Ridge Racer 202.11.2006, Benjamin Schmädig
Ridge Racer 2

Im Test:

Ridge Racer ist Ridge Racer ist Ridge Racer. So scheint es jedenfalls. Denn was Namco Bandai als zweiten Teil verkaufen will, ist in Wirklichkeit ein Update des Vorgängers. Was gibt es Neues im PSP-Drifter? Und sind die Neuerungen euer Geld wert?

Überraschungen

"Sie haben es wieder einmal geschafft!"

Noch bevor der Moderator unter den Augen von dreitausend in vornehme Abendgarderobe gekleideten Gästen den Umschlag öffnet, wirft er der ersten Reihe einen wissentlichen Blick zu. Acht Herren sitzen da, in lässigen "It's in the Game"-T-Shirts, aber mit steinernen Gesichtszügen. Sie werden die Auszeichnung auch in diesem Jahr mitnehmen 

Der neue Superspeedway ist der einzige Kurs, auf dem fast nie gedriftet wird.
müssen. Der Moderator öffnet das Kuvert. Trommelwirbel fährt durch das Rampenlicht. Die Scheinwerfer zeichnen einen großen Bogen, bevor etwa ein Dutzend Lichter den Mann auf der Bühne treffen.

"Und der Preis für den..."

Tusch!

Die Pause kommt unerwartet. Aus den hinteren Rängen hallt ein Räuspern durch den Saal. Gähnende Leere lässt die Festhalle erstarren. Die Herren in der ersten Reihe runzeln unmerklich die Stirn.

Der Moderator fasst sich, entschuldigt sich für sein Zögern, zieht den Zettel vollständig aus dem Umschlag. Sein Lächeln wirkt künstlich, als er das Mikrofon greift und mit warmer, aber brechender Stimme verkündet: "Und der Preis für den Wiederholungstäter des Jahres geht an..."

Diesmal ist die Pause beabsichtigt. Sein Blick fliegt wie über einen Brillenrand in den Saal.

"Ridge Racer 2 (ab 28,90€ bei kaufen)!"

Verhalten setzt der Applaus ein. In der ersten Reihe wird lange und begeisternd geklatscht. Drei asiatische Besucher erleben den Rest der Preisverleihung nicht mehr: Während die Herren aus der ersten Reihe und den zwei Buchstaben auf dem Firmenlogo noch feiern, ist die Maschine mit den Lettern NAMCO BANDAI längst auf dem Weg nach Fernost.

Die dreiste Zwei

Schade; den Preis des Wiederholungstäters gibt es nicht. Aber wenn, würden in den Wandschränken der EA-Verantwortlichen etliche Trophäen verstauben. Oder in der der gelben Tonne verrotten. Wie auch immer die Meister des Aufgusses mit dem dubiosen Titel umgehen würden (wahrscheinlich ziemlich gut, bedenkt man die damit verdienten Milliarden), in diesem Jahr haben sie keine Chance!

Namco Bandai hat ganze Arbeit geleistet und offenbar rentieren sich die Entwicklungskosten schon nach zehn verkauften Einheiten. 

Nur auf einem Kurs bekennt Ridge Racer 2 Farbe. Das restliche Spiel wird von Grautönen bestimmt.
Mir fehlen eigentlich die Worte, um die Dreistigkeit zu beschreiben, mit der das Ridge Racer aus dem Vorjahr eine "2" verpasst bekam. Es gibt jetzt drei Schwierigkeitsgrade, neun weitere Strecken, einen erweiterten Fuhrpark, zwölf zusätzliche Musikstücke, zwei neue Spielmodi für Einzelrennen, eine längere Welt-Tour sowie natürlich ein frisches Intro. Aber hier erschöpfen sich die Veränderungen auch schon.

62 sexy Ausblicke

Das klingt nicht so mager, wie ihr erwartet habt? Lasst mich laut nachdenken: Das Aufstocken der Kurse ist lobenswert, ja. Allerdings handelt es sich erneut nur um den Aufguss bekannter Strecken der Racer-Serie. Für Fans von Ridge Racer 4 und Rage Racer ist das eine tolle Sache, doch bis auf einen Superspeedway unterscheiden sich die Pflaster optisch und fahrerisch kaum vom bisher enthaltenen Asphalt. Zumal die Entwickler auch nicht ans Reißbrett traten, sondern lediglich recyceln.                     

Neue Wagen? Ja. Aber so sexy die Schlitten auch weiterhin aussehen, so austauschbar sind die fahrbaren Untersätze mit ihren Fantasienamen. Zumal ihr ohnehin ständig schnellere Boliden freischaltet, so dass euch keiner davon ans Herz wächst. Im Übrigen wurden vier der 58 Autos durch andere Modelle ersetzt - das macht ganze vier Neuzugänge bei 62 Fahrzeugen.

Zwei mal neu, zwei mal besser?

Die zwei zusätzlichen Spielmodi sind für mich ehrlich gesagt unerheblich, denn ich spüre keinen Antrieb,  ein separates Survival-Rennen (am Ende jeder Runde scheidet der jeweils Letzte aus) zu fahren, ins Menü zurück zu müssen und ein einzelnes Duell-Rennen (gegen nur einen Gegner) zu absolvieren, wenn ich keine Belohnung dafür erhalte. Für

Welche Kurse sind neu und aus welchem Teil der Serie stammen sie? Eine kurze Übersicht:

- EX Revolution Road (Ridge Racer Revolution)

- Mythical Coast (Rage Racer)

- Extreme Oval (Rage Racer)

- Hurricane Skyway (als Helter Skelter in RR 4)

- Edgestone Expressway (Edge of the Earth, RR 4)

- Ocean Bay (Out of Blue, RR 4)

- Phantom Mile (RR 4)

- Britenight Cruiseway (Brightest Nite, RR4)

- Shuttleloop Highway (Shooting Hoops, RR 4)Solo-Rennfahrer ist nach wie vor nur die Welt-Tour interessant,  wo ihr aufeinander folgende Rennen gewinnen müsst, um in höhere Klassen aufzusteigen und schnellere Wagen freizuschalten. Ich frage mich allerdings, weshalb ich in der regulären Tour keine Survival- oder Duell-Abschnitte fahre. Das hätte dem spannenden, aber eintönigen Alltag gut getan.

