Disgaea: Afternoon of Darkness17.12.2007, Mathias Oertel
Disgaea: Afternoon of Darkness

Im Test:

Rundenbasierte Strategie gibt es auf der PSP zuhauf. Doch erst mit Final Fantasy Tactics machten sich die taktischen Rollenspiele auf Sonys Handheld breit. Und nun steht mit Disgaea – Afternoon of Darkness ein Titel in den Startlöchern, dessen Urfassung bereits auf der PS2 monatelang für Spielspaß sorgen konnte. Kann das Konzept auch noch im Jahr 2007 begeistern?

Ärger im Dämonenreich

Laharl, der junge Kronprinz der dämonischen Unterwelt, hat einige Probleme: Nicht nur, dass er die letzten zwei Jahre verschlafen hat - in dieser Zeit ist sein Vater gestorben und ein Kampf um die Thronfolge entbrannt.

Zugegeben: Disgaea ist kein Hingucker. Doch die inneren Werte überzeugen auf breiter Front!
Zusammen mit der stets frühlichen Etna und ihren immer zu Scherzen aufgelegten Pinguinen macht er sich auf, um die versammelte Unterwelt davon überzeugen, dass er der einzige Kandidat für den Titel des Overlords ist.

Doch er weiß nicht, dass himmlische Mächte sein Treiben beobachten...

Zugegeben: Die Story zu Disgaea (ausgesprochen: Disgaja) klingt merkwürdig. Doch mit der witzigen Erzählweise, die von spartanischen Comic-Einblendungen und klasse Sprachsamples getragen wird und immer wieder mit Überraschungen punktet, ist man schnell mitten im humorvollen Geschehen und kann den Kampf um die Herrschaft in der Unterwelt beginnen.

Rundenstrategie par excellence

Spielerisch sieht sich Disgaea als moderner Nachfahre von Klassikern wie Final Fantasy Tactics oder Ogre Tactics sowie als Gegenstück zu modernen Titeln wie Fire Emblem: Mit euren Gefährten, von denen maximal zehn auf dem Spielfeld Platz nehmen dürfen, seid ihr unterwegs, um auf abwechslungsreichen und mit Überraschungen gespickten Schlachtfeldern mit rundenbasierten Kämpfen eure Gehirne zum Rauchen zu bringen. Dabei wartet ein ganzer Haufen verschiedener Gegner samt knackiger Bosse auf euch.

Dass Disgaea insgesamt fast vier Jahre nach dem PS2-Release Kultstatus innehat, verdankt es nicht nur dem Humor sondern einem ganzen Haufen Features, die für sich alleine genommen schon klasse sind, in der gut verzahnten Kombination aber für endlose Spielesessions sorgen. Nippon Ichi hat gut daran getan, diese Mechaniken unverändert auf die PSP zu portieren.

Aufstieg, Schaden, Kombos

Die Liste ist so groß, dass man Schwierigkeiten hat, einen Anfang zu finden. Starten wir also mit dem Offensichtlichen: Jeder Charakter kann im Level aufsteigen, was zwangsläufig einen Ansteig der Statistiken und ab und an auch neue Fähigkeiten mit sich bringt. Diese Fähigkeiten wiederum können sich durch Einsatz im Kampf ebenfalls im Level erhöhen, was z.B. bei den Magiern zu einem größeren Einzugsgebiet und einem größeren Schadensareal äußert.

Die Zwischensequenzen werden durch Comic-Einspieler und saubere englische bzw. wahlweise japanische Sprachausgabe erzählt.
Zusätzlich ist es noch extrem wichtig, darauf zu achten, in welcher Höhe, mit welcher Blickrichtung und mit welchen Freunden an angrenzenden Feldern ihr Angriffe startet. Dass Attacken von der Seite und vor allem von hinten sowie aus einer erhöhten Position mehr Schaden versprechen, ist fast selbsterklärend.

Doch je nachdem, mit wem ihr zusammensteht, kann eine Kombo entstehen, die die Lebensenergie der Gegner auffrisst.

Und als ob die 14 Episoden mit diversen Schlachtfeldern (plus einige Bonusgebiete) nicht ausreichen, könnt ihr noch einen Abstecher in die so genannte "Item World" machen.

