Splinter Cell: Essentials28.05.2006, Benjamin Schmädig
Splinter Cell: Essentials

Im Test:

Ego-Shooter, die mit Schleich-Aufträgen Abwechslung ins Spiel bringen wollen, waren nie mein Ding. So etwas funktioniert nur in darauf ausgelegten Titeln: Thief oder Hitman sind Paradebeispiele dafür. Tom Clancys Agenten-Thriller ist vom gleichen Kaliber – jedenfalls auf PC und Konsolen. Nach der misslungenen DS-Version von Chaos Theory lässt euch Ubisoft jetzt auch auf Sonys PSP Terroristennester infiltrieren. Trägt der Handheld-Ausflug diesmal zurecht den großen Namen?

Erinnerungen

Es muss fast jede TV-Serie der 80er und 90er Jahre gewesen sein: Die Autoren überlegen sich, was sie in den ersten drei bis vier Jahren Großartiges vollbracht haben und kommen auf die Idee, ihre gesammelten Werke in einem einstündigen Rückblick gesondert hervorzuheben. Der Kenner wird dann z.B. mit einem bewusstlosen William T. Riker konfrontiert, welcher im Koma noch einmal Mission Farpoint durchkaut. Es ist ja nicht so, dass man als Fan die Episoden nicht sowieso schon auswendig zitieren könnte...

Splinter Cell Essentials macht genau das: Es versetzt euch ans Ende des erst im September erscheinenden Double Agent, wo Sam Fisher verhört wird und sowohl Ankläger als auch Kollegen Aufträge aus der Vergangenheit des Agenten sowie Missionen aus Teil vier ausgraben. Ob es sinnvoll ist, Handlungsfäden der echten Fortsetzung so zeitig vorweg zu nehmen? Ein gutes Drehbuch hätte davon Abstand genommen. Zumal ein selbiges sowieso kaum Präsenz zeigt: Statt der gewohnt schicken Filmsequenzen bekommt ihr übereinander gelegte Standbilder vorgesetzt, die euch ohne dramaturgischen Aufbau von einem Level in den nächsten schicken.

Während eines Besuchs am Grab von Sams Tochter lernt ihr die Grundlagen der Steuerung.
Bei solchem Aufwand und dem Grünen-Punkt-Gefühl wird schnell deutlich, dass Ubisoft mit voller Kehle in den Recycling-Kanon auf Sonys PSP einstimmt. Wieso auch nicht – der Handheld ist schließlich nur ein Abfallprodukt der PlayStation-Marke und seine Käufer betteln darum, für 250 Euro plus Spiel so richtig abgespeist zu werden...

Cooles Spielzeug

Als Fan der Serie war ich auf den Rückblick in die Vergangenheit trotzdem gespannt. Aber was macht den weltbesten Geheimagenten eigentlich so populär? Meisterdieb Garrett hat mehr Freiheiten beim Schleichen, Solid Snake watet in den charakterlichen Tiefen eines Rollenspielhelden und Agent 47 ist an Coolness nicht zu überbieten. Zugegeben: Bei einem Sympathie-Wettbewerb müsste Sam als erster die Bühne verlassen. Mir war das aber immer egal, denn der Spion hat ganz andere Stärken: Was er an Charakterstärke und spielerischer Freiheit einbüßt, macht er mit seinem lässigen Stil wett. So locker klappt sonst niemand den Restlichverstärker runter, so problemlos huscht keiner zwischen zwei Wänden empor und Leon alias Jean Reno wäre neidisch, wenn er sehen könnte, wie Fisher seinen Widersachern von der Decke hängend den Kopf verdreht. Sam labert nicht – er macht einfach.    

Krampfiges Anschleichen

Die PSP-Ausgabe macht da zum Glück keine Ausnahme, denn euch stehen sämtliche elektronischen Spielereien und Fähigkeiten der Vorgänger zur Verfügung. Einziger Haken ist die Bewegung per Handheld-Tasten. U.a. bewegt ihr euch nämlich in zwei unterschiedlichen Arten voran: Während das normale Voranschreiten über den analogen Nippel funktioniert, zielt ihr damit beim Schießen und rückt Sam über die vier rechten Buttons in alle Himmelsrichtungen. Das ständige Umdenken hemmt den Ablauf leider spürbar. Viel empfindlicher stört mich

Ihr habt die Wahl: Bringt ihr die Feinde ums Leben oder setzt ihr sie nur außer Gefecht?
aber die Kontrolle der Kamera, da ich den Blick nicht einfach über die Schultertasten in die richtige Richtung lenke, sondern nur bei gedrücktem Button die Sicht per Analognippel einstelle.

