Xyanide: Resurrection27.05.2007, Jan Wöbbeking
Xyanide: Resurrection

Im Test:

Eine bunt blitzende Traumwelt voller merkwürdiger mechanisch-organischer Killermaschinen und ein hypnotischer Techno-Soundtrack – das ist Xyanide Resurrection. Wer schon beim Spielen von Segas Ausnahmetitel Rez in einen Rauschzustand verfiel und eine PSP besitzt, sollte sich das Spiel unbedingt besorgen. Denn ein derart spaciger Rail-Shooter erscheint nicht alle Tage.

Kommt es oder kommt es nicht?

Dass es der Titel von Playlogic hierzulande überhaupt bis zur Veröffentlichung geschafft hat, ist keineswegs selbstverständlich. Der Xbox-Vorgänger Xyanide kam nämlich nur in den Vereinigten Staaten auf den Markt, obwohl auf der Games Convention 2005 eine spielbare Fassung präsentiert wurde und obwohl die USK dem Titel bereits am 11. August eine Freigabe ab 12 Jahren verliehen hatte. Wegen des schwindenden Marktes für Spiele auf der Original-Xbox habe man  keinen Publisher mehr für den Nischentitel gefunden, erklärte Beco Mulderij von Playlogic auf Nachfrage.

Nur keine Panik: Wenn das Ufo seinen Projektilhagel spiralförmig von sich schleudert, könnt ihr darunter abtauchen oder im Zickzack ausweichen. 
Sogar für den GameBoy Advance und das N-Gage existieren Demo-Fassungen vom Erstling, doch die Vollversionen davon sind nur für Mobiltelefone erschienen. Schade eigentlich, denn wenn man den Kollegen von der amerikanischen Presse glaubt, ist uns zumindest auf der Xbox ein recht ordentlicher Geometry Wars-Klon durch die Lappen gegangen. Wenigstens ist die US-Fassung codefree und läuft somit auch auf der deutschen Original-Xbox. Aber genug der Vorgeschichte, kommen wir zum Nachfolger Xyanide Resurrection. Den dürfen ausnahmsweise vorerst nur wir Europäer zocken. In Deutschland übernimmt Atari den Vertrieb. Seltsamerweise wurde das Spiel bereits im Dezember von der USK freigegeben und hat es jetzt endlich in deutsche Läden geschafft - Halleluja!

Für den neuen Teil hat sich das hauseigene holländische Studio von Playlogic einiges einfallen lassen, denn Xyanide Resurrection ist kein Asteroids-Klon wie sein Vorgänger. Stattdessen wurde die Action in die dritte Dimension verfrachtet. Das Spiel ist ein typischer Rail-Shooter wie Rez und die drei Teile der Panzer Dragoon-Reihe. Wie bei den Vorbildern fliegt ihr durch eine bunt leuchtende Fantasiewelt und nehmt mit einem Zielkreuz Gegner aufs Korn. Euer Auftrag: Ihr sollt die Hexe Aguira finden, die bei einem interstellaren Gefangenentransport fliehen konnte. Ihr Raumschiff kollidierte mit einem Asteroiden. Dabei wurde die zum Tode Verurteilte mit einer geheimnisvollen Substanz benetzt, die es ihr erlaubt, Objekte aus ihrer Fantasie zu materialisieren. Was die Hexe dadurch aus dem Hut zaubert, könnt ihr euch sicher denken: Unmengen an abenteuerlich aussehenden Gegnern!

Heirate mich!

Warum soll ich ausgerechnet diese Frau umbringen? Lieber würde ich ihr einen Heiratsantrag machen. Gut, sie hat ein paar Planeten pulverisiert, aber können wir das nicht als Kavaliersdelikt unter den Tisch fallen lassen? Wer eine solch großartige Fantasie besitzt, kann nicht wirklich schlecht sein. Im Sekundentakt fliegen die aberwitzigsten Kreaturen auf euch zu.

Die Hexe Aguira erschafft die aberwitzigsten Kreaturen aus ihrer Fantasie. Bearbeitet die roten Punkte an der Riesenspinne, dann gibt sie für kurze Zeit ihre Schwachstelle auf dem Rücken frei.
Organisch-technische Riesenwürmer, Krabben und kugelrunde Ufos, die einen leuchtenden Kugelhagel in sämtliche Himmelsrichtungen abstoßen, sorgen bei Cyberpunks wie mir für ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Auf eurer vorgegebenen Flugroute könnt ihr keinen Einfluss nehmen, wohl aber ein kleines Stück ausweichen und das Zielkreuz in alle erdenklichen Richtungen drehen. Drückt ihr dazu die Schubtaste, könnt ihr euch dadurch schnell umdrehen und von hinten anrückende Feinde anvisieren.

