SOCOM: US Navy SEALs - Tactical Strike28.12.2007, Jan Wöbbeking
SOCOM: US Navy SEALs - Tactical Strike

Im Test:

Vorsicht: Dieses Socom ist gar kein Socom! Zumindest nicht, was das Spielprinzip angeht. Statt ein weiteres Update des gelungenen Shooters für die PSP nachzuschieben, wagt Sony einen Schritt auf weniger ausgetretene Pfade und transferiert das Spielprinzip des Militär-Taktik-Spiels Full Spectrum Warrior auf sein Handheld. Diesmal ist mehr denn je ein kluger Kopf als ein schneller Finger am Abzug gefordert.

Befehlen statt abdrücken

Taktische Elemente gab es schon in den ersten beiden PSP-Socoms erfreulich viele. Doch diesmal wurde der sonst überwiegende Action-Anteil komplett gestrichen: Socom - Tactical-Strike ist kein Shooter, sondern ein Strategiespiel.

Natur pur: Die Vegetation ist den Entwicklern vorzüglich gelungen.
Ihr steuert keinen eurer Männer selbst und könnt nicht eigenhändig zielen und schießen. Statt dessen schaut ihr eurem Team über die Schulter und gebt ihm Befehle. Full Spectrum Warrior-Spieler kennen das Prinzip. Diesmal schickt ihr zwar nur vier Männer durchs Krisengebiet, doch die lassen sich beinah genauso navigieren wie im großen THQ-Vorbild auf PC und Xbox.

Mit dem Analogknubbel bewegt ihr ein Fadenkreuz übers Schlachtfeld. Mit einem schnellen Knopfdruck schickt ihr eure Männer an den angepeilten Punkt, an dem sie idealerweise in Deckung gehen und auf weitere Anweisungen warten. Haltet ihr einen der Feuerknöpfe länger gedrückt, könnt ihr eure Befehle verfeinern. Dann nämlich ploppt eines der Befehlsmenüs auf, mit dessen Hilfe ihr euer Team anweist, was zu tun ist. Dazu gehört das lautlose Voranschleichen, die Markierung des Bereichs, auf den eure Soldaten das Feuer eröffnen, das Stürmen eines Hauses mit oder ohne Blend- Rauch- oder Splittergranate, der Schießbefehl für einen Scharfschützen und vieles mehr.

Multinational

Die Geschichte ist schnell erzählt: Panamaische Militärrebellen haben geputscht und ein Regierungsmitglied als Geisel genommen. Auch der Botschafter eures Mutterlandes befindet sich in ihrer Gewalt.

Eins, zwei, drei, vier, Eckstein... Mittels Befehlsauswahl lasst ihr eure versteckten Soldaten angreifen.
Seine Nationalität hängt davon ab, welche Spezialeinheit ihr zu Beginn des Spiels auswählt. Dazu gehören z.B. die Navy Seals, der britische SAS und die deutsche KSK. Eure Aufgabe ist es, die Gefangenen zu befreien.

Eine der Missionen führt euch über ein weitläufiges, wild bewachsenes Gebiet mit mehreren Hügeln. Bei der Gestaltung des Terrains haben sich die Entwickler genau so viel Mühe gegeben wie beim Rest der sehenswerten Grafik. Wie in Battlefield 2 oder Call of Duty 4 habt ihr wirklich das Gefühl, durch echtes Gestrüpp zu laufen. Dank des reichhaltigen Wildwuchses, der jedem Öko-Gärtner eine Träne der Rührung in die Augen treibt, könnt ihr dort wunderbar verschiedene Taktiken ausprobieren.                     

Grips gewinnt

Schleicht euch mit eurem Zwei-Mann-Team Alpha an die patrouillierenden Wachmänner heran und befehlt ihnen, dort zu warten und erst auf euer Kommando hin das Feuer zu eröffnen. Dann stehlt ihr euch mit den verbleibenden zwei Soldaten an einer Hecke vorbei und gebt auch ihnen den Befehl,  erst auf euer Zeichen die Gegner unter Sperrfeuer zu setzen.

Hautnah: Im Snipermodus seht ihr in Zeitlupe, wie das Geschoss auf sein Opfer zufliegt.
Wartet den richtigen Moment ab und das Feuerwerk kann beginnen: Team Bravo treibt die überraschten Feinde zurück hinter einen kleinen Hügel, wo ihnen Alpha in den Rücken fällt und den Rest gibt.