Und dass zu den 30 Musikstücken aus dem Vorjahr zwölf hinzukommen, ist ebenso nebensächlich, denn auch hier werden ausschließlich aus diversen Vorgängern bekannte Tracks neu ausgewertet. Die elektronische Untermalung, deren Beats euch durch die Kurven treiben, gleicht zudem dem bekannten Material.

Ja: Ridge Racer 2 lässt euch wie der Erstling mit einem Affenzahn wahnsinnig cool über den PSP-Bildschirm schlittern. Und verdammt noch mal, das macht auch heute noch unglaublich viel Laune! Aber wieso gleicht das Menü dem des Vorgängers wie ein Ei dem anderen? Wieso nervt derselbe Kommentator mit denselben dämlichen Sprüchen? Wieso klingen die Motorengeräusche immer noch wie heiserne Staubsauger? Wieso hat Namco Bandai das furchtbare Verhalten beim Crash in die Bande nicht einmal ansatzweise entschärft? Das besteht weiterhin aus einem unspektakulären "Plong", woraufhin euer Wagen den Aufprall so lange wiederholt, bis er sich endlich träge in Fahrtrichtung gedreht hat. Und wieso dominieren auf sämtlichen Strecken immer noch triste Grautöne? Eine Frischzellenkur hätte nicht geschadet. Zumal Outrun 2006 längst gezeigt hat, wie lebendig ein PSP-Racer aussehen kann!

Auftritt: SEGA

Apropos: Vor einem Jahr waren die Schlitterpartien einzigartig, aber inzwischen macht mir SEGAs Konkurrent mehr Spaß. In Outrun seid ihr eine ganze Ecke flotter unterwegs und die Drifts wirken dynamischer als in Ridge Racer. In Letzterem fahrt ihr viel

Driften, Schlittern, Rutschen: Auch wenn Outrun 2006 die schöneren Slides hat, begeistern die Kurvenfahrten in jeder Kurve.
deutlicher wie auf Schienen um die Kurven. Dafür denkt Namco Bandais Rennspiel selbst bei hohen Geschwindigkeiten nicht ans Ruckeln. Es rast nach wie vor butterweich über den Bildschirm. Unverändert auch die Mehrspielerpartien, wo ihr über WiFi bis zu acht gegeneinander antretet.

Unterm Strich bleibt ein erstklassiger Titel, der für sich genommen jeden Cent wert ist. Über dem Strich steht aber auch die "2" im Titel und der wird der Publisher nicht einmal ansatzweise gerecht. Wo Sony etliche Strecken und Vehikel zum kostenlosen Download anbot (Wipeout Pure), will Namco Bandai den Vollpreis für das Update sehen. So nicht!

Die Herren mit dem EA-Logo auf den T-Shirts halten immerhin ihr Versprechen: "It's in the game." Wenn Namco Bandai ehrlich wäre, müsste "It's in the predecessor" - "Es ist im Vorgänger" - auf den Fahnen stehen.             

Fazit

Wenn ich meinen schwer verdienten Zaster in Ridge Racer 2 investiert hätte, würde ich die UMD nehmen, aus dem Laufwerk reißen und gegen die Wand schleudern. Teil zwei? Vergesst es! Statt einer Fortsetzung serviert Namco Bandai noch einmal exakt dasselbe Spiel. Für den Kern hartgesottener Fans mögen die neun zusätzlichen Remakes bekannter Strecken einen Blick wert sein; wer ohne seine Ridge Racer-Sammlung unterm Kopfkissen nicht einschlafen kann, freut sich sogar über die weiteren Remakes alter Soundtracks. Alle anderen sollten einen Mindestabstand von zehn Metern halten, denn die Fortsetzung ist nicht mehr als das, was Teil eins mit einigen Wochen mehr Entwicklungszeit hätte sein können. Eine weiterer fader Beigeschmack liegt darin, dass auch Wipeout Pure um neue Kurse und Vehikel erweitert wurde - per kostenlosem Download! Lobenswert sind die drei Schwierigkeitsgrade, denn damit werden Könner ihres Fachs endlich gefordert. Weniger sinnvoll empfand ich die beiden Spielmodi Duell und Survival, denn mit denen fahrt ihr nur einzelne Rennen, landet anschließend wieder im Menü und habt sonst nichts davon. Ganz anders sieht die Sache natürlich aus, wenn ihr noch nicht in den Genuss der rasanten Rennaction aus dem letzten Jahr gekommen seid. Dann nehmt euch den Test des Vorgängers und schlagt zu: Das Um-die-Kurven-Schlittern fühlt sich klasse an, geht unkompliziert von der Hand und läuft flüssiger als der schönere Drift-Konkurrent Outrun 2006.

Pro

rasanter, ruckelfreier Ablauf
treibende elektronische Beats
viele cool aussehende Schlitten
jede Menge Strecken
lange World Tour
tolle Drifts
drei Schwierigkeitsgrade

Kontra

exakte Kopie des Vorgängers
nerviger Ansager
neue Rennvarianten nicht in World Tour
schwache Crash
und Motorensounds
nerviges Kollisionsverhalten
für Besitzer von Teil eins uninteressant
Neuheiten im Wert eines Updates

Wertung

PSP

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.