Gerade bei einem Vorgehen, das ständiges Umsehen erfordert, ist es ausgesprochen lästig, zwischen Laufen und Umsehen umzuschalten. Ein elegantes Fortschreiten fällt damit flach, was mir die gesamte Zeit über sauer aufstieß. Hinzu kommt, dass sich der Spezialist für Heimlichkeit selbst bei nach einer auf Anschlag gehaltenen Richtungsangabe nur langsam fortbewegt, falls er zu Beginn der Bewegung eine Sekunde lang vorsichtig schleicht. Wenn euch ein Gegner entdeckt, wollt ihr die Steuerung aber nach oben ziehen, um ihn schnell auszuschalten. Was dann passiert? Sam läuft gemütlich auf den Widersacher zu – bis ihn der Kugelhagel auf die Knie bittet. Erst stehen zu bleiben, um dann rennen zu können ist alles andere als intuitiv.

Unterwegs in Grün und Grau

Was mir aber richtig Kopfschmerzen bereitet hat, ist das dunkle Ambiente. Ich höre schon eure graue Zellen platzen: "Splinter Cell war schon immer dunkel, das muss so sein!" Richtig. Allerdings haben die Entwickler vergessen, dass ich nicht nur im stockfinsteren Kämmerlein schleichen will. Genau das müsst ihr aber, wenn ihr ohne Nachtsichtgerät etwas erkennen wollt. Solange Sam nicht seine fesche Brille runter klappt seht ihr bei normaler Zimmerbeleuchtung hingegen nicht einmal, wo ihr hintretet. Aus diesem Grund war ich durchgehend im grobpixeligen,

Von einem niedrigen Rohr könntet ihr dem Gegner kopfüber den Hals umdrehen. Hier bleibt euch nur das Ausknocken im Sprung.
grau-grünen Einerlei unterwegs. In dafür vorgesehenen Abschnitten ist das cool – auf Dauer nervt es. Dass euch bei der Darstellung ohne Restlichtverstärker keine opulente Pracht entgeht, ist nur ein geringer Trost.

Abgesehen von diesen Eigenheiten ist Splinter Cell aber (fast) ganz das alte. Eure Aufgabe ist es, terroristischen Gruppen das Handwerk zu legen, wofür ihr Informationen besorgt, führende Personen ausschaltet oder Bomben an gestohlenes Kriegsgerät hängt. Dazu dringt ihr möglichst unentdeckt in feindliche Lager ein – als Ein-Mann-Rambo habt ihr keine Chance. Stattdessen sucht ihr einen Weg abseits von Patrouille-Routen, versteckt ihr euch im Schatten und schlagt Wachen lautlos KO. Je nach Situation wird das Geschehen dabei mit Spannung erzeugenden Klängen oder aufgeheizten Rhythmen aus dem Synthesizer untermalt. Die Gegner können auf PSP zwar nur Wache schieben und auf euch schießen, das beeinflusst den gewohnten Ablauf aber nur unwesentlich. Abgesehen von den erwähnten Bewegungs-Schwierigkeiten stellt Essentials für Kenner allerdings keine Hürde dar – ich hatte auf eine stärkere Herausforderung gehofft. Erst im Mehrspieler-Modus über WiFi zeigt sich, mit welchen Wassern ihr gewaschen seid. Gegen menschliche Widersacher führt ein falscher Schritt schnell zum Ableben, weshalb nur voll ausgebildete Agenten hier bestehen.   

Fazit

Splinter Cell: Essentials hätte Stealth-Action auf hohem Niveau sein können. Grundsätzlich agiert Sam Fisher im Kleinformat ebenso versiert wie auf den "großen" Systemen, beherrscht sämtliche Fähigkeiten und schleppt die bekannte Ausrüstung umher. Auch die Missionen sind so umfangreich und herausfordernd wie auf PC und Konsolen – kein Wunder, schließlich handelt es sich um simple Remakes ihrer Vorbilder. Doch genau da liegt das Problem: Die PSP-Ausgabe ist ein emotionsloser Aufguss bekannter Abenteuer, der nicht einmal eine packende Story verpasst bekam. Zählt man die verkorkste Steuerung, viel zu dunkle Schauplätze und diverse Übersetzungsfehler hinzu, bleibt ein im Kern hervorragendes Spiel, das ausgesprochen lieblos ins kleine Format gepresst wurde.

Pro

gelungenes High-Tech-Spionagefeeling
freie Handlungsmöglichkeit
coole Gadgets
stimmungsvolle Musik
Sam beherrscht alle bekannten Tricks
Deathmatch-Multiplayer
abwechslungsreiche Missionen

Kontra

verkorkste Steuerung
viel zu dunkel
lange Ladezeiten
Übersetzungsfehler
müde Story

Wertung

PSP

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