Untold Legends: Brotherhood of the Blade11.09.2005, Benjamin Schmädig
Untold Legends: Brotherhood of the Blade

Im Test:

Monster, Kettenrasseln, Magie und Einkaufswagen voll mit Heiltränken, Rüstung und scharfen Klingen: Sony Online Entertainment recycelt auf der PSP die Routinen aus dem Hause Snowblind Studios und will nach Champions: Return to Arms auch Handheld-Besitzern einen spannenden Hack & Slash-Cocktail servieren. Bleibt die Frage, wieviel Staub ein Kellergewölbe verträgt, um Abenteurer trotzdem frisch zur Tat schreiten zu lassen. Die Antwort: Eine erstaunlich dicke Schicht...

Shakespeare kann es besser

Es fault etwas im Staate Aven: Einwohner werden vermisst, andere leiden an unerklärlichen Krankheiten und vor den Mauern der Stadt versammeln sich Monster, Untote und Geister, um eine uralte Prophezeiung zu erfüllen. Als dann auch noch gemeine Spinnen aus dem Untergrund kriechen und zum Angriff blasen, ist euer eigentlich symbolisches Dasein als Wächter der Stadt vorbei: Es ist Zeit, die Rüstung anzulegen und sich einen Weg durch das Getier zu schlagen.

Klingt nach spannendem Fantasyfutter? Ist es auch, jedenfalls auf dem Papier. Denn schon bald stellt ihr fest, dass in Aven und Umgebung weder viel gesprochen noch gehandelt wird. Was euch die NPCs zu sagen haben, wird ausschließlich schriftlich mitgeteilt

Einer der Bosse versperrt den Weg. Die großen Monster kommen auf der PSP richtig gut rüber.
und keiner von ihnen bekommt eine nennenswerte Entwicklung spendiert. Die Charaktere bleiben schemenhafter als vage Umrisse in einer Nebelbank. Schlimmer wiegt da nur, dass trockene Texte die Handlung nur schleppend voran treiben und nicht einmal den Hauch von Fantasy-Flair entfachen. Selbst in der englischen Originalversion fehlt der knarzige Charme, den das für gewöhnlich eingestreute (falsche) Mittelenglisch versprüht.

Champions Light

Story also mau, Gameplay ebenso? Weit gefehlt! Habt ihr erst mal eure erste Quest notiert und steigt aus den Wäldern um Aven in eins der über hundert Dungeons, kommt schnell Freude auf: Die zufällig generierten Level bestehen zwar aus den immer gleichen rechteckigen Kammern, ihr bekommt aber viel zu sehen, wenn ihr fortschreitet. Spätestens wenn die Größe der Räume zunimmt und Abwechslung bei der Innenarchitektur zulässt, ist die Ähnlichkeit zu den PS2-Titeln vom Schlage eines Baldur's Gate: Dark Alliance oder Champions of Norrath erkennbar. So ganz erreicht Untold Legends deren Kaliber allerdings nie.

Das fängt bei der Geschichte an und geht bei den Kämpfen weiter, denn das Monsterkloppen geht flott von der Hand und bietet alles, was es in den Vorbildern gibt: Von Nah- und Fernangriffen, Spezialfähigkeiten, Abwehrmanövern bis zu Magie ist alles da. Tatsächlich scheint die kurzweilige Action auf dem Handheld sogar besser aufgehoben als im Gamepad-Format, da sie schnell erlernt und für eine kurze Runde zwischendurch geradezu prädestiniert ist. Falls ihr auf den schnellen Kick aus seid, schlitzt ihr euch in null Komma nichts durch die Dungeons und selbst penible Schatzsucher plündern jeden Keller oder Wald in höchstens zwanzig Minuten. Einen Dämpfer bekommt der Ablauf nur durch die langen Ladezeiten verpasst, was spätestens dann verärgert, wenn im Inventarbildschirm alle Icons von der UMD geholt werden oder es eine geschlagene Minute dauert, sich vom Dungeon in die Stadt und zurück zu teleportieren, nur um zehn Sekunden lang Gegenstände zu verkaufen.

Dem flotten Ablauf kommt zugute, dass die Schwierigkeit nur langsam ansteigt und selbst später kaum Probleme bereitet. Bis auf das Verhauen der Ungetüme und Öffnen von Kisten gibt es allerdings auch nichts zu tun: Geschicklichkeitseinlagen, wie ihr sie u.a. aus Baldur's Gate: Dark Alliance kennt, sind leider Fehlanzeige und Zwischen- und Endgegner meist schneller erledigt als die Tram zur nächsten Station fährt. Das Gleiche gilt für das Aufleveln eures Charakters: Der gewinnt schnell an Erfahrung und freut sich mit jeder Stufe über neue Waffen, Schilde und Gegenstände wie Ringe oder magische Runen, mit denen ihr eure Werte oder die eurer Ausrüstung aufpeppt. Runen und Ähnliches lassen euch dabei

Echtes Eye Candy. Solche Glubschaugen verspeist ein wahrer Ritter zum Frühstück.
die Wahl, ob ihr sie mit Waffen oder Rüstung kombiniert, was genug Freiheit zum Experimentieren lässt, um euch allein damit bei Laune zu halten.

