Field Commander14.08.2006, Benjamin Schmädig
Field Commander

Im Test:

Man nehme Advance Wars: DS, setze es nahezu unverändert auf PSP um und gebe statt fröhlicher Manga-Optik erwachsene Farbtupfer hinzu: Fertig ist Field Commander (ab 52,93€ bei kaufen), mit dem Ubisoft endlich auch auf Sonys Handheld Taktiker fordern will. Gelingt die Konvertierung oder steht die Blaupause von Sony Online Entertainment im Schatten des großartigen Vorbilds?

Dreister Klau

Als Hosentaschen-Taktiker hatte ich es bislang schwer mit Sonys PSP: EAs Herr der Ringe-Ableger bot rudimentäre Geplänkel mit dem Tiefgang eines Papierschiffchens und mit dem Kartenlegen in Solid Snakes überzeugenden Ablegern bin ich leider nie warm geworden. Erst als Nintendos DS zu meiner Sammlung stieß, konnte mich Advance Wars: Double Strike stundenlang an die kleine Mattscheibe fesseln. Doch dann hing ein Hauch von Hoffnung in der Luft, als die Vorschau-Version zu Field Commander eintraf und eine nahezu identische Umsetzung der packenden Handheld-Schlachten aus dem Hause Nintendo durchschimmern ließ.

Natürlich darf man sich darüber echauffieren, dass die Entwickler so unverhohlen bei der Konkurrenz spicken, aber das überlasse ich selbsternannten Moralaposteln.

In diesem Menü wählt ihr eine einzelne Mission oder ladet einen von Spielern erstellten Auftrag.
Denn zum einen ist das Vorgehen gang und gäbe (Gott sei Dank haben die Doom-Ableger dem PC sein populärstes Genre verschafft!) und zum anderen dürfen sich PSP-Feldherren wegen des dreisten Klaus endlich in durchdachte Schlachten zu stürzen.

Kenner der DS-Vorlage kennen das Prinzip aus dem Effeff: Rundenweise zieht ihr Panzer, Flugzeuge, Schiffe und Fußtruppen, verbessert euer Einkommen mit eingenommenen Städten, Fabriken, Flughäfen oder Schiffswerften und baut darin neue Einheiten. Greift ihr an oder werdet selbst attackiert, kommen die ausgeprägten Stärken und Schwächen der Einheiten zum Vorschein, so dass die Artillerie z.B. im Nahkampf keine Chance hat, auf die Entfernung aber viel Altmetall hinterlässt. Am deutlichsten wird der Schere-, Stein-, Papier-Kreislauf bei den Seestreitkräften: U-Boote sind für Schlachtschiffe tödlich, haben gegen eine Korvette aber keine Chance. Letztere sehen dafür keinen Stich gegen die dicken Pötte. Bis auf unbewaffnete Landungsboote sind auf dem Wasser sonst keine Einheiten aktiv – ihr müsst also genau überlegen, welche Truppen ihr wohin setzt.

Superhelden-Strategen ade

Den parallelen Einsatz auf zwei Karten wie auf dem DS erlebt ihr dabei nicht, denn das Geschehen findet nur auf einem Bildschirm statt. Dafür bietet Field Commander die Möglichkeit, Einheiten übereinander zu platzieren, wenn sie in unterschiedlicher Höhe agieren.

Videos zu Field Commander

So könnt ihr auf dem Meer z.B. U-Boot, Schlachtschiff und Helikopter auf demselben Feld postieren. Das habe ich in großen Titeln bislang schmerzlich vermisst, obwohl es leicht machbar und nicht zuletzt nur logisch ist.

Ach ja, eine Geschichte gibt es ebenfalls: ATLAS und Shadow Nation liegen im Zwist und ihr seid als Befehlshaber der ATLAS-Streitkräfte mittendrin. Das ist leider ebenso wenig spannend wie gut erzählt. Beim Briefing erfahrt ihr euren Auftrag und das war's. Zwischendurch geben euch Berater wertvolle Tipps, welche erfahrene Taktiker getrost überlesen dürfen. Viel Gerede, wenig Handlung – die Monologe habe ich genauso schnell weggeklickt wie auf dem DS, auch wenn sie hier mit erstklassiger, wenn auch emotionsloser englischer Sprachausgabe vorgetragen werden. Die Einsatz-Besprechungen vermitteln immerhin nicht den Eindruck, dass ihr den Krieg alleine gewinnen sollt; vielmehr schlagt ihr lediglich kleine Scharmützel, welche den Verlauf des Krieges nur lokal beeinflussen.

Stockend und hektisch

Die Kulisse vermittelt sowohl optisch als auch akustisch ein sehr erwachsenes Bild der knackigen Auseinandersetzungen: Schwere Panzer rattern über die Straße, während über ihnen Hubschrauber knattern

Krachige Explosionen künden von Erfolg oder Niederlage.
und vor einem Kampf fährt die Kamera zur Nahaufnahme an das Geschehen heran. Segnet eine Einheit das Zeitliche, zerbirst sie schließlich in einem knalligen Feuerwerk. Schade nur, dass sich die Musik mit unnötiger Hektik in den Vordergrund spielt statt im Hintergrund Atmosphäre aufzubauen. Sobald jede Partei mindestens zehn Einheiten über das Gelände schiebt, verlangsamt sich der Ablauf zudem spürbar. Unverständlich ist, weshalb Field Commander ständig auf die UMD zugreift, um Daten nachzuschaufeln, denn das bringt den Spielfluss enorm ins Stocken. Ich habe mich jedenfalls oft geärgert, dass das Menü zum Bewegen meiner Truppen oft erst geladen werden muss!

