Untold Legends: The Warrior's Code07.07.2006, Benjamin Schmädig
Untold Legends: The Warrior's Code

Im Test:

Sony hat sogar schon eine Fortsetzung der Fortsetzung angekündigt – exklusiv für PlayStation 3. Aber bevor ihr in der nächsten Generation Monster meuchelt, geht die Geschichte erst einmal auf dem Handheld weiter. Schon in Brotherhood of the Blade steckte viel Potential, das in der schwachen Präsentation versank. Ist The Warrior’s Code endlich ein packendes Abenteuer, das mehr bietet als Levelaufstieg & Co.?

Gezetert habe ich. Und geschrieen:

"Ich will aber verdammt noch mal begeistert sein!"

Die Ernüchterung nach einem Spiel, das mir eine Hornhaut über dem Daumen bescherte, obwohl es bloß das Charisma einer Scheibe Knäckebrot bot. Das 

In seiner Wechslerform richtet der Held den größten Schaden gegen Bosse an.
war vor einem Jahr. Heuer verschwindet der Nachfolger im UMD-Schacht und ich kann es kaum erwarten. Schließlich treiben jetzt Filme die Handlung voran, jede Dialogzeile wurde von Schauspielern gesprochen und von den per Hand gestalteten Schauplätzen erwarte ich mehr Eigenleben als von zufällig erwürfelten Abschnitten. Eine Erweiterung nach Vorschrift? Eigentlich schon. Aber dann wurde ich überrascht…

Muss ich den Ablauf eines beliebigen Hack’n Slays erklären? Das geradlinige Laufen vom Eingang zum Ausgang. Das ständige Knopfdrücken, um Spinnen, Orks und Schlagmichtot zu plätten. Das Sammeln von Rüstung, Waffen, Gegenständen. Das Aufbessern der Werte, damit man anschließend noch stärker trifft, noch besser blockt, noch mächtiger zaubert. Nein? Gut. Denn Warrior’s Code latscht durch die knietiefen Spuren seiner Vorgänger.

Ist das spannend? Ja!

Vielleicht liegt es am Jagdinstinkt der männlichen Chromosomen, vielleicht ist es der Sammeltrieb der weiblichen: Die erschreckend banale Grundlage des Verhauens und Auflesens geht fast von selbst auf – Untold Legends 2 ist da keine Ausnahme. Dabei schrecke ich vor ähnlichen Erfahrungen am PC zurück, weil ich mich beim Mausbewegen und Klicken nicht mit dem Helden identifizieren kann. Titan Quest, Sacred oder Diablo? Nein, danke. An Konsolen und Handhelds wachse ich aber in den Charakter hinein, da mir die Handgriffe am Gamepad schon in Fleisch und Blut

Zum Reinschauen:

übergegangen sind als 16-Bit  noch Utopie war.

Auf den ersten Blick ist es daher nicht erstaunlich, dass die simple Idee vom Nah-, Fern,- oder Magieangriff einfach von der Hand geht. Nach zweitem und drittem Hinsehen darf man vor Sony allerdings den Hut ziehen, denn die Entwickler entlocken dem simplen Aufbau viele Feinheiten. Wollt ihr als tumber "Hooligan" das Schwert schwingen und euch um Zauberei einen feuchten Kehricht scheren? Bitte sehr! Für Kenner ist das natürlich nichts Neues. Vielleicht seid ihr aber lieber als Schleicher unterwegs, mit dem ihr euren Gegner erst betäubt und anschließend in Ruhe zerlegt. Oder gefällt euch gar die Idee, die Gestalt zu wechseln, um als großes Monster Eindrücke in den Körpern eurer Feinde zu hinterlassen? No Problemo.

Das war’s?

Mitnichten. Gelegentlich holen die Unholde zu einem mächtigen Schlag aus – das ist der Moment des Gelegenheitsangriffs. Drückt auf Quadrat, während euer Gegenüber noch Schwung holt, und ihr versetzt ihm eine besonders starke Narbe. Haltet die Taste gedrückt und euer Kämpfer holt ebenfalls weit aus. Entweder stoßt ihr den Feind dann zurück oder ihr setzt zum Sprung an, lasst die Waffe gen Boden sausen

Der zweite Zwischengegner beherrscht zwar wenig Finessen, ist aber ein harter Brocken.
und gebt allen Fieslingen in der Umgebung gehörig Saures. Das ist zum einen cool und zum anderen eure durchschlagskräftigste Attacke. Aber Vorsicht: Bleibt der Daumen zu lange auf dem Knopf, ist die Gelegenheit vorbei. Ihr müsst eure Gegner also kennen und die Situation richtig einschätzen.