Suchtstoff mit Nebenwirkung

Im flotten Durchmarsch und dem ständigen Verbessern eurer Werte liegt denn auch das größte "Problem": Untold Legends macht süchtig! Sehr zeitig musste ich feststellen, wie flott sich mein Charakter aufmotzen lässt und wollte mehr davon. Genau deshalb musste ich aber auch ständig meine nach Unterhaltung lechzende Zockerseele im Zaum halten, die laut schrie: Wo ist die Abwechslung? Wieso hetze ich von Quest zu Quest, wenn die Story nicht mal den Geschehnissen im Big Brother-Haus das Wasser reicht? Und überhaupt: Wie kann man es wagen, einen derart spaßigen Titel so unfertig zu präsentieren?

Sicher: Die vier Charakterklassen decken alle Facetten im Rollenspiel-Bereich locker ab. Mit meinem Ritter schnetzle ich die Gegnerhorden in kleine Stücke und darf mich hin und wieder auch auf Pfeil und Bogen verlassen. Die Alchemistin feuert mit Giftwolken, die praktischen Kollateralschaden bei mehreren Feinden anrichten. Und wo der Berserker wütet, bleibt kein Stein auf dem anderen. Aber das ist alles altbekannt. Statt den Klischees einen frischen Farbton zu verpassen, bleiben die Figuren so blass wie Albino-Kaninchen.

Klar: Die Musik ertönt in feiner Fantasy-Manier und taugt auch für sich allein zum gelegentlichen Intermezzo. Die Soundkulisse ist sogar richtig klasse, denn wenn die Fackeln knisternd leuchten und ein befriedigendes Knacksen den Monstertot begleitet kommt Freude auf. Aber warum dudelt nur eine Hand voll Stücke nebenher, die nicht einmal dann zum Crescendo ansetzen, wenn ein Bosskampf ansteht? Dadurch geht die Akustik jedenfalls schnell auf die Nerven und kann ohne atmosphärische Einbußen auch abgestellt werden.

Und ja: Auch der Multiplayer-Modus ist vorhanden, so dass ihr euch zu viert durch das Abenteuer schlagen dürft. Seltsam aber, dass Sony Online Entertainment keine Online-Variante einbaut – nur über WiFi betätigt ihr euch als Helden-Trupp. Auch der Mangel an Optionen enttäuscht, da außer dem kooperativen Spiel nichts weiter geboten wird. Gerade in diesem Genre hält eine gute

Die zwei Kameraden hier freuen sich zu früh: So schnell lässt sich der Held nicht zu Aas verarbeiten.
Mehrspieler-Unterstützung noch lange nach dem Solospiel bei Laune – Blizzard hat gezeigt, wie's geht und die PSP hat alle Möglichkeiten dazu unter der Haube.

Schwierige Ansichtssache

Positiv darf vermerkt werden, dass man dem Handheld nicht anmerkt, dass es mit weniger Tasten auskommen muss als eine PS2 oder Xbox, denn alle Heiltränke, das Blocken und die Spezialangriffe werden unkompliziert ausgelöst. Die rechte Schultertaste dient dabei als Umschalttaste: Haltet ihr diese gedrückt, bekommen sämtliche Buttons andere Funktionen zugewiesen. Auf diese Art geht ihr in die Defensive oder wechselt zwischen Nah- und Fernwaffen. Nur das Drehen der Ansicht verlangt zuviel Fingerakrobatik, denn während ihr euren Charakter ausschließlich mit dem Analogstick lenkt, müsst ihr hier auf das Steuerkreuz umspringen. Das ist umso ärgerlicher, da die Kamera keine feste Position einnimmt, sondern jedes Mal anders positioniert wird, wenn ihr ein Dungeon betretet oder einen Spielstand ladet: Übersicht ade.     

Fazit

Ich kann es nicht lassen: Wie ein Junkie greife ich immer wieder verstohlen nach meiner PSP und tobe mich in der Fantasywelt aus – das Suchtpotential eines guten Hack & Slash-Abenteuers erreicht der knackige Snack locker. Und trotzdem merke ich, wie wenig Emotionen sich bei mir regen. Die Story lässt mich kalt und meinen Charakter rüste ich nur deshalb auf, damit er den fiesen Zombie mit nur einem Schlag erledigen und ich den neuen Monstersäbel zum Einsatz bringen kann. Ich will aber verdammt noch mal begeistert sein, wenn das Gameplay soviel Potential zeigt! Immerhin beweisen die Entwickler ungewollten Sinn für Humor und taufen den klischeehaften Mix auf den zynischen Namen "Untold Legends", zu Deutsch "Nicht Erzählte Legenden": Leider weit gefehlt.

Pro

<P>
massig Dungeons, Quests und Monster
atmosphärische Grafik
einfaches Prinzip
schnelles Aufleveln
Kombinieren von Gegenständen &amp; Waffen
süchtig machend
überzeugende Soundkulisse</P>

Kontra

lange Ladezeiten
wenig Abwechslung
unausgereifter Multiplayer
nichts Neues für Genrekenner
wenig Story mit minimalem Handlungsfaden

Wertung

PSP

Suchtstoff ohne Tiefgang für Monsterjäger und Itemsammler.

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