300: March to Glory20.04.2007, Benjamin Schmädig
300: March to Glory

Im Test:

300 Spartanern gelingt 480 v. Chr. eine ebenso strategische wie mythische Meisterleistung, als sie den Ansturm der Perser in heroischen Kämpfen aufhalten. Frank Miller stilisierte die Geschichte zum Heldenepos, Warner Bros. erfindet den brachialen Historienschinken gerade im Kino neu und Eidos? Eidos schickt euch als Helden in die spielerische Geschichtsstunde. Eine Meisterleistung?

Intensive Schlachtgemälde?

Geschichte, wie sie Frank Miller (Sin City, Ronin) zeichnet und beschreibt: 480 Jahre v. Chr. stellen sich 300 Spartaner unter der Führung ihres Königs Leonidas einer Übermacht von persischen Kriegern und halten den Vormarsch der Invasoren an einem Pass des Kallidromos-Gebirges auf. Dass in Wirklichkeit mehrere tausend Griechen in die Schlacht zogen, verschweigt der Comic-Autor zwar, aber die überdeutliche Glorifizierung des aufopferungsvollen Kampfes tut seinem überzeichnetem Werk natürlich ebenso gut wie der gerade über deutsche Leinwände flimmernden Hollywood-Verfilmung. Verwunderlicher ist vielmehr die Tatsache, dass

Die Zwischensequenzen treiben die Handlung mit stimmungsvollen Bildern voran.
Eidos ausgerechnet diese intensiven Schlachtgemälde nicht auf sämtlichen Spiele-Plattformen zum Leben erweckt, sondern lediglich PSP-Besitzer als Leonidas in den Kampf schickt. Vielleicht hatte der Publisher aber auch eine frühe Version der Versoftung gesehen und hält sich deshalb dezent zurück...

Denn nachdem euch eine stimmungsvolles Comic-Sequenz (March to Glory orientiert sich visuell am Comic, fährt aber nur englische Sprachausgabe auf) eingeführt hat, seid ihr mittendrin: in einer matschigen Kulisse, die euch als Leonidas geradlinig an unschönen Gebäuden, detailarmen Felsen und unsichtbaren Wänden vorbeiführt. Eure Widersacher: einfallsreiche, aber ebenso blasse Figuren mit Schwertern, Speeren und Schilden sowie gelegentliche Zwischengegner, die entweder dem Reich der Mythologie oder dem Labor eines Gentechnikers entspringen. Dafür werden alle Szenen mit gewaltigen Klängen von Orchester bis Rock unterlegt, im Hauptmenü hallt sogar ruhige Melancholie aus den Kopfhörern. Dort dürft ihr euch auch in Ruhe durch zahlreiche Filmszenen sowie Interviews mit Frank Miller wühlen.

Drachen und Kampfeswut

Kennt noch jemand Double Dragon & Co? Durch begrenzte Abschnitte, in denen ihr eine bestimmte Anzahl Widersacher niederstrecken müsst, bevor es weitergeht, arbeitet ihr euch Stück für Stück durch das persische Heer - was sich genauso steif anfühlt wie es sich anhört. Logisch: Das gab den Entwicklern die Möglichkeit, die Herausforderung präzise auf den gewünschten Anspruch anzupassen. Und irgendwie spielt sich 300 auch nicht wie ein Actionkracher, sondern bringt eher die Gehirnwindungen in Schwung. "Mal sehen, mit welchen Gegnern habe ich es hier zu tun? OK, dann sind wohl Wutangriffe am sinnvollsten."

Eurer "Kampfeswut" lasst ihr über die rechte Schultertaste freien Lauf. Jede Attacke (leichte, schwere oder ein Hieb mit eurem Schild), welche ihr so verstärkt, wirft Perser entweder auf den Boden oder gibt ihnen umgehend den Rest - und zwar in Nahaufnahme statt aus entferntem Kamerawinkel. Ähnlich 

Die Nahaufnahmen zeigen packende Action.
werden einige der Kombos inszeniert, und zwar jene, deren Abschluss ihr in einer (an den Film angelehnten und ja: immer noch schön anzusehenden) Zeitlupenstudie erlebt. Jede Waffe sowie der Schild geben euch dabei nicht nur die Wahl, sondern dienen als sehr unterschiedliche Jagdwerkzeuge. Während euer Schwert z.B. nur müde an feindlichen Schilden kratzt, stößt ein Hieb mit dem Schild die Gegner zurück.