Diese Ausflüge sind nicht nur hilfreich, um den Level der Figuren zu steigern, sondern dienen vor allem dazu, die Gegenstände aufzuwerten. Mit jeder bewältigten Stage (jeder Gegenstand verfügt über 100 (!)) steigen die Eigenschaften. Zusätzlich könnt ihr noch so genannte Spezialisten finden. Diese Meister, die in dem Item leben, können zwischen den Ausrüstungsteilen hin und her geschoben werden, so dass ihr die Waffen, Rüstungen usw. ganz gezielt aufrüsten könnt. Alleine diese Möglichkeiten können tagelang beschäftigen.

     

Geo-Veränderungen und Senatsstimmen

Doch hier ist immer noch nicht Schluss: In vielen Kampfarenen warten farbige Felder auf euch. Und die machen das Bild nicht nur schön bunt, sondern haben auch einen spielerischen Wert, der sich allerdings sowohl positiv als auch negativ auswirken kann. So könnt ihr auf Felder treffen, die euch unbesiegbar machen oder euch mit einem gewaltigen Erfahrungsanstieg segnen. Doch es gibt auch Felder, auf denen die Gegner schier unbesiegbar werden oder die euch wie wild durchs Level teleportieren.

In der Dark Assembly könnt ihr sogar über Spiel beeinflussende Änderungen abstimmen lassen.
Im Gegenzug habt ihr auch die Möglichkeit, die so genannten Geo-Symbole, die für die verschiedenen Wirkungen zuständig sind, zu zerstören. Der Clou: Zerstört ihr z.B. ein blaues Symbol auf rotem Grund, werden alle roten Felder nun blau gefärbt. Sollten auf den Rotsteinen noch weitere Geo-Symbole liegen, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt. Je mehr Ketten ihr aufbauen könnt (und eventuell sogar das Spielfeld leeren), desto größer wird der Kombo-Zähler, der sich auch rapide füllt, wenn ihr die Feinde mit spektakulären Spezialbewungen oder Team-Angriffen erledigt.

Und hier ist immer noch nicht Schluss: Denn mit dem Senat der Unterwelt, der so genannten "Dark Assembly", kommt ein weiteres Element hinzu: Hier könnt ihr über Veränderungen im Spielablauf abstimmen lassen. Ihr wollt teurere und damit bessere Ausrüstung im Shop? Ihr wollt zusätzliche Items? Ihr wollt doppelte Erfahrungspunkte beim nächsten Einsatz einsammeln? Dann geht in die Dark Assembly und lasst darüber abstimmen. Je nach Beliebtheit eurer Figur und Status in der Dämonenwelt stehen euch die Senatoren wohl gesonnen oder ablehnend gegenüber. Doch bevor ihr die Abstimmung durchführen lässt, könnt ihr die ewigen Verneiner noch durch Geschenke überzeugen, euch doch ihre Stimme zu geben. Und wenn alle Stricke reißen, könnt ihr sie auch mit Gewalt überzeugen.

Die Möglichkeiten, sich das zu verschaffen, was man am ehesten braucht, sind fast endlos, lenken aber nicht vom Hauptspiel ab, sondern sind wie alle Elemente sorgsam miteinander verzahnt und sorgen damit für ein rundum gelungenes und durchdachtes Strategiespiel mit immensem Tiefgang.

Charakterflut

Wie viele Figurenklassen braucht man, um ein Strategiespiel abwechslungsreich zu gestalten? Mit etwa 150 (!) zur Verfügung stehenden Prototypen bietet Disgaea mehr als genug Möglichkeiten, um alle Geschmäcker zu treffen. Anfänglich stehen jedoch nur die Fantasy-typischen Standardklassen wie Kämpfer, Magier, Dieb und Heiler zur Verfügung.

Im Laufe der Zeit kommen immer neue Klassen hinzu, die einen zum Ausprobieren locken.

Dabei macht Disgaea aber auch vor den Monstern nicht halt: Jeder Monstertyp, den ihr mindestens einmal besiegt habt, darf in eure Party aufgenommen werden. Doch die Kosten sind anfänglich nicht gerade gering. Aber: Mit jedem Kill dieses Typus verringert sich der geforderte Einsatz, so dass es sich lohnt, wieder in schon besuchte Abschnitte einzusteigen, um den Preis für den Wunschcharakter zu drücken. Angesichts der Spieltiefe von Disgaea wird es nun vermutlich wenige überraschen, dass nach und nach auch verbesserte Fassungen von bereits bekannten Klassen auftauchen.

