Ratchet & Clank: Size Matters16.05.2007, Benjamin Schmädig
Ratchet & Clank: Size Matters

Im Test:

Der Prinz aus Me and My Katamari tat es. Daxter durfte es tun. Auch Ratchet und Clank entscheiden sich dafür: Sie nehmen eine Auszeit von ihren Abenteuern als Helden und Weltenretter. Ihr Ziel: PlayStation Portable. Sonys Handheld ist eine Urlaubsplattform! Deshalb sonnt sich der Held auch im Liegestuhl und sein kleiner blechener Kumpel baut eine Sandburg, sobald Ratchet & Clank: Size Matters startet. Süß! Doch falls ihr dachtet, euch erwartet ein entspannter Ableger im Kleinformat, dann müsst ihr umdenken!

Kurzurlaub

Genau 36 Sekunden dauert die Idylle. Dann ist Clanks frisch erschaffene Sandburg nur noch Rohmaterial, Ratchets Nachmittagsruhe beendet und die beiden Helden werden um Autogramme gebeten. Nein, halt: Die lifpelnde Luna hat kein Faible für Unterschriften, sondern macht "Fotos für ihr Fuhlprojekt". Aber Stars im Liegestuhl gehören nicht aufs Titelbild. Gut, dass Luna weiß, wo man prima Roboter vermöbeln kann...

Und schon seid ihr mittendrin. Während Ratchet seine ersten Gegner verhaut, Bolzen sammelt und mit Säuregranaten wirft, erfahrt ihr auch, dass er aus

Praktisch: Die neuen Säuregranaten machen sich als giftige Pfütze unter den Robotern breit.
der Ego-Perspektive schießen kann, an Seilen Abgründe überwindet, ebenso hohe wie weite Sprünge absolviert, mit seinem riesigen Schraubenschlüssel um ebenso riesige Muttern läuft, um Tore zu öffnen und dass die komfortable Kameraführung trotz des fehlenden rechten  Analogsticks nur in engen Nischen versagt. Und spätestens, wenn ihr einen Sack voll Waffen und Geräten tragt, auch mit Clank unterwegs wart oder euch in einem der zahlreichen Minispiele verloren habt, wisst ihr: Size Matters ist kein Abklatsch, keine "für den Handheld-Charakter entwickelte" (dieser Einschub in Pressemitteilungen verursacht Ausschlag!) Miniversion für darbende PSP-Besitzer. Es ist der vierte echte Teil einer Serie, die mit dem auf pure Action getrimmten Gladiator einen Durchhänger hinnehmen musste (4Players-Wertung: 82%). Statt tumbem Projektilhagel vertraut Sony aber wieder jenen Werten, die das Duo berühmt machten: High Impact Games setzt auf Action, Geschicklichkeit und eine Prise Rätsel.

Imposante Aussicht

Moment: High Impact Games? Ratchet & Clank wird doch von Insomniac entwickelt! Stimmt, aber nur zur Hälfte. Denn in dem neu gegründeten Studio werkeln auch ehemalige Schlaflose  - vielleicht liegt es daran, dass Size Matters seine Vorgänger so treffsicher zitiert. Was die Entwickler aber unabhängig von den PS2-Titeln geschaffen haben, sind acht bildschöne lebendige Planeten im Comiclook. Einschließlich etlicher Areale für Minispiele, Skyboard-Rennen und Sequenzen, in denen ihr mit Clank als Riesenraumschiff durch den Weltraum ballert. Wer schon immer wissen wollte, wie viele Objekte sein Handheld gleichzeitig auf den Bildschirm werfen kann, der ist hier richtig! Massig Raumschiffe. Etliche Spezialeffekte. Geschätzte zweihundert Projektile. Ruckelfrei. Ohne auch nur zu Husten. An schweren Grafik-Schluckauf gar nicht erst zu denken. Und das gilt fürs gesamte Abenteuer. Wenn euch im letzten Abschnitt ein Dutzend Bösewichter an den Kragen wollen, könnte die PSP im Hintergrund noch Parkinson heilen.

Stellt euch etwa zehn mal so viele Gegner vor, dann wisst ihr, wie es in heißen Situationen zugeht!
Die sehr seltenen Situationen, in denen Gegner erst fünf Meter vor euch auftauchen, trüben das Bild kein bisschen. Respekt!

Voller Terminkalender

Ebenso souverän: die Mehrspieler-Partien, in denen ihr euch neben den bekannten Deathmatch sowie Capture the Flag auch im Eisernen Lombax austobt. Im Letzteren gehen zwei Teams auf die Jagd nach Objekten, um sich dabei natürlich in die Quere zu kommen. Das Tolle daran: Ihr dürft sowohl über WiFi als auch per Internet spielen, wobei Size Matters mit Online-Statistiken und Lobbys alles aus dem Ärmel schüttelt, was auch Konsolen beherrschen.

