Medal of Honor: Heroes 213.12.2007, Jan Wöbbeking
Medal of Honor: Heroes 2

Im Test:

Ein PSP-Shooter steht und fällt mit der Steuerung. Auf keiner aktuellen Konsole ist es so knifflig für die Entwickler, einen brauchbaren Ersatz für die etablierte Zwei-Stick-Navigation zu finden. Die Socom-Ableger haben das Problem mit einem starken Auto-Aiming umschifft, so dass es dort eher auf Taktik und Bewegungen ankommt, als auf euer Zielvermögen. Doch Electronic Arts schlägt einen anderen Weg ein.

Ganz wie damals...

Ich wette, jeder von euch kennt sie: die vom Aussterben bedrohte Spezies des Konsolen-Shooter-Traditionalisten. Ein männlicher Vertreter davon findet sich bestimmt auch in eurem Freundeskreis. Er hat schon lange mit dem Spielen aufgehört und lässt sich nur noch alle paar Monate auf eurer Couch blicken.

Das beliebteste Urlaubsziel der Shooter-Gemeinde: die Normandie.
Wenn aber ein nagelneuer Shooter mit Monster-Grafik über euren HD-Flachmann flimmert, will er unbedingt Probe spielen - allerdings nur, wenn der Titel eine Steuerungsvariante anbietet, die er aus Turok und Perfect Dark auf dem N64 kennt. Er würde sich den rechten Daumen lieber abhacken lassen als jemals damit einen zweiten Stick zu berühren.

Genau dieser Spielertyp kann sich ruhigen Gewissens eine PSP und MoHH 2 kaufen. Wie in alten Zeiten scheucht ihr euer Alter Ego mit den Feuertasten durch das Weltkriegs-Szenario und nehmt das Kanonenfutter mit dem Stick auf's Korn. Oder ihr bewegt euren Soldaten mit dem Analog-Knubbel und seht euch mit den Feuerknöpfen um. Im Optionsmenü warten noch ein paar weitere Varianten auf euch, bei denen ihr z.B. mit dem Analogstick nach rechts und links schaut und euch gleichzeitig vorwärts bewegt. Doch alle Möglichkeiten haben eins gemeinsam: Mit keiner bewegt ihr euch so souverän durch die Kulisse wie in den beiden Socom-Shootern mit ihrem starken Auto-Aim.

Suboptimale Steuerung

Nach geraumer Eingewöhnungszeit und etwas Herumexperimentieren lässt sich die »Ballerina« aber trotzdem recht ordentlich zocken. Euer Einsatz führt euch durch klassische Szenarien des Zweiten Weltkriegs. In den detailliert gestalteten Kopfsteinplastergassen arbeitet ihr euch von Deckung zu Deckung, sichert einzelne Häuser und liefert euch Feuergefechte mit euren verschanzten Widersachern.

Die schmutzigen Stein- und Metalloberflächen sind genau so sehenswert wie die Animationen eurer Gegner.
Ihr startet am Strand der Normandie und arbeitet euch in den sieben Missionen durch Szenarien wie die Kanalisation, ein Kloster und ein Dörfchen. Ab und zu könnt ihr eure Missionswertung aufbessern, indem ihr ein Sekundärziel erfüllt. Falls ihr z.B. einen verschlossenen Save entdeckt, kann es nicht schaden, eine Granaten daneben zu werfen.

Technisch gesehen ist das Spiel eine Bombe: Eure Soldaten bewegen sich nicht nur unheimlich realistisch, auch ihre Waffen und Uniformen strotzden vor Detailverliebtheit. Wenn ihr aus dem Schatten einer engen Gasse auf eine Lichtung tretet, glänzt der grau-silberne Lauf eurer Thompson matt im Tageslicht. Auch die Kulissen versetzen euch direkt ins Kriegsgebiet: Unter von Bomben zermalmten Steintrümmern entdeckt ihr kleine Brandherde, über denen eine feine Rauchfahne gen Himmel steigt. Am Hafen könnt ihr als Scharfschütze sogar das komplette Becken überblicken. Trotz aller grafischen Pracht läuft das Geschehen fast durchgehend flüssig über den Bildschirm.             

Unerhört!

Auch die Sound-Untermalung sorgt für Gänsehaut. Jedes Szenario hat mehrere Hintergundgeräusche spendiert bekommen. Wenn ihr durch eine Maschinenhalle lauft, hört ihr das realistisch klingende Surren von Stromumspannern,

Auch im idyllischen Dörfchen geht die Post ab.
nur unterbrochen durch das glasklare Knatschen und Klimpern eurer Ausrüstung.  Tretet ihr ins Freie, erklingt ein sanftes Hintergrundrauschen, wie man es aus einer windstillen Nacht kennt. Auch die sporadisch eingesetzte Orchester-Untermalung und die gelungene deutsche Synchro unterstützt das Spielerlebnis optimal. Das Highlight der genialen Soundkulisse sind allerdings die Waffengeräusche und ihr Echo. Wenn jemand im Online-Spiel auf der anderen Seite des Hafenbeckens mit dem Panzerschreck feuert, hört ihr ein dumpfes Krachen, das sogar realistischer klingt als in Halo 3! Würde es bei unserer Wahl zum Spiel des Jahres eine Kategorie für den besten Handheld-Sound geben, wäre MoHH 2 der heißeste Anwärter.