Ist euch der (stockende) Ablauf aber erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen, habt ihr die größte Hürde bereits gemeistert, denn taktisch können euch die Gegner nicht das Wasser reichen. Die Kontrahenten setzen ihre Einheiten zwar meist gezielt gegen schwache Ziele ein, schätzen allerdings viele Gefahrensituationen falsch ein und sind zudem Nieten beim Aufbau ihrer Streitmacht: Wenn beide Seiten mit dem gleichen Material und unter ähnlichen Bedingungen starten, halten sich die Gegner mit der Eroberung von Fabriken oder Flughäfen zurück und bauen nur wenig starke Einheiten. Mitunter setzt der Verstand beim Kontrahenten sogar ganz aus und er schaltet z.B. mit aller Macht leere Transporthubschrauber aus statt gegen herandonnernde Bomber vorzurücken.        

Müde im Aufbau und scheu im Angriff

Schade, denn gerade der erbitterte Kampf um taktisch wertvolle Positionen gehört für mich zu den Höhepunkten anspruchsvoller Geplänkel. Hier ist überlegtes Vorgehen aber kaum gefragt, was mein Interesse an den Kampfhandlungen schnell schrumpfen ließ: Selbst ohne sinnvolle Planung steht ihr bald ohne nennenswerte Gegenwehr vor dem gegnerischen Hauptquartier. Meist gilt es, dieses einzunehmen oder sämtliche Truppen eures Gegenübers zu verschrotten. Hin und wieder müsst ihr auch Transportfahrzeuge aufhalten, bevor sie ihre wertvolle Fracht aus dem Krisenherd befördern können.

Ein schöner Effekt: Wenn Schiffe zerstört werden, seht ihr sie langsam auf Grund gehen.
Die Abwechslung ändert den Ablauf allerdings kaum und bringt keinen Schwung ins Geschehen.

Für den sorgen vielmehr die zahlreichen von Spielern erstellten Missionen, welche ihr per WiFi auf euren Memory-Stick ziehen könnt. Zwar sind einige der Karten so überladen, dass die PSP bis zu einer Viertelstunde benötigt, um einen Zug zu berechnen, dafür erlebt ihr statt kleiner Reibereien oft spannende, große Gefechte. Im Einzelspiel fordern euch viele Kämpfe hingegen nur deshalb, weil ihr durch Engpässe vorrücken müsst, an denen starke Verbände auf euch warten. Hier haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet, denn obwohl ihre KI nur rudimentäre Verhaltensmuster an den Tag legt, bestraft sie unüberlegtes Vorrücken oft mit Überzahlsituationen oder steht massiv vor strategisch wichtigen Fabriken. Die sorgfältig gestalteten Karten tragen viel dazu bei, dass die Kampagne trotz schwacher Gegenwehr durchgehend spannend bleibt.

Vergeigte Verzweigung

Kleinigkeiten, die es so in Advance Wars nicht gab, tun ihr Übriges. So wählt ihr an einigen Punkten der Kampagne, welche Mission ihr als nächste angeht und könnt mit schweren Panzern auf Häuser sowie Wälder schießen, um z.B. einen dichten Wald in eine Böschung mit wenig Deckung zu verwandeln. Das erhöht außerdem die Geschwindigkeit, mit der Fahrzeuge über das Feld vorrücken. Enge Pässe könnt ihr damit erweitern – ein enormer Vorteil für Generäle, die gerne schweres Gerät an die Front rollen. Der verzweigte Missionsbaum ist hingegen ein Einfall, den die Entwickler nicht zu Ende gedacht haben, denn die wenigen vier Missionen, zwischen denen ihr wählt, sind nur ein Intermezzo. Habt ihr eine davon erledigt, geht es mit dem normalen Ablauf weiter. Bekommt ihr das nächste Mal die Wahl, dürft ihr euch zwischen den verbleibenden drei Aufträgen entscheiden usw. Eine verzweigte Missionsstruktur wäre toll gewesen! Diese lieblose Umsetzung ist es nicht.

Bevor ihr eure Truppen in den Kampf führt, müsst ihr eine von 36 Divisionen wählen, von denen jede über bestimmte Vor- und Nachteile verfügt. Advance Wars-Veteranen erinnert das zurecht an ihre unterschiedlichen Befehlshaber. Allerdings konntet ihr euch auf dem DS

Vor allem Fußtruppen finden in Wäldern Schutz. Panzer können die Deckung allerdings zerstören.
vor der Schlacht in Ruhe ein Bild vom Kriegsgebiet machen; hier dreht sich lediglich eine Kamera um das Areal, während ihr dem Briefing lauscht. Dabei erhaltet ihr aber keinen Eindruck davon, was genau euch dort erwartet und welche Division die effektivste für den Einsatz ist. Bevorzugt ihr z.B. schwache, dafür preiswerte Einheiten? Dann könntet ihr ins Fettnäpfchen treten, wenn ihr erst nach Missionsstart seht, dass es weder Fabriken noch Flughäfen gibt. Probleme bekommt ihr dadurch allerdings nicht, denn leider wirken sich die Unterschiede zwischen den Divisionen für meinen Geschmack zu wenig aus.

