Scarface: Money. Power. Respect.13.12.2006, Benjamin Schmädig
Scarface: Money. Power. Respect.

Im Test:

Auf PS2, Xbox sowie PC lockte die Filmumsetzung zu Scarface mit dem Slogan "The World is Yours" und ihr durftet Miami als schießwütiger Geschäftsmann unsicher machen. Auf dem Handheld heißt es weniger großspurig nur noch "Money. Power. Respect." und ihr seid nicht mehr selbst im Drogenmilieu unterwegs, sondern agiert auf einer strategischen Karte von Miami. Klingt gut - ich mag taktische Plänkeleien. Aber hat Vivendi genug auf die UMD gepackt, um mich langfristig zu fesseln?

Alle Macht den Drogen!

Richtig gehört: Die Handlung verläuft, anders als auf Konsolen, parallel zum Film und auch spielerisch ist die Konvertierung kein Abbild ihrer großen Brüder, sondern verlangt taktisches Können im Rundenkampf. Aber wie kommt ihr eigentlich zu Geld, Macht und Respekt? Rundenstrategen wissen, dass der bloße Besitz von Revieren noch keinen Zaster in die Kassen spült; in Scarface baut ihr deshalb Drogen-Fabriken, deren Heroin, Kokain oder 

Obwohl ihr euren Schlägern noch während der Kämpfe Anweisungen geben könnt, gestalten sich die Auseinandersetzungen eher trist.
Haschisch eure Pusher unters Volk bringen. Zunächst müsst ihr aber überlegen, ob ihr Fabriken ordert, Pusher einstellt oder Schläger engagiert, die eure Gebiete gegen konkurrierende Kartelle verteidigen.

Habt ihr die Verkaufsphase abgeschlossen, müsst ihr euren Stoff an den kleinen Mann verticken - sucht euch das Revier aus und wählt, wieviel Drogen die Pusher dort absetzen sollen. Aber Vorsicht: Wenn ihr den gesamten Vorrat dort verkauft, wo viel gezahlt wird, sinkt anschließend der Straßenpreis. Ihr müsst deshalb auch in weniger interessierten Kreisen den Appetit anregen, indem ihr kleine Mengen anbietet - anschließend steigt dann die Nachfrage.  Habt ihr zu wenig Pusher oder wollt einen Teil eurer Drogen aus anderen Gründen behalten, wandert der Rest des Vorrats in die Warenhäuser. Passt deshalb auf, dass ihr immer genug Lagerhallen baut und ausreichend Pusher anheuert, um einen Warenüberschuss zu vermeiden!

Kraftvolle Bewegungen

Habt ihr die zweite Phase überstanden, könnt ihr entweder Schläger bewegen, um euch gegen Überfälle zu wappnen oder ihr schiebt eure Truppen auf ein angrenzendes feindliches Territorium. Entscheidet ihr euch 

Der wohl markanteste Power Move erledigt bis zu sechs Feinde: Sag Hallo zu meinem kleinen Freund!
für die Defensive, dürft ihr so viele Männer bewegen wie ihr wollt; angreifen könnt ihr allerdings nur einmal pro Runde. Zudem dürft ihr maximal zehn Schläger je Stadtteil postieren. Sobald ihr eine Entscheidung getroffen habt, müsst ihr eure Reviere gegen einfallende Kartelle verteidigen oder den gewählten Stadtteil gewaltsam übernehmen. Ihr seht dann eure Schläger und die des Widersachers an einer Kreuzung aufmarschieren - wenn zwei oder mehr Kartelle dasselbe Revier überfallen, stehen sich sogar mehrere Parteien gegenüber.

Der Rest verläuft im Rundenkampf: Eure Männer stehen am Fleck, ballern was das Zeug hält und solange noch einige stehen, könnt ihr ihnen Anweisungen erteilen. Entweder lasst ihr sie einfach angreifen, ein bestimmtes Ziel ins Visier nehmen oder so genannte "Power Moves" ausführen. Mit denen ruft ihr Verstärkung, stellt die Gesundheit eurer Männer her, werft Granaten, ruft Scharfschützen zu Hilfe, setzt einen eurer Männer unter Drogen, woraufhin er sich selbstmörderisch auf die Gegner stürzt und zwei bis drei von ihnen mitnimmt - es gibt etliche Extras, die die Schießereien erleichtern.         

Die Power Moves kauft ihr entweder im Kampf oder in den beiden Phasen zuvor. Wobei euch nicht nur martialische Hilfe zur Verfügung steht: Ihr könnt auch den Preis für eine bestimmte Droge erhöhen, ihn in ganz Miami auf ein Minimum reduzieren oder ein bestimmtes Territorium eine Runde lang gegen Angriffe schützen. Welchen Move ihr erhaltet, wisst ihr dabei nie genau - ihr bezahlt und erfahrt anschließend, für welches Extra ihr gelöhnt habt. Im Gegenzug kosten die Power Moves kein Vermögen, so dass ihr euch selbst dann noch eine Hand voll leisten könnt, 

Al Pacino alias Tony Montana taucht zwar in den Filmsequenzen auf, spielt sonst aber keine Rolle.
wenn ihr so viele Schläger, Pusher und Fabriken gekauft habt wie eure Mittel zulassen.