Verschwenkte (Kamera)chancen

Ähnlich verschieden wirken Kombos, von denen ihr nach und nach neue hinzukauft. Stärkere Waffen dürft ihr ebenfalls erwerben. Erwerben deshalb, weil ihr mit dem durch Siege gefüllten Punktestand dafür bezahlt. Eigentlich ist es schade: Für sich genommen sind die brachial in Szene gesetzten Kämpfe nämlich taktisch anspruchsvoll. Entwickler Collision Studios zeigt zum Glück keine banale Haudruff-Action, sogar eure ein bis zwei Mitstreiter erledigen saubere, wenn auch unspektakuläre Arbeit. Allerdings  verpufft der kluge Ansatz schneller als er sich wiederholt.

Wenn ihr stellenweise als Phalanx (eine Reihe nebeneinander marschierender Spartaner) vorrückt oder durch vorsichtiges Anschleichen die Perser umgehen müsst, ist das zwar eine gut gemeinte Abwechslung, hat aber nur Minispiel-Charakter. Denn beides fühlt sich zu hölzern und lahm an, anstatt Actionvenen zum Pumpen zu bewegen. Ähnlich unfertig wirkt das Aufeinandertreffen von Leonidas mit den Zwischengegnern - vor allem dann, wenn sie nur mit speziellen Fähigkeiten verwundbar sind. Mit diesen könnt ihr z.B. stärker zuschlagen, heilt eure Wunden oder seid für kurze Zeit so gepanzert wie der Mann aus Stahl unterwegs. Das Gute daran: Wenn ihr diese Fertigkeiten nutzen wollt, müsst ihr erst den Wut-Balken füllen, was beim Zuschlagen automatisch passiert. Das Schlechte daran: Solange der Boss unverwundbar ist, haut ihr quasi ohne Sinn auf ihn ein, nur um eure Wut zu steigern. Wenn sie voll ist, könnt ihr ihn dann endlich verletzten; anschließend beginnt das Spiel von vorn. Besonders nervig sind gerade in diesen Situationen die wenigen Satzfetzen, welche eure Widersacher alle paar Sekunden zum "Besten" geben. Zu schlechter Letzt entwischt der Held gerade in diesen Situationen auch häufig aus dem Blickfeld - zu viele Kameraschwenks drehen in die falsche Richtung.    

Fazit

Die Entwickler der Collision Studios geben sich wirklich Mühe. Es gibt etliche Kombos, unterschiedliche Waffen, Spezialangriffe und das Beste: Ihr müsst sie mit Köpfchen einsetzen, neue Ausrüstung und Kombos kaufen – was 300: March to Glory zu einer brauchbaren Zwischenmahlzeit macht. Allerdings wirkt die Comic/Film-Umsetzung zu unfertig, als dass sie ein Actionfeuerwerk entfachen könnte. Ich finde taktische Kämpfe zwar klasse, aber wenn es ständig die gleichen sind und mein Held nur stoisch Abschnitt für Abschnitt vorrückt, wird selbst das bald dröge. Von den lahmen Kämpfen als Phalanx oder den ebenso zähen Bossbegegnungen ganz zu schweigen - die unscharfe Kulisse tut ihr Übriges. Das klingt zwar schlimmer als es ist, aber das Beste an 300 ist die packende Musik.

Pro

intensive Kämpfe mit coolen Zeitlupenaufnahmen
Trailer, Filmszenen und Frank-Miller-Interviews als Extras
kraftvoller Soundtrack
taktisch fordernde Kämpfe
Phalanx und Schleichen als Abwechslung...
Zwischensequenzen im Comic-Stil
sonore Sprecher passen zu den Figuren
coole Spezialattacken

Kontra

auf Dauer eintönig und schleppend
Kameraprobleme
unsichtbare Zäune
matschige Schauplätze werden der PSP nicht gerecht
... was beides unausgereift wirkt
Vorrücken in Abschnitten statt dynamischen Fortschritts
dröge Kämpfe mit Endgegnern

Wertung

PSP

Taktisches Geplänkel statt strategische Meisterleistung - 201 von 300 Punkten.

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