In diesem weitläufigen Terrain ist es allerdings gar nicht so wichtig, strategisch vorzugehen. Statt dessen könnt ihr eure Männer genau so gut vor der Mission mit genügend Scharfschützengewehren und passender Munition ausstatten. Seid ihr weit genug von euren Feinden entfernt, laufen die nämlich umher wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen, statt den Ursprung des Angriffs zu suchen.

Kein Platz für Rambo

Anders sieht es in den detailliert gestalteten Gassen und Kellergewölben von Panama Stadt aus. Dort verwandelt sich die lockere Safari in einen knallharten Überlebenskampf. Schon in der ersten der sehr langen Missionen geratet ihr in einen Hinterhalt.

im Lauf der Kampagne kommt ihr an neue Waffen und levelt die Fähigkeiten eurer Teammitglieder auf.
Ihr landet in einem Innenhof, in dem jede falsche Bewegung zum Tod führen kann, denn auf sämtlichen Dächern sind Scharfschützen postiert. Ihr könnt nicht einmal außen um die Häuser herumschleichen, denn eure Widersacher haben euch den Weg mit Autos versperrt. In solch einem Moment hilft es nur noch, den groß auf die Spieleverpackung gedruckten Ratschlag zu befolgen: »Auskundschaften. Planen. Zuschlagen.«

Mittels Tacmap macht ihr euch ein Bild von der Umgebung. Es ist außerdem wichtig, in den Zwischensequenzen gut aufzupassen, denn darin wird gezeigt, an welchen Orten sich eure Gegner versteckt haben. Als erstes bringt ihr eure beiden Teams hinter einer umgestürzten Badewanne und einem Häuservorsprung in Stellung - zwei der wenigen Orte, an denen ihr nicht in die Schusslinie der Heckenschützen geratet. In dieser Situation macht sich das gedeckte Vorrücken bezahlt. Aus der Sicht von Team Alpha schickt ihr z.B. das zweite Team mit dem Fadenkreuz zur nächsten Deckung hinter einer steilen Treppe und gebt ihm Feuerschutz. Jetzt dreht ihr schnell das Fadenkreuz um und markiert mit Bravo den Bereich, in dem der Heckenschützen hinter euch auf dem Balkon steht. Danach sind die übrigen auf den Dächern postierten Kämpfer an der Reihe. Wenn ein wenig Ruhe eingekehrt ist,arbeitet ihr euch weiter die Treppe hinauf. Ihr könnt übrigens auch jeden Kämpfer einzeln voranziehen lassen.               

Schieß doch endlich!

Nachts sind alle Wächter grün.
Leider habt ihr manchmal nicht nur mit euren Widersachern zu kämpfen, sondern auch mit der Dummheit eurer Untergebenen. Die wehren sich bei Bedrohung zwar von selbst, reagieren in manchen Situationen aber reichlich beschränkt. Mal bewegen sie sich auf die falsche Seite der Deckung und lassen sich mit Blei abfüllen, ein anderes mal wollen sie einfach nicht feuern und lassen sich trotz Überzahl vom Gegner hinrichten. Zum Glück bleiben solche Szenen die Ausnahme, ärgerlich sind sie trotzdem. Neben den Hauptzielen der Mission könnt ihr außerdem ein paar Nebenaufgaben erfüllen, welche euch Kommando-Kapital und lokalen Einfluss bescheren. Dadurch gelangt ihr nach der Mission an spezielle Waffen und Ausrüstungsgegenstände.

Besonders hilfreich sind in hektischen Gefechten die Splittergranaten, denn sie sind die einzige Waffe, mit der ihr wie in einem Shooter eigenhändig in den Kampf eingreift.  Wenn sie explodieren, gibt es einen unbarmherzig realistischen Knall. Ihr hört das Klirren der zerberstenden Fensterscheiben von herumstehenden Autos,

Volle Deckung! Im Notfall verteidigt sich euer Team selbstständig.
während ein langgezogener Pfeifton die Überbeanspruchung eurer Hörzellen simuliert. Auch der Rest der akustischen Untermalung versetzt euch direkt ins Kriegsgebiet. Jede Kulisse besitzt ihr eigenes passendes Hintergrundrauschen und die Ausrüstung knatscht und klimpert so authentisch, das Uniform-Fetischisten ihre helle Freude an dem Spiel haben dürften. Dazu gesellt sich die gewohnt professionelle deutsche Socom-Sprachausgabe und die typisch euphorischen Orchester-Klänge - natürlich wieder mit einer Abwandlung des Hauptthema-Ohrwurms. All das klingt zwar einen Deut weniger glasklar als in Medal of Honor: Heroes 2, ist davon abgesehen aber über jeden Zweifel erhaben.