Wenn ich alleine unterwegs war, habe ich mir die Zeit genommen, mich in den zahlreichen Minispielen auszutoben. Mein Favorit sind die - leider wenigen - Weltall-Ausflüge als Riesenclank. Gleich darauf folgt eine Lemmings-Variante, in der ihr winzigen Bots befehlt, an einem Seil zu schwingen, Brücken zu bauen, sich zu beamen oder zu explodieren, damit sie (bzw. ihre Kumpel) das sichere Haus erreichen. Ebenso spaßig: als Clank in ein Mini-Mobil zu steigen, um in kleinen Arenen gegnerische Vehikel zu verschrotten. Um ein Tor zu öffnen, müsst ihr den metallenen Helfer sogar einmal durch ein "echtes" Level begleiten, wo er kleinen Robotern Befehle (folgen, stehen bleiben, angreifen) erteilt. Schade, dass es nicht mehr solcher Abschnitte gibt und dass die Helfer oft bockig reagieren. Dass euch alle sechs gleichzeitig hinterher laufen, passiert jedenfalls selten.     

Und dann gibt es noch Ratchet, der Türen knackt, indem er sich selbst schrumpft und auf Schienen an Bomben vorbei ans andere Ende des Schlosses schlittert oder auf einem schwebenden Skateboard Rennen austrägt. Einziger Wermutstropfen: Eine furchtbar schwammige Steuerung sowie einige unfaire Rücksetzpunkte nach Unfällen machen die Wettläufe zur Belastungsprobe. Leider sind zwei davon  Pflicht, da ihr nach einem Sieg wichtige Geräte erhaltet.

Pralle Taschen

Apropos Geräte: Wenn ihr mit dem Polarisator Magneten manipuliert oder per Sprieß-O-Mat Pflanzen wachsen lasst, die euch auf entfernte Plattformen schleudern, als Sprungbretter fungieren oder eine Sprossenwand bilden, braucht ihr meist eure grauen Zellen, um weiter zu kommen. Einige der Geräte dienen

Die Verwandlung vom kleinen in den gro... "Über-Clank" sieht übrigens zum Brüllen komisch aus!
hingegen als nützliche Erweiterungen. Habt ihr den PDA in der Tasche, könnt ihr z.B. auch fern von Verkaufsautomaten Waffen und Munition aufstocken. Kistenbrecher und Bolt-Greifer erleichtern hingegen das Auflesen von Bolzen - eurem Zahlungsmittel. Aber das ist erst der Anfang, denn neben den acht Geräten dürft ihr auch 13 Waffen sowie 28 Rüstungsteile tragen. Letztere findet ihr vor allem am Ende eines Levels und falls ihr vier Teile (Handschuhe, Helm, Anzug, Schuhe) vom gleichen Typ anlegt, führt Ratchet mit einer seiner Attacken einen besonders mächtigen Angriff aus.

Das Waffenarsenal stockt ihr an den erwähnten Automaten auf. Teilweise kommt ihr auch an Automaten vorbei, an denen ihr Erweiterungen für bereits erworbene Munitionsschleudern kauft. So macht ihr den anfänglichen Zermalmer z.B. erst zur zweiläufigen Pistole, um später  mit jeweils einem davon in jeder Hand herumzulaufen - herrlich! Trotz etlicher Passagen, in denen ihr rätseln und geschickt springen müsst, sind die exquisiten Waffen der Hingucker schlechthin. Ob Schrotflinten-Ersatz Rüttelkanone, Flammenwerfer-Pendant Einäscherer oder das Scharfschützengewehr namens "Heckenmine": So unspektakulär sie beim ersten Abfeuern wirken, so herrlich krachen und funkeln sie mit allen Upgrades. Das gilt auch für die neuen Säuregranaten, welche eine giftige grüne Pfütze unter die Gegner werfen. Weniger sinnvoll sind nur die ebenfalls neuen Bienen-Minen: Ratchet wirft die Wabe einfach auf den Boden und schon stürzen sich summende Stechbrummer auf seine Widersacher. Warum weniger sinnvoll? Weil die Schicksalsagenten - kleine attackierende Roboter - den Job ebenso gut, wenn nicht sogar effektiver erledigen.

Werft auch einen Blick darauf, was die Entwickler zu ihrem Spiel zu sagen haben:

Video: Entwickler-Vorstellung, Teil 2Dafür liest sich die Beschreibung der Minen köstlich: "Wenn es gilt, den Gegnern richtig einzuheizen, geht nichts über einen Schwarm Robo-Bienen - und darum lieben wir Bienen-Minen."