Das Aufladen kommt auch bei ganz normalen Hieben und Schüssen zum Einsatz: Holt ihr lange aus, schlagt ihr umso heftiger zu. Steht euch ein einzelner Bösewicht gegenüber, erledigt ihr diesen zwar in derselben Zeit wie ihr zum Krafttanken braucht, allerdings trifft der voll aufgeladene Schlag alle Monster in Reichweite. Nur die Zaubersprüche werden lediglich durch Zuteilen von Erfahrungspunkten stärker. Und davon kennt jeder Charakter immerhin zwölf – vom Schild über Blitze, die mehrere Opfer schwächen bis hin zu herbei gerufenen Mitstreitern.           

Kampf nach Belieben

Das Ganze hat nur zwei Haken: Zum einen wird der Einsatz unterschiedlicher Taktiken nie gefordert, zum anderen könnt ihr Fernangriffe getrost vergessen. Die verpuffen harmlos und selbst feindliche Schützen rücken euch so schnell auf die Pelle, dass ihr sie mit einem beherzten Hieb deutlich effektiver aus dem Weg räumt – von Nahkämpfern ganz zu schweigen. Nicht zuletzt könnt ihr sämtliche Attacken auch blocken. Da ihr jedoch selbst in der Verteidigung Schaden erleidet, ist sie der Mühe kaum wert.

Kurze Erinnerung an den gezogenen Hut: So vielfältig die Aktionen eurer Helden auch sind, so einfach lasst ihr sie auf eure Widersacher los. Schläge, Hiebe und Sprüche löst ihr mit den geometrischen Tasten aus, ein Druck auf die linke Schulter- bzw. Umschalttaste weist den Knöpfen alternative Handlungen zu. Der Handheld wird voll ausgereizt, aber nie überfrachtet. Auch das Menü hat Sony entschlackt, obwohl es an Umfang zugelegt hat. Statt wie in Brotherhood of the Blade den Analognippel als hakelige Maussteuerung zu missbrauchen, klickt ihr euch bequem mit den Schultertasten durch Charakterwerte, Ausrüstung oder Teleportationsziele. Dabei dürft ihr beliebig oft und von jedem Punkt aus in zuvor besucht Gebiete reisen. Die aufwändige Suche  nach "Transporterplattformen" fällt damit flach. Auch durch den Rucksack wühle ich mich gerne – Rüstung, Waffen sowie

Der neue Rucksack ist vorbildlich aufgeräumt. Hier der Bildschirm für Zaubersprüche.
weitere Gegenstände wurden auf einzelne Bildschirme verteilt.

Ich wandele, also bin ich?

Zweimal habe ich es jetzt schon erwähnt, aber was hat es mit dem Formwandeln eigentlich auf sich? Das klärt ein Blick auf die Geschichte. In Koryn Thal, der Hauptstadt des Imperiums, hat sich der Bruder des ehemaligen Regenten breit gemacht und unterjocht das Land. Der Imperator weiß jedoch, dass ihn eine einzige Rasse vom Thron stürzen könnte: die Formwechsler. Deshalb lässt er sie so lange verfolgen und ausrotten, bis nur noch wenige übrig sind. Als einer der Gejagten müsst ihr daher zu Beginn durch einen stinkigen Kanal fliehen und trefft schließlich auf einen Mönchsorden, der das Geheimnis zum Sieg kennt. Es entbrennt eine heiße Schlacht um die Hauptstadt eures Reiches…

Statt aus vier Figuren des Vorgängers wählt ihr einen von fünf Akteuren, wobei ihr euch für Wächter, Schleicher, Jünger, Söldner oder Späher entscheidet. Klasse finde ich den Jünger: Der rennt als dicker Glaubensbruder mit einer Schrotflinte durch die Gegend – herrlich! Spielerische Eigenheiten gibt es allerdings kaum: Zwei von vier Charakterwerten sind von Beginn an höher als bei den anderen Akteuren, das könnt ihr aber jederzeit ändern. Zumal ihr ohnehin darauf achten solltet, die meisten Punkte auf Stärke und Intelligenz zu legen, denn sowohl Nahkampf als auch Zauberei sind eure mit Abstand wirkungsvollsten Fähigkeiten.  Kritische Treffer sind z.B. auch mit viel "Geschick" zu selten, als dass sich das langwierige Aufpeppen lohnen würde.

