Test: Mercury (Geschicklichkeit)

von Paul Kautz



Mercury
Entwickler:
Publisher: Atari
Release:
01.09.2005
Spielinfo Bilder  
Den Namen Archer Maclean kennt jeder Oldschool-Gamer – allerdings nicht im Zusammenhang mit Puzzlegames, sondern mehr für Titel wie International Karate Plus (1987) oder Jimmy White’s Whirlwind Snooker (1991). Pünktlich zum PSP-Start meldet sich der Altmeister samt neuem Team wieder zurück an der Spieldesignfront – mit einem der ungewöhnlichsten Knobler der letzten Jahre.

Blubber-Held

Helden sind in Puzzle-Games rar gesät: Jeder mag die knuffigen Lemminge oder die Quietschprimaten aus Super Monkey Ball, aber man tut sich schon ungleich schwerer, einen L-Block aus Tetris anzuhimmeln. »Protagonist« in Mercury ist ein dicker Tropfen Quecksilber – schwierig zu knuddeln, noch schwieriger unter Kontrolle zu halten. Aber dafür sorgt dieser gelatineartige Ball für jede Menge rauchender Gehirnmasse, denn mit ihm lässt sich eine Menge anfangen: ihr steuert, anders als im vergleichbaren Klassiker Marble Madness, nicht den Blob direkt, sondern kippt den Level um ihn herum – und lasst die Schwerkraft ihren Zauber wirken. Anfangs müsst ihr nur an ein paar Hindernissen vorbeiblubbern um ins Ziel zu kommen, aber schon kurz nach dem einfachen Tutorial geht es ans Eingemachte: Bewegte Plattformen in unterschiedlichen Höhen, Förderbänder,
Hallo, ich bin ihr Held: Einen Quecksilbertropfen zu steuern ist im Spielegenre recht neu.
würfelige Gegner (die euch Körpermasse klauen), elektrische Felder, Türen, Teleporter, veränderte Gravitation – Entwickler Awesome Studios hat sich für die 72 auf sieben Welten (plus eine Bonuswelt) verteilten Levels ordentlich was einfallen lassen.

Die anfangs sehr simplen und leicht zu überschauenden Abschnitte werden schnell immer komplexer. Zu Beginn einer Stage bekommt ihr eine Echtzeit-Rundfahrt um euer Aufgabengebiet, danach geht es auch schon los. Ihr könnt die Kamera in 90°-Schritten drehen und etwas nach oben bzw. unten kippen, um stets die Übersicht zu bewahren. Trotzdem sind die meisten Levels kaum im ersten Versuch zu schaffen: Meist muss man per mühsamem Trial-and-Error die richtige Vorgehensweise herausfinden, woran das jederzeit mehr oder weniger unbarmherzig tickende Zeitlimit nicht ganz unschuldig ist – Schnarchnasen oder gemütliche Alles-Ausprobierer sind hier definitiv fehl am Platze. Ihr dürft nach jedem geschafften Level speichern (und ihn immer wieder spielen), außerdem können zwei Tropfen via WLAN gegeneinander antreten. Leider nicht kooperativ, sondern nur als sich gegenseitig nicht beeinflussende Geisterblubbs – außerdem benötigt jeder Spieler eine eigene UMD.

Wie der Terminator

Das simple Prinzip, das ihr am Ende jeder Welt einen Schalter betätigen müsst, um in den nächsten Abschnitt zu gelangen, treiben die Entwickler in mehrere Varianten auf die Spitze: Mal müsst ihr ein bestimmtes Gewicht haben (dürft also auf dem Weg zum Ausgang nicht zu viele Tropfen verlieren), mal müsst ihr das Ziel in sehr kurzer Zeit erreichen. Außerdem warten immer wieder Färbe-Stationen, in denen ihr eurem Silberball einen neuen Lack verpassen könnt, um so farblich codierte Türen passieren zu können. Anfangs ein Klacks, wird es später bunt: Ihr müsst euch an spitzen Wänden absichtlich teilen, getrennt zu verschiedenen Pinselschwingern kullern, zwei unterschiedliche Farben aufnehmen und euch wieder vereinen, um eine ganz neue Färbung zu erschaffen – puh! So könnt ihr innerhalb eines Abschnitts mehrere Schalter auf einmal betätigen, aber natürlich erfordern diese Spielchen besonders viel Konzentration, schließlich steuert ihr zwei oder mehr Blobs auf einmal. Leider gibt es keinerlei Sandbox-Modus, in dem ihr mit dem Quecksilber einfach
Ihr könnt euren Blob auch teilen und unterschiedlich einfärben.
herumwabern und euch an Steuerung und Hindernisse gewöhnen könnt. Begleitet werdet ihr von einem ruhigen, fast schon hypnotischen, und sehr abwechslungsreichen Soundtrack – immerhin hat jeder Level seine eigene Melodie!

Wer Terminator 2: Tag der Abrechnung gesehen hat, hat eine Ahnung davon, was ihn optisch bei Mercury erwartet: Der Quecksilberball blubbert wie der T-1000 physikalisch beeindruckend herum, bewegt sich träge zu Neigungen hin, dehnt und verdickt sich, verliert an Hängen einzelne Tropfen und fügt sich aus Einzelteilen harmonisch wieder zusammen – cool, und außerdem elegant chromglänzend! Der Rest ist dem Puzzler-Credo folgend recht bieder: nette Space-Hintergrundbilder, einfache Levelbauten, keine Echtzeit-Reflektionen – da gähnt der Grafikchip. Aber just durch diese Beschränkungen verströmt das Spiel einen feinen Retro-Charme, der es wieder in die Marble Madness-Ecke drängt. Leider sind die Ladezeiten gerade für das Gebotene eklig lang. Speziell vor Spielbeginn, noch bevor man ins Hauptmenü gelangt, kann man sich gemütlich einen Kaffee kochen.

   

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