story
üppiger Umfang
charmante Optik
weitläufige Spielwelt
tolles Kampf- & Skill-System

Kontra

mitunter zäher Spielverlauf
keine Kartenfunktion in Dungeons
kaum Sprachausgabe & nicht lokalisiert

Wertung

PSP

Charmantes Rollenspielabenteuer, das trotz unnötiger Längen immer wieder überrascht und motiviert.

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Kommentare

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johndoe945852

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Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 10 Jahren
johndoe945852

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