Erfahrung statt Willkür

Die Waffen, mit denen ihr am besten klarkommt, solltet ihr übrigens so häufig wie möglich einsetzen, denn nur so erhaltet ihr Erfahrungspunkte und verbessert sie damit. Weil ich diese Variante dem willkürlichen Verteilen von Punkten mit Abstand vorziehe: Das will ich in jedem Spiel sehen! Wovon ich mir jedoch mehr erhofft hatte, waren die spritzigen Sprüche von Freund und Feind. Es ist immer wieder ein Bruch, wenn die sympathischen Helden (plus Qwark, der eine herrlich bekloppte Neben-Handlung durchlebt) in großartigen Filmszenen auftreten, im eigentlich Spiel aber keinen Ton über die Lippen kriegen. Wenn überhaupt, dann muss man Size Matters ohnehin seinen lauwarmen Klangteppich vorwerfen. Alles, was Projektile um sich schmeißt, 

In Normalgröße hat Clank allerdings ein Problem: Seine kleinen Helfer hören nicht immer auf ihn.
zischt und kracht zwar angenehm, doch wenn Ratchet mit seinem Schraubendreher durch den Nahkampf wirbelt, klingt das wie müdes Luftholen. Den Sound lassen sich die Entwickler sogar technisch durch die Lappen gehen, denn sobald viele Dinge unterschiedliche Geräusche machen, verschluckt die PSP einige davon.

Das stört besonders auf dem letzten Planeten die Atmosphäre, wo ihr gegen... das seht ihr euch besser selbst an. Die Geschichte hält jedenfalls wieder einmal viele Überraschungen parat und verliert nie den anfänglichen Schwung. Und das, obwohl ihr euch zwischendurch stundenlang an Minispielen testen dürft und abgeschlossene Missionen wiederholen könnt. Kleiner Tipp: Wenn ihr auf diese Art den erst spät erhältlichen Lasergenerator aufwertet, wird der letzte Kampf zum Kinderspiel. Und schließlich noch die für deutsche Spieler wichtige Bemerkung, dass Ratchet & Clank zwar hervorragendes Deutsch sprechen, ihre englischsprachigen Kollegen allerdings pointierter witzeln. Entscheidet euch in jedem Fall vor dem ersten Start, was ihr hören wollt, denn egal welche Wahl ihr beim Laden der UMD trefft: Die Sprache wird im Spielstand festgehalten.        

Fazit

Da passt kein Haar mehr dazwischen: Ich wollte, ich hätte fast, ich würde gerne Ratchet & Clank: Size Matters die Neun verpassen. Im Dezimalbereich, wohl gemerkt. Aber es sind Kleinigkeiten wie die nicht hören wollenden Helfer, wenn ihr mit Clank unterwegs seid. Wie die verschluckten Geräusche, wenn sich die Action überschlägt. Wie die ungenaue Steuerung der Skyboard-Rennen. Oder wie die wenigen hektischen Kameraschwenks zur Förderung der Orientierungslosigkeit. So großartig sich Size Matters auch spielt: Mich haben die Schnitzer einmal zu oft aus der Atmosphäre gerissen. Doch auch wenn die Briefwaage ein Gewicht anzeigt: Die abwechslungsreiche, kurzweilige, witzige, umfangreiche Action ist wahnsinnig fesselnd. Ob es vom rasanten Plattform-Springen direkt zum knackigen Zwischengegner geht und die Rätsel genau so konstruiert sind, dass sie das Abenteuer nie ausbremsen. Oder ob man sich von technischer Perfektion und einer eleganten Steuerung völlig zu Recht blenden lässt: Size Matters ist eine Schlinge, die mir High Impact Games ums Handgelenk wirft, sobald sich die UMD im Laufwerk dreht. Dieser galaktische Urlaubstrip ist ein Kaufgrund für die PSP!

Pro

massig Waffen und Geräte
witzige Charaktere und Geschichte
unterschiedliche Möglichkeiten zur Steuerung
beeindruckende Gegnerzahl ohne Grafik-Schluckauf
etliche, sehr unterschiedliche Minispiele
überzeugende englische und deutsche Stimmen
umfangreiche Mehrspieler-Möglichkeiten per WiFi und online
sehr unterschiedliche Planeten
abwechslungsreiche Aufträge
freie Missionswahl trotz geradliniger Handlung

Kontra

Sound-Aussetzer in einigen Situationen
hin und wieder Kameraprobleme
schwammige Steuerung in Skyboard-Rennen

Wertung

PSP

Auf die Größe kommt es an und Sony meint damit: Je kleiner, desto besser!

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