Im Test:
Verquere Besetzung
Die Hauptrolle spielt dabei nicht nur die Gemeinschaft des Rings, denn ihr dürft auch mit Sauron, Saruman & Co. gegen die Ringschützer ziehen: Sechs Helden kämpfen auf jeder Seite, von denen eine vorgegebene Auswahl in die einzelnen Schlachten zieht.
Außerdem kommandiert ihr ein wechselndes Aufgebot weiterer Untertanen, wie die Reiter von Rohan oder diverse Orks. Seltsam nur, dass weder Pippin noch Merry eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite steht dafür Sauron persönlich seinen Mann im Kampf – jener Bösewicht, der von Peter Jackson gerade mal 30 Filmsekunden in einer Rückblende spendiert bekam…So eindrucksvoll dieser Kampf auch wirkt: Ihr seht in etwa die maximale Anzahl Einheiten auf einem Schlachtfeld.
Aber solche Ungereimtheiten bilden erst den Anfang der lieblosen Präsentation, denn Story und Spiel sind in keiner Weise miteinander verknüpft sind: Natürlich folgt ihr der Geschichte von Frodo, welcher den Ring zum Schicksalsberg trägt. Natürlich verschlägt es euch dabei an Schauplätze aus Buch und Film, wo ihr die von Tolkien und Jackson packend erzählten Auseinandersetzungen nachspielt. Und natürlich macht es unheimlich viel Laune, nicht die weinerlichen Hobbits zum Sieg zu führen, sondern mit Ringgeistern Angst und Schrecken zu verbreiten.
Geschichtliches Chaos
Das alles hilft aber wenig, wenn die Geschichte so starr umgesetzt wird, denn eure Taten haben keinerlei Auswirkungen auf das Geschehen. Da segnet Sauron z.B. das Zeitliche? Kein Problem: Auf der nächsten Karte ist der Böse mit dem fiesen Auge wieder mit von der Partie. Ihr folgt stur der Handlung des Films und besiegt als dunkler Feldherr immer wieder die Guten – ohne dass ihr den Ablauf in irgendeiner Weise zu euren Gunsten wenden könntet. Wie aufregend wäre es gewesen, auf der Seite der Finsternis den Marsch der Orks von Mordor bis nach Minas Tirith zu erleben!
Zu großen Teilen überzeugen dafür die optischen und akustischen Reize, denn fast alle Charaktere sind glaubwürdig
animiert, während Howard Shores Originalsoundtrack aus den Boxen tost. Lediglich das regelmäßige Ruckeln sowie die Tatsache, dass sich eure Charaktere dank Clippingfehlern schon mal in Felsen oder erhöhten Plattformen "verstecken", sorgen für Stirnrunzeln. Richtig traurig fand ich hingegen die Kulisse beim Finale: Vor und in Minas Tirith sorgen eine riesige mauerähnliche Textur sowie ein undefinierbarer Farbklecks als Hintergrund für Unkenntlichkeit. Da Rundentaktiker jedoch selten opulent verwöhnt werden, reiht sich Der Herr der Ringe im guten Mittelfeld ein. Letzten Endes spielt die Grafik auch nur eine untergeordnete Rolle: Worauf es ankommt ist ein Prinzip der Marke "schnell zu lernen, schwer zu meistern." Legolas lässt besonders wirkungsvolle Pfeile in Richtung Orkhorde zischen.
Spannendes Bewegen
Und schnell erlernt sind Steuerung und Handlungsmöglichkeiten in der Tat: Während der Bewegungsphase geben beide Parteien ihren Einheiten Befehle, in der Kampfphase greift ihr dann an. Knifflig ist dabei vor allem die Erstere, denn eure Truppen ziehen erst nach Abschluss der Runde gleichzeitig los. Wenn die Einheiten dicht beieinander stehen, müsst ihr daher genau bedenken, über welche Felder
sie wann laufen werden. Kommen sie sich dabei in die Quere, gelangen sie nicht zum Ziel – was für Bogenschützen, die ihr vor einem Nahkampf retten wollt, fatale Folgen haben kann. Ganz ehrlich: Ich hatte mit dem Tüfteln in der Bewegungsphase den größten Spaß am Spiel.Die Ringgeister gehören zu den Höhepunkten der Schrecken verbreitenden Kampagne auf seiten Mordors.