Doch der ganze Umfang, den Nippon Ichi uns hier anbietet, hat seinen Preis: Trotz einfacher Steuerung könnten die ganzen Funktionen, die Disgaea beinhaltet, Anfängern über den  Kopf wachsen. Das war schon zu PS2-Zeiten so und gilt auch für

Schafft ihr es, vier Charaktere bei einem Angriff zueinander zu stellen, gibt es als Belohnung eine fette Kombo.
die PSP-Version.

Doch je mehr man sich in das Spiel hinein findet und je mehr man entdeckt, umso mehr steigt die Motivation ins Grenzenlose.

Neu auf PSP

Bis zu diesem Zeitpunkt wäre Disgaea - Afternoon of Darkness allerdings "nur" eine gute und technisch saubere Umsetzung eines fast exzellenten PS2-Titels. Doch Nippon Ichi lässt sich nicht lumpen und hat der PSP einige kleine exklusive Neuerungen spendiert.

Dazu gehört z.B. ein komplett neuer Story-Strang, der alleine für Fans schon einen Kaufgrund darstellen dürfte - zumal die Eskapaden der teuflischen Etna auch noch eine ganze Ecke fordernder sind als die ursprünglichen Kapitel.

Zusätzlich dürfen sich PSP-Taktiker auf spannende Zwei-Spieler-Duelle freuen. Diese allerdings nur im Ad hoc-Modus und nicht über Internet und auch nur, wenn beide eine Disgaea-UMD besitzen. Bedingt durch die zahlreichen Charakter-Konfigurations-Möglichkeiten ist das fehlende Game-Sharing zwar verständlich, aber dennoch schade.

Da zwischen der PS2- und der PSP-Variante der dämonischen Kämpfe einige Jahre ins Land gezogen sind, ist es bedauerlich, dass man mit der suboptimalen Kamera ein Manko unverändert übernommen hat. Die Perspektive lässt sich leider immer noch nur in 90-Grad-Schritten drehen, wobei durch Höhenunterschiede immer noch Monster verdeckt werden können. Daher hat man nie einen optimalen Überblick über das Geschehen auf den Schlachtfeldern. Doch das ist nur ein klitzekleiner Tropfen auf einem ansonsten ganz heißen Taktik-Rollenspiel-Stein.   

Fazit

Selbst über drei Jahre nach seiner europäischen Erstveröffentlichung hat Disgaea nichts von seiner Faszination eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Die taktischen Kämpfe können mit ihrem vieldimensionalen Tiefgang auch heutzutage immer noch den Vergleich mit der Konkurrenz aufnehmen - und das systemübergreifend. Selbst die Kulisse, die bereits vor drei Jahren antiquiert wirkte und mit ihren zweidimensionalen Sprites einen spartanischen Eindruck hinterlässt, hat noch ihren eigenwilligen Charme. Das gilt auch für die witzige Story, die in der PSP-Version sogar noch eine exklusive Wendung erfährt. Und wem das nicht reicht, darf per Ad hoc-Modus sogar seine Freunde zum dämonischen Duell herausfordern. Da die enorme Funktionsvielfalt etwas Einarbeitungszeit benötigt, möchten wir Strategieanfängern aber eine kleine Warnung aussprechen. Dass die Kamera mit ihren 90-Grad-Schritten nach all der Zeit immer noch eher suboptimal arbeitet und immer wieder Figuren verdeckt, ist bedenklich, kann den Spielspaß aber nicht gefährden. Danke Nippon Ichi, dass ihr ein Juwel des Taktik-Rollenspiels jetzt auch für unterwegs anbietet. Und auch dafür, dass ihr weiterhin beweist, dass Spieltiefe und Story wichtiger sind als Kulisse. Und jetzt einigt euch mit Atlus bitte über ein Remake von Ogre Battle!

Pro

neuer zusätzlicher Story-Pfad
einfache Steuerung
immenser taktischer Tiefgang
eigene Figuren erstellbar
Charakter-Entwicklung auf mehreren Ebenen
100
Stunden purer Spaß
passende Akustik
haufenweise Specials, Zauber und Gimmicks
zufällig erstellte Dungeons in der „Item-World“
Ad-Hoc-Modus für spannende Zwei-Spieler-Duelle
umfangreiche Statistiken

Kontra

suboptimale Kamera
nichts für Anfänger

Wertung

PSP

Inhalt statt Kulisse: Disgaea überzeugt auch auf PSP mit enormem Tiefgang und fast endloser Motivation!

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