Irrgärten

Egal welche Spezies ihr bevorzugt, sie alle gehören der Rasse der Formwechsler an. Das heißt für euch: Habt ihr toten Monstern genug Wesensenergie geklaut, dürft ihr euch für kurze Zeit in ein Monster verwandeln, das nicht nur härtere Fäuste schwingt, sondern auch mächtige Magiestöße austeilt. Besonders bei Endgegnern leistet das zweite Ich hilfreiche Dienste. Aber genau da liegt das Problem: Man sammelt zwar schnell Energie auf, ich wusste aber nie, wo mich ein Bosskampf erwartet. Also spare ich mir die die Verwandlung auf und nutze sie nur selten in normalen Scharmützeln.

Schuld an der fehlenden Orientierung ist die Übersichtskarte. Die gibt es nämlich nicht! Der kleine Ausschnitt am Bildrand ist zwar hilfreich, aber die Abschnitte sind so umfangreich, dass ihr vor allem dann ewig unterwegs seid, wenn ihr nach Schatztruhen abseits des Weges sucht. Das heißt: Falls ihr überhaupt wisst, wo der Weg eigentlich hin führt. 

Gänge, lange Gänge, kurze Gänge... Viele Laufwege und die fehlende Karte erschweren die Orientierung.
Wie oft habe ich einen Plan vom gesamten Level schmerzlich vermisst!

Wollt ihr zu zweit in den Krieg gegen den Imperator ziehen oder seid ihr an kleinen Intermezzi abseits des roten Fadens interessiert? Dann erwarten euch neben dem Koop-Modus jede Menge Varianten, in denen ihr bis zu viert antreten dürft – und zwar über WLAN, Internet oder ein drahtloses Computernetzwerk. Ob mit oder ohne Monster: Ihr versucht, der letzte Überlebende zu sein, die größte Menge Gold einzuheimsen, die meisten Gegner zu erledigen oder einen Schatz länger als eure Mitstreiter zu behalten. Sogar der Klassiker Capture the Flag steht auf dem Programm. So verlockend die Vielfalt aber auch ist, so schnell nerven die Gemetzel, wenn ganzen Schwadronen an Monstern über euch herfallen. Anzahl und Stärke der Ungetüme passen sich nicht euren Fähigkeiten an, so dass selbst fortgeschrittenen Jägern nur die Koop-Variante oder das Abschalten der Gegner bleibt. Schade, nachdem ich die vielen Möglichkeiten entdeckt hatte, wurden bei mir große Hoffnungen auf einen umfangreichen Mehrspieler-Part wach. So nerven die meisten Partien leider schnell.         

Kein Leid ohne Freud

Auf der Habenseite protzt Untold Legends 2 mit riesigen Schauplätzen – kein Vergleich zu den kleinern Gebieten des Vorgängers. Und noch eine Veränderung lässt die Welt jetzt lebendiger erscheinen: Der kalte Charme zufällig erstellter Gewölbe ist verflogen, stattdessen haben die Entwickler jeden Raum von Hand gestaltet: So entstanden glaubwürdige Areale, in denen die Sicht auf mehrer Stockwerke die Illusion großer Tempel erzeugt. Leider seid ihr selbst aber stets in der gleichen Etage unterwegs und wandelt durch etliche gleich aussehende Räume.

Einige Fehler in der Darstellung (schwarze Streifen oder im Boden versunkene Leichen) trüben den schönen Eindruck zusätzlich, zerstören aber nie die Atmosphäre. Viel störender sind Bäume oder Säulen, die den Blick auf das Geschehen verdecken. Dank denen könnt ihr in manchen Gemetzeln nur auf gut Glück die Streitaxt schwingen. So sehr Utensilien,

Der Gelegenheitsangriff: Solange das Monster mit einem Kreis markiert ist, könnt ihr ihn aufladen.
die aus dem Bild heraus ragen, das Szenario auch aufwerten, so wichtig wäre das Ausblenden der Objekte in kritischen Momenten.

Ein ebenso zweischneidiges Schwert sticht durch die Boxen des Handhelds: Da passt auf der einen Seite das Klirren von aufeinander prallenden Klingen wie die Faust aufs Auge und grunzen Unholde wunderbar böse, während auf der anderen Seite nerviges Getose als Musik durchgehen soll und deutsche Sprachausgabe Mangelware ist. Außerdem werden bei großem Getümmel einige Geräusche ausgeblendet.

Mangelware?

Ja, denn sie ist vorhanden, wenn in Zwischensequenzen die Handlung erzählt wird. Doch sobald ihr euch durch gewöhnliche Dialoge klickt, haben die Figuren ihr germanisches Textbuch verlegt. Konsequentes Englisch wäre mir lieber gewesen. So wirkt die Lokalisierung schludrig. Immerhin werden aber alle Passagen in der Sprache eurer Wahl untertitelt. Wer den Erstling kennt, wird es bemerkt haben: Ja, die Dialoge bestehen nicht mehr aus langweiligen Textfluten. Ja, es gibt Zwischensequenzen. Und ja: Auch das Skript ist ausgefeilter als zuvor. Aber wie gut wird es transportiert?