Eure Gegner agieren im Schusswechseln verhältnismäßig clever. Nur wenn ihr ihnen eine Granate vor die Füße schmeißt, sind sie überfordert und warten wie ein Kanninchen im Bau, statt die Beine in die Hand zu nehmen. Zum Glück besitzen eure Kameraden mehr Grips. Wenn ihr euch am offenen Hafenbecken ein wildes Shootout mit den Deutschen liefert, sind eure Verbündeten durchaus nützlich. Sie helfen euch in den Schusswechseln, gehen vernünftig in Deckung und stehen euch fast nie im Weg herum. Andererseits lassen sie euch manchmal komplett im Stich. Während ihr z.B. einen Bunker sichert, bleibt eure Einheit wie angewurzelt stehen und lässt euch die ganze Arbeit alleine erledigen.

Dieser Weg...

Auch die spärlich in den langen Missionen verteilten Rücksetzpunkte zehren gehörig am Spielspaß. »Aber im Test von Socom: Fireteam Bravo 2 wurde doch sogar das Fehlen von Checkpoints gelobt«, mag sich der eine oder andere aufmerksame 4Players-Leser zu Recht empören. 

Eure KI-Kameraden handeln klug, lassen euch aber manchmal die ganze Arbeit alleine machen.
Doch genau dieser Widerspruch ist in Wirklichkeit gar keiner, und zwar wegen der offeneren Levels in Sonys Vorzeige-Shooter.

Bei Fireteam Bravo 2 bin ich z.B. in einen Hinterhalt gelaufen und war so überrascht, dass ich den Level vergeigt habe und noch einmal komplett von vorne beginnen musste. Einerseits war das ärgerlich, andererseits hat es mich nicht nur angestachelt, es besser zu machen, sondern meine komplette Strategie zu überdenken. Beim zweiten Versuch bin ich nicht über den Hof gelaufen, sondern mit meinem Teamkollegen ein schmales Treppenhaus hinauf geschlichen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie diebisch ich mich gefreut habe, es der auf dem Dach lauernde Truppe heimzuzahlen. In MoHH 2 dagagen marschiert ihr wieder und wieder durch die linearen, eng begrenzten Levels und ärgert euch darüber, dass ihr längst gewonnene Feuergefechte noch einmal abarbeiten müsst.

Welt-Krieg

Im umfangreichen Multiplayer habt ihr diese Probleme nicht. Ganze 32 Spieler dürfen sich per Internet die Projektile um die Ohren ballern. Es gibt zwar nur die Modi Deathmatch, Team Deathmatch und den klassischen Flaggenklau mit zwei Fahnen, aber immerhin finden die flüssig ablaufenden Massenschlachten auf interessant gestalteten Maps statt. Wenn euch die Default-Einstellungen nicht gefallen, könnt ihr einen eigenen Server aufsetzen und an den Einstellungen herumschrauben. Ihr legt fest, ob und wann Team-Killer vom Server gekickt wird, erlaubt bzw. verbietet einzelne Waffen und vieles mehr. Eure Mitspieler verewigt ihr in einer Freundesliste, sendet ihnen Text- und vorformulierte Kurznachrichten und vergleicht eure Leistungen in einer Rangliste mit anderen Spielern. Eine Clan-Funktion fehlt aber, und auch Voice-Chat per Headset wird nicht unterstützt. Wenn ihr mit eurer PSP nicht ins Internet gehen könnt, braucht ihr mindestens zwei Module, denn Game-Sharing wird nicht unterstützt. Falls ihr genügend Freunde, Geräte und Kopien des Spiels parat habt, dürft ihr euch aber mit bis zu sieben Gegnern bekriegen.        

Fazit

Wer mit seiner PSP angeben will, braucht dieses Spiel. Die bombastische Grafik und die noch realistischeren Soundeffekte versetzen euch direkt in den Zweiten Weltkrieg. Die flüssigen Online-Schlachten gegen bis zu 31 Gegner machen eine Menge Spaß, allerdings solltet ihr eine lange Eingewöhnungszeit für die Steuerung einplanen. Die ist nämlich weit von der intuitiven Handhabung der PSP-Socoms entfernt. Außerdem sind die Kampagnen-Levels viel zu linear und script-lastig geraten. Es wirkt einfach nicht authentisch, wenn ihr wie in der Geisterbahn einen engen, vorgefertigten Pfad entlang lauft und die Gegner wie aus dem Nichts auftauchen, nachdem ihr eine Sekunde zuvor eins der Missions-Ziele erfüllt habt. Wenn euch weder das altbackene Kampagnen-Design noch die gewöhnungbedürftige Steuerung stört, bekommt ihr aber einen guten Action-Titel.

Pro

+ sehr detailreiche Kulissen, Waffen und Soldaten
realistische Animationen
fast immer stabile Bildrate
geniale Soundkulisse
flüssige Online-Schlachten für bis zu 32 Spieler
interessante Multiplayer-Maps
unterhaltsame Sekundärziele

Kontra

Steuerungs-System nicht ideal
sehr lineare Levels
einige »gescriptete« Ereignisse wirken unnatürlich
spärlich verteilte Rücksetzpunkte sorgen für Frust

Wertung

PSP

Technisch beeindruckender Ego-Shooter mit gutem Online-Modus aber sehr linearem Level-Design und etwas unhandlicher Steuerung.

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