Das Ballern funktioniert ein klein wenig anders als bei Rez und Panzer Dragoon. Der Raumgleiter besitzt vier Slots, die ihr jeweils mit einer Waffe oder einem der Extra-Items ausrüsten könnt. Nur, wenn ihr den Raumgleiter mit Zielsuchraketen ausgestattet habt, könnt ihr eure Gegner markieren und die Marschflugkörper suchen sich eigenständig ihr Ziel. Bei den anderen drei Waffengattungen zielt und ballert ihr direkt mit dem Fadenkreuz. Leider wurde der Standard-Waffe kein Dauerfeuer spendiert. Stattdessen sollt ihr wie ein Berserker auf den X-Knopf hämmern - so etwas sollte doch in der heutigen Zeit wirklich nicht mehr nötig sein.                         

Zeit für neue Ballermänner

Dieses Manko fällt aber nicht ins Gewicht, wenn ihr den Standard-Schuss und die schwachen und schwer bedienbaren Zielsuchraketen gleich zu Beginn verkauft und eure Maschine mit der Schrotflinte ausstattet. Die besitzt einen großen Trefferradius und ist dadurch gut für Scharen von kleinen Gegnern geeignet.

Ein Rausch ohne Drogen: Schaut euch am besten unser Video an, um einen Eindruck von der flüssig animierten Farbenpracht und dem flotten Soundtrack zu bekommen. 
Später solltet ihr ein paar Laser dazukaufen, mit denen ihr die Achillesfersen der riesigen und ausdauernden Bossgegner effektiver schädigen könnt. Sowohl der Laser als auch die Schrotflinte benötigen eine kurze Pause zum Nachladen, so dass das fehlende Dauerfeuer sich bei diesen Waffengattungen nicht negativ auswirkt. Es genügt, wenn ihr in einem gemütlichen Rhythmus auf die Feuertaste drückt. Zusätzlich solltet ihr euren Raumjäger mit einem Xyanide-Magneten ausstatten. Zerstörte Feinde hinterlassen kleine stachelige Kugeln aus dem Wunderelement, das euch mit Energie versorgt und als Zahlungsmittel für Upgrades dient. Mit Hilfe des Magneten müsst ihr keinen Finger mehr rühren, denn die wertvollen Xyanide-Teilchen fliegen euch dann buchstäblich von selbst zu.

Die stimmungsvoll gestalteten Hintergründe fliegen beständig an euch vorbei. Ich wurde dadurch regelrecht in einen "Flow" versetzt, ähnlich wie bei Rez. Ihr gleitet vorbei an Felsmonumenten mit blutroten Wasserfällen, mechanischen Gebilden und absonderlich wabernden Bläschen, die wie Quecksilber glänzen. Um den Spielern ein derart stimmiges audiovisuelles Erlebnis bieten zu können, greifen die Entwickler auf eine eigens entwickelte Technik zurück: Die Hintergründe bestehen nicht aus Polygonen, sondern aus einer Art Film, der an den Bildrändern abläuft. Doch obwohl es sich im  Prinzip um vorberechnete Hintergründe handelt, wird das Bild der Kulissen stets so angepasst, dass es in der richtigen Perspektive angezeigt wird - egal, in welche Richtung ihr Zielkreuz und dadurch auch die Kamera lenkt. Der Effekt ist wirklich sehr gelungen. Man fühlt sich, als würde man tatsächlich an den Hintergründen vorbeifliegen. Bei näherer Betrachtung sieht das Ergebnis zwar ein wenig unscharf und pixelig aus, doch während all der Action fällt dieses kleine Manko kaum auf. Außerdem vermute ich mal, dass dank dieser Technik mehr Ressourcen für die hübsch gestalteten und flüssig animierten Polygongegner im Vordergrund übrig geblieben sind. Nur das eigene Schiff wirkt im Vergleich dazu ein wenig klobig und uninspiriert.

Cyberpunk is not dead

Die visuelle Umsetzung des Titels allein ist schon toll, doch der grandiose Soundtrack von Alex Otterlei setzt dem Erlebnis die Krone auf. Die schnellen, treibenden und abwechslungsreichen Rave- und Drum'n'Bass-Tracks lassen euch noch intensiver ins Spielgeschehen eintauchen. Außer der Karriere warten noch ein kleiner alternativer Spielmodus für Highscore-Jäger und eine Variante davon für zwei Spieler auf euch.