Die Antwort fällt ernüchternd aus. Ursache dafür sind Charaktere ohne Geschichte und Entwicklung, langweilige Dialoge, in denen ihr per Knopfdruck belanglose zusätzliche Informationen erhaltet sowie unspektakuläre Einspielungen. Letztere finden meist in der Spielewelt statt, nur fünfmal seht ihr übereinander gelegte Zeichnungen, die den Plot voran treiben. Ihr seht also entweder hübsche Bilder und hört dem Erzähler zu – wie aufregend... – oder erblickt die Helden beim gemeinsamen Diskutieren, was ebenso unspektakulär ist. Wieder einmal bleibt die Ernüchterung, dass mich die Geschichte nicht mitreißen kann. Immerhin: Im Vergleich zum Vorgänger macht The Warrior’s Code einen großen

In der Eiswelt beginnt euer Abenteuer.
Schritt nach vorn und schält sich dank Sprachausgabe und Zwischensequenzen zeitgemäß aus der Erneuerung. Nur die erzählerischen Mittel wirken unausgereift.

Erstaunlicherweise können die Aufträge selbst begeistern, denn wo ihr in Brotherhood of the Blade noch durch genau einen Missionstyp gestiefelt seid ("Monster metzeln, Boss töten, danke!"), müsst ihr hier den Herren Prinzen beschützen, seid auf einem Schlachtfeld unterwegs oder müsst Belagerungsmaschinen zerkleinern, um wegen der folgenden Explosion in Richtung Ausgang zu türmen. Es wirkt allerdings ausgesprochen dämlich, wenn sich zwei Gegner duellieren und mein Verbündeter nach seinem Kampf (den nur ich beenden kann!) vollkommen regungslos am Fleck steht. In Ausnahmefällen juckt mich das nicht. Aber das machen die alle so! Wegen dieser und weiterer Kleinigkeiten werfe ich mal ein Streichholz in die Gerüchteküche und vermute, dass der Publisher auf einen Termin gedrängt hatte. Von solchen Einzelheiten abgesehen, beleben die abwechslungsreichen Aufträge das Geschehen aber ungemein und haben mich lange begeistert.      

Fazit

Ich zetere nicht mehr und schreien muss ich auch nicht: Untold Legends 2 sieht schöner aus als sein Vorgänger und hat eine spannende Geschichte. Sie wird zwar plump erzählt, aber zumindest werden meine Erwartungen an ein handfestes Fantasywerk erfüllt. Womit ich aber nicht gerechnet hatte: Es spielt sich auch viel besser! Ich genieße die vielen Angriffsmöglichkeiten und freue mich über jede erfolgreiche Gelegenheitsattacke. Leider haben sich die Entwickler nicht darum bemüht, ihre tollen Ideen auch sinnvoll umzusetzen. Wenn weder das Aufladen oder Formwandeln noch der Einsatz von Magie einen Vorteil bringt, weshalb sollte ich mich dann dazu zwingen, davon Gebrauch zu machen? Die Freiheit ist großartig. Aber wenn ich sie nicht sinnvoll einsetzen kann, vergeht mir irgendwann die Lust daran. Trotzdem bin ich dran geblieben – nicht zuletzt dank der komfortablen Steuerung. Sollte Sony eine weitere Fortsetzung für den Handheld planen, will ich taktisch gefordert werden, eine packende Erzählung erleben, hoffe auf ausgewogenes Mehrspieler-Gefetze und verlange eine Übersichtskarte. Ernüchterung wie mit dem Erstling? Fehlanzeige, Gott sei Dank. Aber immer noch viel Raum für Verbesserung.

Pro

viele verschiedene Angriffsmöglichkeiten
sehr detaillierte Umgebungen
solide, geradlinige Handlung
übersichtlicher Rucksack
Teleportieren jederzeit möglich
komfortable Steuerung
durchgehende Sprachausgabe
sehr knackige Akustik
abwechslungsreiche Aufträge
coole Endgegner
weitläufige Abschnitte
angenehme Ladezeiten
viele Mehrspielervarianten

Kontra

viele gleiche Abschnitte
mitunter keine Übersicht
unnötig lange Laufwege
keine separate Übersichtskarte
kleine Darstellungsfehler
teilweise nervige Musik
unterschiedliche Angriffe nicht gefordert
Fernangriffe praktisch nutzlos
langweilige Dialoge
belanglose Zusatzinformationen
kaum deutsche Sprachausgabe
akustische Aussetzer in großen Getümmeln
unfaires Mehrspieler-Gekloppe

Wertung

PSP

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