Innocent Life: A Futuristic Harvest Moon12.05.2007, Jan Wöbbeking
Innocent Life: A Futuristic Harvest Moon

Im Test:

Harvest Moon – dieser Name steht seit Jahren für idyllisches Ackern auf dem Lande und für putzige kleine Anime-Figuren, die durch ihre 2D-Welt wuseln. Für die PSP hat Marvelous Interactive seine Mischung aus Aufbaustrategie und Lebenssimulation in die dritte Dimension übertragen. Auch inhaltlich hat sich einiges getan, denn neuerdings schlüpft ihr in die Rolle eines Androiden, der das Dach einer mystischen Landwirtschaftsruine zum Erblühen bringen soll.

Des Bauers neue Kleider

Keine Angst, am Spielprinzip hat sich nichts geändert: Noch immer pflanzt ihr verschiedene Gemüsesorten an, haltet Tiere und baut euch nach und nach die eigene Farm auf. Wieder einmal befreit ihr den Boden vorher von Unkraut, Holz und Geröll. Doch diesmal müsst ihr noch mehr Geduld mitbringen als zuvor, denn alles in diesem Spiel dauert lange. Sehr lange.

Pflanzen wie Erdbeeren und Gurken sind etwas teurer, lassen sich aber auch gleich mehrmals pro Saison abernten.
Zunächst einmal klickt ihr euch durch die behäbig ablaufende Einleitung. Auf einer kleinen Insel existiert neben einer kleinen Stadt auch eine verwunschene Ruine. In längst vergangenen Zeiten bearbeiteten dort die Bauern der Insel das Land mit den eigenen Händen. Doch dann gab es einen Krieg und die in der Ruine lebenden Waldgeister versiegelten den fruchtbaren Boden auf dem Dach des Gebäudes. Um den Bann zu brechen, hat Dr. Hope euch entwickelt: einen Roboter, der äußerlich nicht von einem Jungen zu unterscheiden ist.

Ich vermute, ihr ahnt schon, wohin die Reise geht? Der Doktor schickt euch in Figur dieses Androiden in das Alte Gemäuer, damit ihr durch eure Feldarbeit die Geister besänftigt und die Insel von dem Fluch befreit. Zu Beginn räumt ihr erst einmal alles herumliegende Gerümpel vom Feld, pflügt die Erde mit der Hacke um und säht die ersten Samen auf dem einzigen Feld aus, dass die Geister vor ihrem Fluch verschont haben. Nachdem ihr jedes einzelne der kleinen Quadrate mit der Gießkanne gewässert habt, empfiehlt sich ein Ausflug in die Stadt, um im dortigen Supermarkt ein paar weitere Samen einzukaufen. Habt ihr auch die ausgesät, dürft ihr darauf warten, dass nach fünf Tagen die ersten Pflanzen Früchte tragen.

Virtuelle Schlaftablette

Genau diese Wartezeit kann zur Tortur werden. Ihr dürft zwar die hübsch gestaltete Umgebung erkunden. Doch egal wohin euch euer Forscherdrang auch führt, nirgendwo gibt es etwas zu tun. In der Ruine und den Höhlen warten nur verschlossene Türen auf euch.

In den zahlreichen Grotten findet ihr die Edelsteine, die verschlossene Türen öffnen und den Fluch von den Feldern nehmen.
Es liegen zwar auch ein paar Steine herum, aber denen könnt ihr erst später mit dem passenden Hammer wertvolles Erz entlocken. Auch die Einwohner in der Stadt können euch nicht weiterhelfen. Statt dessen langweilen sie euch mit dem typischen Harvest-Moon-Smalltalk, der zudem noch in recht holpriges Deutsch übersetzt wurde und sich nicht einmal durch einen Tastendruck abbrechen lässt.

Als ob all das nicht einschläfernd genug wäre, hat mich das depressiv-melancholische Harfengezupfe beinah mehrmals ins Land der Träume befördert. Immerhin lässt sich die Musik stumm schalten. Zum Glück fiel mir nach ein paar virtuellen Tagen auf, dass ich meinen Charakter auch schon zur Mittagszeit nach getaner Arbeit ins Bett schicken kann. Das funktionierte zwar auch schon bei Harvest Moon auf dem DS, doch damals habe ich die Möglichkeit gar nicht entdeckt, weil bis nach Sonnenuntergang immer genug zu tun war. Kein Wunder - beim ersten Ableger für den Nintendo-Handheld dauert ein virtueller Tag nur fünf Minuten, auf der PSP dagegen eine lange halbe Stunde.                 

Spätstarter

Habt ihr erst einmal die langen ersten Frühlingstage überstanden, wird eure Geduld aber nicht mehr ganz so arg strapaziert. Im Laufe der Zeit bekommt ihr einen Schlüssel spendiert, mit dem ihr endlich die erste Tür in der Grotte neben der Unterführung öffnen könnt. Dort befinden sich die Schatzkisten mit den so wichtigen Edelsteinen.

Ob klirrend kalter Winter, Frühling, Sommer oder Herbst: In allen Jahreszeiten werden die Kulissen malerisch in Szene gesetzt.
Mit Hilfe der Klunker befreit ihr nach und nach immer mehr Felder von ihrer Versiegelung und gebt Wege frei, die zuvor noch durch eine massive Tür verschlossen waren. Nach und nach gelangt ihr so in immer entferntere Grotten und Waldstücke. Auch ein Besuch im städtischen Laden wird mit der Zeit immer ergiebiger. Neben auf die Saison zugeschnittenem Saatgut findet ihr dort bald auch hilfreiche Gerätschaften im Regal. Wenn ihr geduldig bleibt, könnt ihr nach einiger Zeit eine Menge Melonen, Erdbeeren und Blumen wie Tulpen und Stiefmütterchen ernten und den jeweiligen Gegenwert in harter Währung einstreichen.