Wieder ein Online-Hit?

Wie immer in der Socom-Reihe wartet auch in Tactical Strike ein umfangreicher Online-Modus mit Klan-Funktion und jeder Menge Konfigurationsmöglichkeiten auf euch. Fügt die abwechslungsreich gestalteten Multiplayer-Maps zu einer Spieleliste hinzu, verbietet einzelne Waffen und tobt euch in vielen anderen Menüs aus. Außerdem dürft ihr euch während eines Matches mit euren bis zu drei Gegnern per Voice Chat unterhalten. Falls ihr noch kein Headset besitzt, besorgt ihr euch einfach das alternativ zum Einzelspiel erhältliche Bundle.

Oh wie schön ist Panama! Janosch hätte seine helle Freude am neuen Socom.
Zur Auswahl stehen Deathmatch und Team Deathmatch sowie ein paar Varianten, in denen ihr Geiseln befreit oder vorgegebene Objekte wie Fahrzeuge sprengt. Leider gestalten sich die Online-Matches ein wenig zäher als die Kampagne, da man seine Männer mit nie so schnell bewegen kann, wie man es sich wünscht.

Das liegt vor allem am etwas trägen Cursor, der um Hindernisse herum navigiert werden muss und an der für PSP-Verhältnisse ungewohnt komplexen Steuerung. In der Kampagne fallen diese Probleme seltener auf, da ihr es nur mit relativ linear patroullierenden Gegnern zu tun bekommt. Dort ähnelt das Spiel eher einem Puzzle, bei dem ihr die Route der Gegner auskundschaftet, eure Männer in Ruhe in Stellung bringt und dann zuschlagt. Im Multiplayer-Modus dagegen zählt jede Sekunde, da euer Gegner ein angreifender Mensch und keine stumpfe KI-Wache ist. Offenbar kommt auch bei den anderen Spielern der Online-Modus nicht so gut an wie in den Shooter-Vorgängern, denn statt mehreren hundert Mitspielern traf ich im Server-Browser meist nur auf eine Hand voll Gegner. Mit ein wenig Map-Kenntnis und der nötigen Abgebrühtheit entwickeln sich aber trotz der gewöhnungsbedürftigen Steuerung spannende Matches.               

Fazit

Entwickler Slant Six Games hat es tatsächlich geschafft, einen funktionierenden Full Spectrum Warrior-Klon für die Hosentasche zu erschaffen. Es dauert zwar deutlich länger als im PC-Vorbild, bis man mit der komplexen und etwas zähen Steuerung zurecht kommt, aber danach könnt ihr die KI-Gegner mit einer Menge taktischer Finessen außer Gefecht setzen. Im Spiel gegen menschliche Gegner müsst ihr die Steuerung allerdings aus dem Effeff beherrschen, sonst sorgen schlecht durchdachte und hektisch ausgeführte Manöver für eine Menge Frust. In der Kampagne dagegen könnt ihr eure Umgebung in Ruhe erkunden und erst dann ein passendes Manöver starten. Oder wie es der Verpackungs-Designer treffend zusammengefasst hat: »Auskundschaften. Planen. Zuschlagen.«

Pro

für Handheld-Verhältnisse frisches Spielprinzip
aufwändige Grafik
große Maps
glaubwürdig ausgearbeitetes Terrain
schmutzige Autos und Häuserfassaden
erstaunlich realistische Granaten-Explosionen
authentische Soundeffekte
typischer orchestraler Socom-Soundtrack mit Ohrwurm-Melodien
umfangreicher Online-Modus mit Voice Chat und Clan-Funktionen

Kontra

zäher Einstieg durch komplexe Steuerung
Cursor reagiert etwas zu langsam und muss um Hindernisse herum navigiert werden
ärgerliche Aussetzer der Team-KI
komplizierte Steuerung wirkt im hektischen Online-Spiel etwas krampfig
Scharfschütze ist zu wirkungsvoll, so dass man viel zu oft auf ihn zurückgreift, statt taktisch vorzugehen

Wertung

PSP

Kompliziert, aber spannend: Gelungene Militärstrategie für die Hosentasche im Stil von Full Spectrum Warrior.

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