"Ich liebe den Geruch von Napalm!"

Eine Erweiterung zu Advance Wars stellen auch z.B. EMP- und Napalm-Angriffe dar, die von bestimmten Gebäuden ausgehen: Mit diesen legt euer Widersacher Fußtruppen lahm oder richtet einen drei Runden dauernden Brandschaden an, der sich langsam ausbreitet. Zwar setzt er die Angriffe nicht immer sinnvoll ein und ignoriert schon mal aufs Hauptquartier marschierende Infanteristen, doch im Allgemeinen stellen die Attacken eine Gefahr dar, die ihr umgehen solltet: Wenn ihr mitten im Gefecht fünf Einheiten nah beieinander platziert, kann ein Napalm-Schlag vernichtend sein. Ausgesprochen befriedigend ist es natürlich, wenn ihr die Stationen einnehmen und selbst zum Einsatz bringen könnt!

Seine größte Stärke entfaltet Field Commander aber erst im Mehrspielermodus, den ihr über Internet oder WiFi bestreitet. Der Clou: Im Übertragungs-Modus macht ihr euren Zug, ladet das Ergebnis hoch und euer Kontrahent schickt euch bei Gelegenheit die Antwort. Leider ist die Teilnehmerzahl im weltweiten Netz allerdings verschwindend gering, so dass ihr anderswo einen Mitstreiter suchen müsst, der sich gleichzeitig einloggt. Trotzdem: Die umfassenden Multiplayer-Möglichkeiten verdienen eine Auszeichnung. Zumal ihr nicht nur vorgefertigte Kämpfe austragt, sondern vom Kriegsnebel über das Startgeld bis hin zum Wetter oder den Siegbedingungen jedes Detail der Auseinandersetzung festlegen dürft. Das Gleiche gilt auch für Gefechte, die ihr unabhängig von der Kampagne austragt. Auf den coolen Survival-Modus der DS-Vorlage haben die Entwickler allerdings ebenso verzichtet wie auf deren leidlich spannenden Echtzeitkampf. Im Gegenzug könnt ihr auf PSP jederzeit speichern.       

Fazit

Der Kurztest für DS-Taktiker: Field Commander fühlt sich an wie ein Add-On zu Advance Wars mit aufgebohrter Optik, ernster Aufmachung, schwachen Gegnern sowie allen denkbar möglichen Multiplayer-Fähigkeiten. Wollt ihr hingegen solo Schlachten schlagen, dann tretet unbedingt auf einer Karte an, die vom Start weg starke gegnerische Stellungen aufweist – falls der Gegner unter den gleichen Bedingungen startet wie ihr, ist er hoffnungslos unterlegen. Immerhin lassen sich solche Situationen dank des umfangreichen Editors schnell selbst erstellen und falls ihr darauf keine Lust habt, finden sich im Internet jede Menge Missionen. Zum Glück haben die Entwickler auch die Schwächen ihrer KI erkannt und fordern euch in der langen Kampagne meist mit starkem Widerstand. Könner ihres Fachs haben allerdings nie Schwierigkeiten, alle Aufträge ohne Neustart oder das Laden eines Spielstands zu meistern. Ein variabler Schwierigkeitsgrad steht nach stärkeren Gegnern deshalb ganz oben auf meiner Wunschliste – eine packende Handlung, sinnvolle Vorab-Planung der Einsätze sowie ein verzweigter Missionsbaum ebenfalls. Weil Sony Online eine fast identische Blaupause des starken DS-Vorbilds liefert, konnte mich Field Commander lange begeistern. Weil ausgerechnet die wichtige KI aber wirklich packende Schlachten verhindert, schmeckt die Kopie auch stets ein bisschen bitter.

Pro

umfangreiche Mehrspieler-Möglichkeiten
ausführliche Kampagne
meist fordernde Aufträge im Solospiel
perfekt abgestimmte Einheiten
neue Karten aus dem Internet
Einheiten können übereinander stehen
geschickt platzierte feindliche Verbände
Erklärung der Spezialfähigkeiten
sehr gute Sprachausgabe
Einebnen von Städten und Landschaft
glaubwürdige Sounds
komplexer Missionseditor
jederzeit Speichern

Kontra

verzweigte Missionsstruktur lieblos umgesetzt
schwache KI
gehaltlose Story, keine Zwischensequenzen
häufiges Stocken wegen Nachladen
teils nervige Musik
keine deutsche Sprachausgabe
Vorabplanung im Briefing kaum möglich
kaum Unterschiede zwischen Divisionen

Wertung

PSP

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.