Das Geld investiert ihr in Saatgut und Hilfsmittel wie ein kleines Schienennetz zum Abtransport der Ernte, nicht aber, wie bei Harvest Moon DS, in neue Ställe für eure Tiere. Die wohnen statt dessen in einem Seitentrakt des großen Gemäuers, der später frei geschaltet wird. Doch bis dahin gehen viele, viele Stunden Feldarbeit ins Land. Dann dürft ihr euren Lieblingen auch wieder Zärtlichkeiten zukommen lassen, natürlich nur per Knopfdruck und nicht per Touchscreen wie auf dem DS. Außerdem könnt ihr in der eigenen Küche wieder den Kochlöffel schwingen. Nach einiger Zeit bekommt ihr einen umgebauter Kampfroboter geschenkt, der für euch die Pflanzen gießt und das Feld von Unrat befreit. Die Blechbüchse erledigt ihre Arbeit weitaus zuverlässiger als die Erntewichtel in Harvest Moon DS.

Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?

Er arbeitet sogar genauer als euer eigener Charakter, denn den müsst ihr im richtigen Abstand vor das Ziel stellen, damit der Wasserschwall aus der Gießkanne auch die richtige Parzelle trifft. Noch umständlicher geraten ist das Einkaufen. Statt wie bei Harvest Moon DS einfach den entsprechenden Händler anzurufen, müsst ihr jedes mal höchstpersönlich in die Stadt zum Laden marschieren.

Schafe, Hühner und Kühe könnt ihr leider erst im späteren Spielverlauf halten.
Immerhin erspart euch ein kleiner Buggy im späteren Spieleverlauf den langen Laufweg dorthin. Im Laden angekommen müsst ihr sämtliche Artikel umständlich in den Einkaufswagen legen und jedes mal diverse Infotexte über euch ergehen lassen, bevor es an die Kasse geht und ihr die komplette Bestellung erneut in mehreren Abfragen bestätigen müsst.

Ihr solltet lieber vorher prüfen, ob ihr genug Geld mitgebracht habt, denn euer Kontostand wird während der Einkaufstour nicht angezeigt. Und da ihr nur höchstens neun Einheiten eines Artikels auf einmal in den Wagen legen dürft, müsst ihr bei größeren Mengen gleich mehrmals durch den kompletten Laden laufen. Die umständliche Einkaufsroutine ist symptomatisch für das Spiel. Ständig muss man sich für einfachste Aktionen durch unnötig komplizierte Menüs kämpfen und sich hundert mal die gleichen Erklärungstexte durchlesen.

Ich glaub ich steh' im Wald

Deutlich besser gelungen ist die ausdiovisuelle Inszenierung der verwunschenen Insel. Zahlreiche Grasbüschel und wilde Sträuchern säumen die Wiesen rund um die Ruine. Im Frühjahr fliegen so viele Kirschblüten und Pollen durch die Luft, dass es mir beinah in der Nase kitzelte. Auch die Soundeffekte passen bestens zu den idyllischen Umgebungen. Lauft ihr zum Pilze pflücken auf die stille Waldlichtung, hört ihr dort nur ein leichtes Rauschen und das Zirpen der Grillen. Lobenswert auch, dass sich die malerischen Kulisse stets sauber und flüssig an euch vorbeirauscht. Kameraprobleme sind in diesem Spiel ein Fremdwort, da die vorgegebene und nicht veränderbare Perspektive das Geschehen stets vorbildlich einfängt.       

Fazit

Mit Innocent Life haben die Entwickler den Bogen überspannt. Es ist zwar löblich, dass der PSP-Ableger noch umfangreicher werden sollte als seine Vorgänger. Doch es wirkt so, als sei das Spielerlebnis nur künstlich in die Länge gezogen worden. Bei Harvest Moon DS musste der Spieler zwar auch erst einmal ein paar Stunden auf dem Feld ackern, um an genug Bares zu kommen. Doch dann konnte man sich sofort einen Stall bauen lassen und die passenden Tiere dazu einkaufen. Bei Innocent Life auf der PSP dagegen müsst ihr euch erst einmal durch viele ereignislose Tage quälen, bis ihr an die Edelsteine herankommt, welche die versiegelten Felder und den Stalltrakt freischalten. Wer viel Zeit und noch mehr Geduld aufbringt, kann trotzdem 50 bis 100 mehr oder weniger unterhaltsame Stunden in der wunderschönen Fantasiewelt verbringen, um in aller Ruhe seinen Bauernhof in den Ruinen aufzubauen. Mir dauert das eindeutig zu lange. Ich arbeite lieber weiter an meinem Gehöft in Harvest Moon DS, denn dort werde ich für meine harte Arbeit schneller mit Erfolgen belohnt.

Pro

motivierendes Spielprinzip
frisches, leicht futuristisch angehauchtes Szenario
hübsch gestaltete Kulissen
flüssig animierte, fehlerfreie Grafik
stimmungsvolle Tages- und Jahreszeitenwechsel
atmosphärische, auf die Szenarien zugeschnittene Soundeffekte

Kontra

Spieldauer künstlich in die Länge gezogen
zu Beginn ist nur wenig zu tun
umständliche Steuerung und Menügestaltung
langweilige Smalltalk-Dialoge..
..die etwas unbeholfen übersetzt wurden..
..und sich nicht abbrechen lassen
einschläfernde Musikstücke wiederholen sich zu schnell

Wertung

PSP

Unnötig in die Länge gezogenes Bauernhof-Abenteuer in neuem Szenario

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