Gravity Crash21.08.2014, Benjamin Schmädig

Im Test: Schwerkraftflieger

Gravity Crash passt zur Vita wie das Pixel auf die Retrowelle – ich schwebe jedenfalls gerne immer und überall durch haarsträubend enge Canyons, während mir neonfarbene Geschosse um die Ohren fliegen. Das klappt in der Straßenbahn so gut wie im Flugzeug, im Auto oder auf der Couch. Als großer Fan des PlayStation-3-Originals hatte ich mich riesig auf den Test des Vita-Spiels gefreut...

Eine Prise Realismus

Es ist die kleine Prise Realismus, durch die sich Lunar Lander , Thrust und Gravity Crash von gewöhnlichen Zweistick-Shootern wie Robotron: 2084 , Geometry Wars oder Resogun unterscheidet. Denn obwohl sich das Raumschiff problemlos in jede Richtung schieben lässt, zieht es die Anziehungskraft stets nach unten. Man muss ihr spätestens dann entgegenwirken, wenn der Flieger auf einer kleinen Ebene landen soll, um einen gestrandeten Kameraden an Bord zu holen.

Auch das ist anders: An Felswänden angebrachte Geschütze sowie feindliche Flieger und Kreaturen machen dem Eindringling zwar zu schaffen, frenetisches Dauerfeuer steht aber nicht im Vordergrund. Stattdessen befinden sich neben den Gestrandeten zahlreiche Kristalle sowie besonders wertvolle Gegenstände in den weitverzweigten Canyons. Wertvoll für den Punktestand, wohl gemerkt, denn auch in Gravity Crash geht es vor allem um einen Platz in den Onlineranglisten. Die gibt es sowohl für die vollständige Kampagne als auch das Abfliegen einzelner Planeten.

Partikel-Maximalismus

So weit, so wenig Unterschiede zum PS3-Original (4Players-Test: 86%). Tatsächlich sind im Editor erstellte Levels sogar zu beiden Versionen kompatibel, wodurch Vita-Besitzer mit einem Schlag viele zusätzliche Herausforderungen erhalten. Während die Mehrspielermöglichkeiten allerdings schon auf Konsole auf das Spiel vor einem Bildschirm beschränkt waren, verzichtet Entwickler Just Add Water auf dem Handheld komplett darauf.

Zudem erweitert das britische Studio sein Spiel um Kleinigkeiten, die es zum Teil schon der PSP-Fassung zukommen ließ. Und leider schaden sie der knackigen Action dadurch mehr, als dass sie sie verbessern.

Neue Partikeleffekte machen die Gravity Crash Ultra zur aufwändigsten Version...

Strömungen und Antriebsabgase sind für sich genommen z.B. hübsche Partikeleffekte, wirken aber wie Fremdkörper in dem minimalistischen Stil. Ähnliches gilt für die neue Struktur der vorher flachen Felsen.

Ranglisten für alle

Schlimmer wiegt das Hinzufügen eines neuen Schwierigkeitsgrades, bei dem die Schwerkraft keine Rolle mehr spielt. Die Steuerung gleicht dann der eines Zweistick-Shooters, beim dem man das Schiff über den linken Analogstick in eine Richtung drückt und mit dem rechten in eine andere zielt. Das gab es auch vorher schon, allerdings zieht die Schwerkraft den Flieger auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad nach unten. Königsdisziplin ist ohnehin die „klassische“ Steuerung, mit der man das Raumschiff drehen muss, weil es bei aktiviertem Schub ausschließlich über den Bug beschleunigt und auch nur nach vorne schießt.

Dass damit nicht nur Rekordzeiten, für die es immerhin einen Zeitbonus gibt, bedeutend schwerer fallen, versteht sich von selbst. Das wäre auch kein Problem, wenn der verwendete Schwierigkeitsgrad in den Ranglisten vermerkt wäre. Diese wichtige Kleinigkeit fehlt aber, wodurch der Spaß am fairen Wettstreit verloren geht. Auf PS3 gab es die Unterscheidung ebenso wenig. Allerdings mussten Zweistick-Spieler damals mit einer wesentlich niedrigeren Schussfrequenz Vorlieb nehmen – das war ein fairer Kompromiss.

Gravity "Crash"

Eine weitere Vereinfachung haben die Entwickler an den Kristallen vorgenommen, die unter Beschuss Treibstoff und Schildenergie freigeben. Dass das Zerstören der Depots keine Punkte mehr einbringt, ist eine sinnvolle

... besser wird das Spiel dadurch allerdings nicht.

Ergänzung, denn es erspart das ermüdende Abklappern aller Kristalle kurz vor dem Verlassen eines Levels. Da die sich aufladenden Vorräte allerdings nicht mehr endgültig verschwinden können, fehlt der Nervenkitzel des dadurch entstandenen Zeitdrucks.

Und auch für das folgende Missgeschick haben sich die Entwickler einen dicken Rüffel verdient: Deaktiviert man während des Spielens die Netzwerkfunktionen der Vita oder verliert der Handheld den Zugang zu einem Netzwerk, sucht Gravity Crash nach dem Beenden eines Levels so lange nach dem PlayStation Network, bis es sich aufhängt. Das davor gespielte Level muss man nach dem Neustart von vorn beginnen. Ich spiele ähnlich häufig unterwegs wie Zuhause und ärgere mich deshalb sehr über diesen groben Fehler!

Fazit

Die minimalistischen Neonfarben sind fünf Jahre nach dem PS3-Original kaum gealtert, die Musik von Tim "CoLD SToRAGE" Wright kratzt noch immer verträumt altmodisch und das Spiel fesselt heute noch mit seinem ungewöhnlichen Prinzip: Auch in der Ultra-Version möchte ich auf Gravity Crash nicht verzichten! Leider macht die Highscorejagd auf dem Handheld aber weniger Spaß, weil Spieler mit unterschiedlichen Fähigkeiten nicht unterschieden werden. Kleine Änderungen werfen manchen spielerischen Anspruch leichtfertig über Bord und mir missfällt auch weiterhin, dass nach einem "Game Over" nur der Punktestand zurückgesetzt wird – das Durchspielen der Kampagne ist kinderleicht. Die unglücklichen Neuerungen sowie das Aufhängen des Spiels beim Verlust des Kontakts zum PSN sorgen leider dafür, dass die Vita-Fassung das bislang schlechteste Gravity Crash ist.

Pro

neue visuelle und akustische Effekte...
sehr fordernde Geschicklichkeits-Action
einige Kopfnüsse und versteckte Extras für Bonuspunkte
verschiedene Steuerungsarten
moderner Old School-Soundtrack
unterschiedlich starke bzw. umgekehrte Gravitationsverhältnisse
kompletter Level-Editor einschl. Online-Bewertungssystem
Austausch von Levels mit PS3-Version

Kontra

... die leidlich gut zum minimalistischen Stil passen
keine Unterscheidung der Schwierigkeitsgrade in Ranglisten
kein echtes "Game Over" bei Durchspielen der Kampagne
Kompromisse auf Kosten des spielerischen Anspruchs
bleibt hängen, wenn Netzwerk im Spiel ausgeschaltet wird
relativ einfache Bosskämpfe
keine Mehrspielervarianten

Wertung

PS_Vita

Auch auf Vita gute altmodische Arcade-Action - leider mit Kompromissen auf Kosten des spielerischen Anspruchs und einem ärgerlichen Programmfehler.

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