Mit Hilfe der Smartbombs kriegt ihr auch den dicksten Gegner klein. Habt ihr ihn besiegt, gibt's zur Belohnung ein hübsches Explosionsfeuerwerk. 
In einer Hand voll für die Modi entworfenen Levels gilt es, innerhalb von 4 Minuten so viele Gegner wie möglich wegzupusten und die Bonus-Symbole einzusammeln, die sie hinterlassen. Manche davon verdoppeln oder verfielfachen für kurze Zeit den Wert der eingesammelten Punkte. Leider nervt der laute Preifton beim Einsammeln der Icons schon von der ersten Sekunde an.

 Außerdem verbessert die in sämtlichen Modi implementierte Kill Chain euer Konto. Zerstört ihr einen Gegner nach dem anderen und lasst dazwischen nur eine Pause von weniger als zwei Sekunden, treibt ihr dadurch den Multiplikator in die Höhe. Nach zwei Gegnern verdoppeln sich die Punkte für den nächsten Abschuss, nach drei verdreifachen sie sich und so weiter. Leider lässt sich die Kette nicht endlos in die Höhe treiben, weil vor allem im Story-Modus relativ lange Pausen zwischen einzelnen Angriffswellen entstehen. Andererseits habt ihr in diesen Momenten Zeit, einmal kurz durchzuatmen und den Flug durch die schöne Kulisse zu genießen. Wer möchte, kann auch einen einzelnen der 15 Levels aus der Karriere noch einmal spielen, um dort eine höhere Punktzahl zu erreichen. Dann fällt auch das nervige Pfeifgeräusch weg, weil es dort keine Bonus-Icons gibt. Zur Belohnung für eure Mühen gibt es freischaltbare Design-Skizzen und den so genannte Graphic Novel. Dabei handelt es sich um einen leicht animierten Comic mit beeindruckend gut abgemischter Ambient-Musik. Nach und nach schaltet ihr die einzelnen Kapitel frei, und erfahrt mehr über die Hintergrundgeschichte.              

Fazit

Danke, Atari, dass ihr diesen exotischen Titel nach Deutschland bringt. Ich liebe das Science-Fiction-Techno-Setting einfach und genauso sehr liebe ich Rail-Shooter im Stil von Rez. Doch auch wer nicht ganz so vernarrt in das Genre ist wie ich, bekommt mit Xyanide einen guten und vor allem unheimlich stimmungsvollen Action-Titel. Zugegeben, er hat ein paar kleine Macken wie das etwas unausgewogene Waffensystem. Er ist spielerisch nicht ganz so perfekt durchdacht wie Rez, wie Panzer Dragoon Orta oder wie ein guter 2D-Score-Shooter. Trotzdem sind Spielmechanik und Steuerung insgesamt gelungen. Dank der bombastischen audiovisuellen Aufmachung von Xyanide Resurrection kam ich regelrecht in einen Rausch, und das schaffen nur ganz wenige Titel. Außerdem bietet das Spiel für einen fairen Kurs von rund 30 Euro einen guten Wiederspielwert dank mehrerer Modi, Schwierigkeitsgrade und freischaltbarer Extras. Also Baller-Fans, zugreifen, denn solch ein futuristischer Techno-Shooter erscheint nicht all zu oft. Vielleicht schafft es ja auch die angekündigte PS2-Umsetzung nach Deutschland. Wir konnten leider noch nicht endgültig klären, ob und wann. Ich drücke jedenfalls schon mal die Daumen.

Pro

<P>
fantasievolle, technisch-organische Gegner und Hintergründe+&nbsp;beeindruckende Technik für die 3D-Filme im Hintergrund&nbsp;
großartiger, treibender Rave- und Drum'n'Bass-Soundtrack
audiovisuelles Erlebnis versetzt den Spieler in einen Rausch
lange Bosskämpfe
hoher Wiederspielwert durch unterschiedliche Spielmodi und Schwierigkeitsgrade</P>

Kontra

-&nbsp;etwas unausgewogene Waffensysteme
Hintergrundvideos ein wenig unscharf und pixelig

Wertung

PSP

Unterhaltsamer Rail-Shooter in beeindruckender Cyberspace-Kulisse und mit krachigem Techno-Soundtrack.

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