Beim Kampf kommt es schließlich darauf an, Nah- und Fernangriffe zu befehligen sowie Zauber loszuschicken oder Heiltränke einzusetzen. Beendet ihr die Runde, werden sämtliche Aktionen entsprechend der Geschwindigkeit der Einheiten ausgeführt. Eure Möglichkeiten sind allerdings beschränkter als ihr vielleicht denkt, denn zum einen verfügen allein eure Helden über Magiefähigkeiten und zum anderen dreht sich das ganze Geschehen nur darum, die wenigen Nahkämpfer nach vorne und die ebenso zahlarmen Bogenschützen nach hinten zu bringen. Wie gesagt: Das Ziehen der Einheiten ist der spannendste Teil. Ärgerlich ist da nur wieder, dass Einheiten in ihrem Bewegungsdrang gestoppt werden, sobald eine feindliche Einheit auf einem angrenzenden Feld steht. Das eröffnet taktische Spielräume, verhindert aber auch, dass selbst schnelle berittene Truppen vor starken Nahkämpfern fliehen können, falls diese hinter ihnen her laufen. Spätestens hier zeigt sich, dass das grundlegende Prinzip den Konventionen zwar gerecht wird, aber nicht mit Finessen aufwartet, die geübte Strategen erwarten.
Ansichtssachen
Hinzu kommen echte Patzer im Design sowie die beinahe missratene Steuerung: Versucht z.B. mal, einen Gegner anzuwählen, den eure Charaktere nur über eine entfernte Treppe erreichen können. Dazu müsst ihr mit dem Digikreuz den gesamten Weg zurücklegen, den eure Einheiten laufen würden, denn der Cursor lässt euch nicht über Hindernisse springen. So kompliziert habe ich mich jedenfalls selten über eine Karte gequält. Einen weiterer Schnitzer bekam die Kameraführung verpasst: Zwar dürft ihr über den Analogstick munter drehen und zoomen, sobald eine Runde beendet wurde, befindet sich die Kamera aber wieder in ihrer ursprüngliche Position –
Übersicht ade. Abgesehen davon ist es mir ein Rätsel, weshalb Überdachungen, unter denen sich Einheiten befinden, nicht ausgeblendet werden. So justiert ihr jedenfalls immer erst die Ansicht, um zu sehen, wo ihr überhaupt hinlaufen könnt.Auch als Riesenspinne Kankra dürft ihr Frodo und Sam das Leben schwer machen.
Ein weiterer Schnitzer ist, dass ihr nicht seht, wie viele Züge ihr noch zur Zeit habt, um Missionen mit begrenzter Rundenzahl zu gewinnen. Außerdem ist es mir drei mal passiert, dass ich nach erfolgreich abgeschlossenen Karten plötzlich über meine "Niederlage!" informiert wurde. Warum, weiß ich bis heute nicht. Es erscheint auch seltsam, dass nach einem Sieg sämtliche Charaktere Punkte einheimsen und höhere Stufen erreichen, selbst wenn sie gar nicht auf dem Schlachtfeld standen. Damit könnt ihr sie zwar schneller aufpeppen und ihnen neue Fähigkeiten kaufen, von taktischem Tiefgang ist jedoch nicht viel zu spüren. Und dass ihr mit den meisten Zaubersprüche lediglich Aufwertungen ihrer Vorgänger erwerbt (Morgulhieb 1, Morgulhieb 2, Morgulhieb 3), zeugt ebenfalls nicht vom sprühenden Einfallsreichtum der Entwickler.
Fazit
Lasst euch vom Namen nicht täuschen: "Der Herr der Ringe" ist eine großartige Lizenz, die dank Filmschnipseln, Originalsoundtrack und Tolkiens Figuren einen starken ersten Eindruck hinterlässt, gar keine Frage. Der Zusatz "Taktiken" ist allerdings irreführend, denn der so angepriesene Anspruch hält sich trotz der interessanten Unterteilung in die zwei Zugphasen in Grenzen. Hirnschmalz ist hauptsächlich während der Aufstellung gefragt, ansonsten reicht es, einzelne Gegner geschlossen anzugreifen und schon gehört der Sieg euch. Wäre die fehlende Tiefe gerade noch zu verschmerzen, verwehrt vor allem die starre Inszenierung ein spannendes Erlebnis. Wie packend kann Rundenstrategie sein, wenn ihr mit aller Kraft um das Überleben eines Charakters kämpft und ihn gerade so in die nächste Mission rettet! Hier schert ihr euch um so etwas aber nicht die Bohne, denn beim nächsten Mal zeigen sich alle verlorenen Figuren wieder in alter Frische. Richtig aufgesetzt wirkt vor allem Saurons Kampagne, denn in dieser hat keine einzige Errungenschaft Auswirkungen auf die Handlung. "Taktiken" funktioniert als Snack für zwischendurch, wenn man Story und Charaktere vernachlässigt. Gelernte Strategen mit Handheld-Ausrüstung setzen aber besser auf Advance Wars Dual Strike oder hoffen auf Field Commander .
Pro
Kontra
Wertung
PSP
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