Kratzige Einsatzbesprechung

Oberflächlich gesehen bietet Money. Power. Respect. alle Zutaten, die euch als aufstrebender Drogenbaron sowohl fordern als auch lange beschäftigen: Ihr müsst einige Für-und-Wider-Entscheidungen treffen, tragt taktische Auseinandersetzungen aus, behaltet Truppenstärke sowie Liquidität im Auge. Szenen aus dem Film sowie wenige Stücke der Originalmusik versetzen euch in die Atmosphäre des über 20 Jahre alten Gangster-Streifens und die deutsche Stimme von Tonys Boss Lopez kratzt die Missions-Beschreibungen wunderbar verraucht ins Mikro.

Auf Dauer konnte mich Scarface aber dennoch nicht fesseln, denn ihr macht nicht wirklich als Drogenboss Karriere, sondern spult unter "Film-Szenarios" lediglich ein paar lose Aufträge ab. Ihr setzt nicht einmal das abgeschlossene Szenario fort, sondern beginnt jeden Einsatz an einem festgelegten Startpunkt. Die Filmszenen führen euch zwar in die Missionen ein, halten sich aber nicht an die Chronologie von De Palmas Werk. Tony Montana wirkt dabei wie ein Statist, der ausschließlich während der Einspielungen ins Rampenlicht tritt. Euer Alter Ego hätte auch Wolfgang Kennichnicht sein können - es hätte keinen Unterschied gemacht. Dass die Darstellung weder auf dem nüchternen Stadtplan von Miami noch in den tristen Kämpfen überzeugt, unterstreicht die müde Inszenierung.

Lückenstopfer

Viel schlimmer sind aber die einfallslosen gegnerischen Kartelle, denn so umfangreich ihr auch agieren könnt: Ihr müsst es kaum tun. Sinnlos auch die Allianzen, die für euch einen Nichtangriffspakt und damit Sicherheit bedeuten. Ihr selbst könnt das Abkommen aber jederzeit brechen - und zwar ohne Konsequenzen. Ihr baut also in Ruhe ein paar Fabriken, heuert Schläger an und kauft Power Moves. Nach einer halben Stunde seid ihr so mächtig, dass die verbleibende Eroberung in Richtung Langeweile tendiert. Aber ihr beschäftigt euch ohnehin nur im freien Spiel mit

So klein ist Miami: Die wenigen Stadtviertel nehmen dem Taktikspiel schnell den Schwung.
dem Einnehmen sämtlicher Gebiete. Je nach Vorgabe könnt ihr auch versuchen, als Erster 15 Millionen zu besitzen oder nach sechs Runden der reichste Teilnehmer zu sein. Diese drei Möglichkeiten habt ihr übrigens auch zu viert über die WiFi-Verbindung.

Vielleicht habt ihr es schon herausgelesen: Weder die Szenarios noch das freie Spiel nehmen viel Zeit in Anspruch. Dass Miami in gerade mal 17 Areale unterteilt ist, verkürzt die Spieldauer zusätzlich, weshalb auch meine Motivation schon nach wenigen Stunden einen Dämpfer verpasst bekam. Sobald ich im Besitz von ungefähr sechs Revieren bin, wünsche ich mir außerdem einen automatisierten Drogenverkauf, weil das Zuweisen von drei verschiedenen Rauschmitteln in mehr als einer Hand voll Arealen mühevolle Kleinarbeit ohne nennenswerten Tiefgang ist. Ausgerechnet an dieser Stelle hätte der Ablauf nicht gestreckt werden sollen. Letzten Endes eignet sich Scarface auf der PSP als ansprechender Lückenfüller - den vollen Preis ist das Streben nach Geld, Macht und Respekt allerdings nicht wert.          

Fazit

Ehrlich, ich finde es toll, mein Reich auf einer Übersichtskarte Runde um Runde zu erweitern - da macht auch Scarface keine Ausnahme. Allerdings haben es die Entwickler verpasst, ihr umfangreiches Gerüst so zu verpacken, dass es nach dem Einstieg lange zum Weitermachen motiviert. Die Gegner verhalten sich zu harmlos, als dass ihr zu taktischen Finessen greifen müsstet, die Darstellung lockt höchstens Nostalgiker hinter dem Ofen vor und eine durchgehende Geschichte ist nicht vorhanden. Ihr erlebt nicht einmal eine echte Kampagne. Wären die Straßenkämpfe mitreißend in Szene gesetzt worden und würde man die Protagonisten nicht nur in Filmschnipseln zu Gesicht bekommen, gäbe es vielleicht einen Grund, an der Eroberung Miamis dranzubleiben. Viel mehr stört mich aber die fehlende Herausforderung, denn so hat die Filmumsetzung mehr Minispielcharakter als dass sie als durchdachte taktische Fingerübung langfristig begeistern könnte.

Pro

kurze Szenen aus dem Film
stimmige Sprachausgabe
sinnvolle Power Moves
unkompliziertes Taktieren mit ausreichend Tiefgang

Kontra

unspektakuläre Kämpfe
keine echte Kampagne
wenig Missionen
auf Dauer eintönig
umständlicher Drogen-Verkauf
kaum Spielvarianten
wenig Sprachausgabe
harmlose Gegner
triste Karte

Wertung

PSP

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